Rechtsprechungsdatenbank
Urteil des Amtsgerichts – Rheinschiffahrtsgericht St.Goar
vom 06.09.2004
4 C 19/02.BSchRh
Tatbestand:
Die Klägerin ist Versicherer des Schubleichters E, der am 16. November 2001, beladen mit 1.184 Tonnen Eisenerz auf dem Rhein zu Berg fahrend bei Rhein-km 538 sank. Sie hat den Interessenten des Schiffes Ersatz für den bei der Havarie entstandenen Schaden geleistet und nimmt die Beklagten aus übergegangenem und abgetretenem Recht auf Ersatz des Schadens in Anspruch. Die Beklagte zu 1. ist Eignerin, jedenfalls Ausrüsterin von MS P (36,24 m lang, 7,47 m breit und 736 Kw stark), das zum fraglichem Zeitpunkt als Vorspann des Koppelverbandes, bestehend aus MS E und SL E eingesetzt war. MS E ist 80 m lang und 9 m breit, verfügt über eine Tragfähigkeit von 1.079 Tonnen und ist mit 2 Antriebsmaschinen von je 650 PS sowie einem Bugstrahlruder mit 240 PS ausgerüstet. Es war zum Unfallzeitpunkt mit 995 Tonnen Eisenerz beladen. SL E (65 m lang, 9,50 m breit) hatte eine Tragfähigkeit von 1.191 Tonnen, war also fast voll abgeladen.
Der Koppelverband hatte die Fracht im Seehafen Rotterdam aufgenommen. Schiffsführer Janko, der seit 1968 in der Seeschifffahrt und ab 1980 in der Binnenschifffahrt tätig war, hat 1998 das Rheinschifffahrtspatent erworben. Es handelte sich um seine zweite Fahrt mit dem Koppelverband E/E. Zuvor hatte er ein Schwesterschiff, dem schmalere Schubleichter vorgespannt waren, geführt. Er übernahm bei Rhein-Km 583 um 19.00 Uhr das Ruder des Verbandes. Nach Rücksprache mit dem früheren Schiffsführer des Verbandes entschloss er sich, für die Fahrt durch das Gebirge ein Vorspannboot zu nehmen, so dass der Beklagte zu 2. mit dem der Beklagten zu 1. gehörenden MS P ihn am Grünsgrund in Schlepp nahm. Der Beklagte zu 2. ist seit 1980 Inhaber des Rheinpatents, ist bei der Beklagten zu 1. als Aushilfsfahrer tätig und tagsüber bei dem Wasser- und Schiffahrtsamt Bingen beschäftigt. Die Verständigung zwischen den beiden Schiffsführern war über Kanal 15 abgesprochen. Bei Befestigung der zunächst auf 90 m ausgefahrenen Trosse fragte der Beklagte zu 2., ob SL E im Bugbereich ausreichend gegen Wassereinbruch gesichert sei, während der Schiffsführer Janko darauf hin wies, der Verband sei schon des öfteren in Schlepp genommen worden. Gleichwohl kam es bei Rhein-Km 538 zu der Havarie, nachdem die Fahrt bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend problemlos verlaufen war. Tatsächlich ergab die Untersuchung des geborgenen SL E auch keinerlei Hinweis auf ein Leck in der Außenhaut des Schiffes.
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Erstattung des an SL E entstandenen Schadens in Anspruch und trägt vor:
Der Beklagte habe den Untergang von SL E verschuldet. Entgegen seiner Behauptung habe die Schlepplänge nur 90 m betragen und er habe den Schlepper unmittelbar vor dem Verband geführt, weshalb der Bug des Verbandes in erhöhtem Maße angeströmt worden sei. Zudem sei man an der späteren Unfallstelle für die gegebenen Verhältnisse zu schnell gefahren. Bei Rhein-Km 538,600 nehme die Wassertiefe in erheblichem Maße ab, so dass der Kopf eines Koppelverbandes an dieser Stelle Gefahr laufe, auf den Grund abzusinken, jedenfalls zu unterschneiden. Dieses Phänomen sei insbesondere bei den Schleppschiffern der Region bestens bekannt und veranlasse diese, an der betreffenden Stelle die Geschwindigkeit zu reduzieren. Auch dem Beklagte zu 2., der auch hauptberuflich in der Region tätig sei, habe dieses Phänomen bekannt sein müssen. Offensichtlich wegen Übermüdung habe er dem aber nicht Rechnung getragen. Dagegen habe Schiffsführer Janko, der nur relativ selten den Rhein befahre, um diese speziellen Gegebenheiten nicht wissen müssen. Auch sonstiges Verschulden sei nicht gegeben: SL E sei zwar voll abgeladen gewesen, indes aber nicht überladen. Andere Mängel des Schiffes seien jedenfalls für den Unfall nicht ursächlich geworden.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner haftend zur Zahlung von 178.488,86 Euro nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 16. November 2001, die Beklagte zu 1. zusätzlich dinglich mit dem am 16. November 2001 entstandenen Schiffsgläubigerrecht an MS P haftend, zu verurteilen,
2. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, für alle aus der Havarie entstandenen Schäden auf Seiten des Schiffseigners von SL E aufzukommen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie tragen vor:
Beim Festmachen des Schleppers habe der Beklagte zu 2. den Schiffsführer des Koppelverbandes gefragt, ob den alles im Vorschiffsbereich dicht sei. Dies habe der Zeuge Janko bejaht und darauf hingewiesen, dass der Koppelverