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4 C 20/03.BSchMo - Amtsgericht (Moselschiffahrtsgericht)
Entscheidungsdatum: 10.01.2005
Aktenzeichen: 4 C 20/03.BSchMo
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Amtsgericht St. Goar
Abteilung: Moselschiffahrtsgericht

Urteil des Amtsgerichts – Moselschiffahrtsgericht St.Goar

vom 10.01.2005

4 C 20/03.BSchMo


Tatbestand:

Die Klägerin hat das dem Schiffseigner T in B-9940 Evergem gehörende MS L (1.909,23 ts groß, 1.050 PS stark, Abmessungen 105 x 9,50 x 2,82 m) gegen die Gefahren der Schifffahrt versichert. Sie hat dem Eigner wegen eines am 15. Juni 2002 im Vorkanal der Schleuse Enkirch entstandenen Schadens teilweise Deckung gewährt. Sie macht aus übergegangenem und abgetretenem Recht den bei dem Unfall entstandenen Schaden gegen den Beklagten zu 2. als Führer des sich ebenfalls im Vorkanal der Schleuse befindlichen GMS C (2.385 t groß, 1.104 kw stark, Abmessungen 104 x 11,20 x 3,00 m), dessen Miteigentümer der Beklagte zu 1. ist, geltend. Die hinter den Beklagten stehende Haftpflichtversicherung hat vorprozessual auf den von der Klägerin mit 7.147,16 Euro bezifferten Schaden 1.151,20 Euro wegen des Kaskoschadens gezahlt.

Die Klägerin trägt vor:

Beide Schiffe hätten in der Nacht auf die Schleuse gewartet, wobei GMS C der Vorrang gebührt habe. Als die Ampel der Schleuse etwa um 2.00 Uhr auf grün geschaltet habe, um dem am linken Ufer festgemachten GMS C die Schleuseneinfahrt zu gewähren, habe Schiffsführer de Winter beobachtet, dass auf MS "Calypso" keine Anstalten zur Weiterfahrt gemacht worden seien. Auch Aufforderungen über Funk, die er habe mithören können, seien unbeachtet geblieben. Schließlich habe der Schleusenmeister GMS L aufgefordert, an der Stelle von GMS C in die Schleuse einzufahren. Als GMS L, vom rechten Moselufer kommend, in Höhe des GMS C gewesen sei, habe dieses überraschend ebenfalls die Fahrt aufgenommen und sei mit voller Geschwindigkeit auf die Schleuse zugefahren. Um einen Zusammenstoß mit GMS C zu vermeiden, habe Schiffsführer T die Maschinen von GMS L zurückgemacht. Dabei sei der Bug des GMS gegen den Molenkopf geraten und auf der Backbordseite beschädigt worden. Der Schaden, der allerdings die Fahrtauglichkeit des GMS nicht beeinträchtigt habe, sei beseitigt worden. Die Reparatur habe zwar länger gedauert, da man das Schiff bereits am Wochenende zur Werft gebracht gehabt habe. Man mache jedoch nur den Nutzungsausfall, wie in der Expertise bezeichnet, geltend. Da es sich nicht um einen Bagatellschaden gehandelt habe, habe der Schaden auch nicht "bei Gelegenheit" beseitigt werden können, zumal ein Werftaufenthalt weder geplant, noch notwendig gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,


die Beklagten als Gesamtschuldner, den Beklagten zu 1. auch dinglich haftend mit MS C, zur Zahlung von 5.995,96 Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 5. Juni 2003 zu verurteilen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie tragen vor:
Schon bei der Schleuse Koblenz seien wegen der zu erwartenden Verzögerungen infolge der jährlich wiederkehrenden Revisionsarbeiten an den Moselschleusen Nummern vergeben worden, die den Rang für alle Moselschleusen festgelegt hätten. Da an der Schleuse Enkirch mit einer längeren Wartezeit habe gerechnet werden müssen, habe sich der Beklagte zu 2., der das Schiff geführt habe, in die Wohnung begeben, sei aber rechtzeitig zum Steuerhaus zurückgekehrt. Zu diesem Zeitpunkt habe die Ampel allerdings rot gezeigt. Er sei deshalb in den Maschinenraum gegangen, um die Maschine klar zu machen. Nach kurzer Zeit habe er feststellen müssen, dass ein Ankermanöver auf GMS L vorgenommen werde, weshalb er hoch gegangen sei und die Fahrt aufgenommen habe. Inzwischen sei auch die Ampel auf grün geschaltet gewesen. Obgleich alle Geräte auf Empfang geschaltet gewesen seien, habe er Funkverkehr nicht wahrgenommen. Da die Reihenfolge der Schleuse seit Koblenz geregelt gewesen sei, habe er auch keinen Anlaß gesehen, bei der Schleuse die Reihenfolge abzuklären. Dabei sei zunächst nicht erkennbar gewesen, dass GMS L sich auf den Weg zur Schleuse befinde. Als dies dann für ihn sichtbar geworden sei, habe er die Fahrt von GMS C verringert, um GMS L den Vortritt zu lassen. Wenn dieses dann gegen den Molenkopf geraten sei, so sei dies auf eigene Fahrfehler zurückzuführen. So sei GMS L derart beladen gewesen, dass die Sicht eingeschränkt und das Schiff schwer zu navigieren gewesen sei. Zudem habe dessen Schiffsführer die zulässige Fahrtzeit überschritten gehabt und sei übermüdet gewesen.

Einem etwaigen Mitverschulden von GMS C sei durch die außergerichtliche Zahlung, die 40 % des Kaskoschadens betrage, ausreichend Rechnung getragen. Nutzungsausfall stehe der Klägerin bei dem Bagatellschaden ohnehin nicht zu. Inventurschäden seien nicht entstanden.

Wegen des Sachvortrages der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und Urkunden Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Schiffsführers de Winter von MS L, des Schiffsführers C von MS E, des Steuermanns S von MS C sowie durch Einholen eines Sachverständigengutachtens.

Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Koblenz Az.: 2040 Js 4340/03 waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach begründet. Die Führung von GMS C hat den Schaden allein verursacht, weshalb der Beklagte zu 2. gemäß §§ 823 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 315a StBG und der Beklagte zu 1. gemäß § 3 Abs. 1, 114 BinSchG zum Ersatz des an GMS L entstandenen Schadens verpflichtet sind. Dabei ist die dingliche Haftung des Beklagten zu 1. auf dem ihm gehörenden Miteigentumsanteil an GMS C beschränkt.

                                                              I.

1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass sich der Unfall im Vorhafen der Schleuse Enkirch so zugetragen hat, wie die Klägerin behauptet. Der Sachvortrag wird sowohl durch die Aussage des Zeugen T als auch durch die Bekundung des völlig unbeteiligten Zeugen C von GMS E gestützt. Beide haben ausgesagt, die Schiffsführung von GMS C sei von dem Schleusenbeamten mehrmals vergeblich aufgefordert worden, in die Schleuse einzufahren. Erst danach habe der Schleusenbeamte der Schiffsführung von GMS L die Erlaubnis gegeben, anstelle von GMS C die Schleuse zu benutzen. GMS L sei bereits auf dem Weg zur Schleuse gewesen, als die Beklagte zu 2. ebenfalls die Anker gelichtet habe und das Schiff zur Schleuse hin bewegt habe. Beide Zeugen haben auch bekundet, wegen des Verhaltens von GMS C habe die Gefahr des Zusammenstoßes bestanden, weshalb die Schiffsführung von GMS L gezwungen gewesen sei, die Fahrt aus dem Schiff zu nehmen und zurückzumachen. Wegen dieses Manövers sei GMS L verfallen und gegen den Molenkopf geraten.

2. Demgegenüber kann den Angaben des Beklagten zu 2. in seiner schriftlichen Stellungnahme sowie den Angaben des Zeugen S nicht geglaubt werden. Der Beklagte zu 2. kann die mehrfache Aufforderung des Schleusenbeamten nicht überhört haben, wenn er, entsprechend § 6.28 Nr. 2 MoselSchPVO den vorhandenen Sprechfunk eingeschaltet gehabt hätte. Für den Beklagten zu 2. hätte es deshalb nahegelegen, bei der Schleuse oder der Schiffsführung von GMS L nachzufragen, weshalb dieses die Fahrt aufgenommen habe. Seinen Angaben, die Führung dieses Schiffes habe so viel Funkverkehr gehabt, dass sie nicht ansprechbar gewesen sei, ist unglaubhaft. Das Verhalten des Beklagten zu 2. kann deshalb nur dahin gedeutet werden, er habe seine Unaufmerksamkeit, durch die er seinen Schleusenrang verloren hatte, wieder wett machen wollen und habe deshalb seine Position vom linken Moselufer startend ausgenutzt, um doch noch vor GMS L in die Schleuse einfahren zu können. Hierauf deutet auch die von dem unbeteiligten Zeugen C bestätigte Aussage des Zeugen T hin, er habe die Schiffsführung von GMS C vergeblich gefragt, was er denn da mache.

3. Die Aussage des Zeugen S ist unübersehbar von der Tendenz geprägt, für seinen Arbeitgeber günstig auszusagen. Zwar hat er zugegeben, er habe GMS L zunächst gar nicht sehen können. Nach seinen Angaben hatte die Schiffsführung von GMS L aber deutlich mehr Fahrt als GMS C und GMS L hat erst abgestoppt, als er sich bereits in Höhe des Molenkopfes befand. Zumindest letzteres erscheint angesichts der vollen Abladung von GMS L völlig unglaubhaft und widerspricht auch den Angaben des unbeteiligten Zeugen C, der glaubhaft bekundet hat, das typische Pfeifgeräusch, das ein Umschalten des Getriebes begleite, vernommen zu haben, als GMS L noch etwa 60 m von dem Schleusenvorhafen entfernt gewesen sei. Die Angriffe der Beklagten gegen die Richtigkeit dieser Aussage gehen ins Leere: Einmal waren sowohl GMS C als auch GMS L mit Topleuchten ausgestattet, zum anderen war auch der Schleusenbereich, wie der Sachverständige F mitgeteilt hat, ausreichend beleuchtet. Der Zeuge war deshalb durchaus in der Lage, die Abstände einzuschätzen.

4. Schließlich kann auch nicht als erwiesen angesehen werden, die Schiffsführung von GMS L habe den Unfall selbst verschuldet oder auch nur mitverschuldet. Nur der Zeuge S hat bekundet, GMS L sei so hoch beladen gewesen, dass sein Führer wegen des dadurch entstandenen toten Winkels die Verkehrssituation nicht habe überschauen können. Diese Einschätzung entsprach weder der Beobachtung des Zeugen Cauteren, noch war sie für den Sachverständigen nachvollziehbar. Sie erscheint auch deshalb unglaubhaft, weil GMS L Schrott geladen hatte, ein Ladegut, dessen spezifisches Gewicht wesentlich größer ist als das von Wasser. Es ist auch nicht erwiesen, GMS L habe sich der Schleuse mit überhöhter Geschwindigkeit genähert. Die entsprechende Unterstellung des Sachverständigen entbehrt einer gesicherten Grundlage. Dass GMS L zunächst schneller fuhr als GMS C als diesesgerade die Fahrt aufgenommen hatte, ist naheliegend. Nichts spricht aber dafür, seine Geschwindigkeit sei der Verkehrssituation nicht angepasst gewesen. Schiffsführer T konnte davon ausgehen, er könne ungehindert und zügig in den Schleusenvorhafen einfahren. Er brauchte nicht damit zu rechnen, GMS C, das mehrere Aufforderungen bei Einfahrt in die Schleuse missachtet hatte und sich auch über Funk nicht gemeldet hatte, würde doch noch in die Schleuse einfahren, nachdem der Schleusenbeamte der Führung von GMS L den Vorrang eingeräumt hatte.

Allerdings hatte der Schiffsführer von GMS L die Fahrzeit überschritten und ist deshalb wohl auch mit einem Bußgeld belegt worden. Es sind aber keine Anzeichen dafür zu sehen, dass der Unfall, der zwanglos dem Fehlverhalten von GMS C zugeordnet werden kann, für den Schaden in irgendeiner Weise ursächlich geworden sein könnte.


                                                                    II.

Auch der Höhe nach ist der Anspruch der Klägerin gerechtfertigt. Die Beklagten stellen nicht in Abrede, die Reparaturaufwendungen hätten 2.878,00 Euro gekostet und 3 Tage in Anspruch genommen. Ist dies aber der Fall, so kann nicht von einem Bagatellschaden ausgegangen werden, der bei "Gelegenheit" einer anderen Reparatur ohne weiteren Zeitaufwand hätte beseitigt werden können. Hinzu kommt, dass ein weiterer Werftaufenthalt nicht anstand. Der Höhe nach entspricht das geforderte Nutzungsentgelt dem gesetzlichen Liegegeld und ist deshalb zur Berechnung des Ausfallsschadens geeignet (vgl. OLG Köln vom 15.01.2002, AZ: 3 U 144/01 in ZLB 2002, September S. 244).

Die Inventurschäden sind nach Grund und Höhe durch die Aussage des Zeugen T nachgewiesen.

Allerdings ist der Beklagte. zu 1., wie die Klägerin nicht in Abrede stellt, lediglich Miteigentümer von GMS C, weshalb seine dingliche Haftung entsprechend beschränkt ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

Gemäß § 711 ZPO war das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Streitwert: 5.995,96 Euro.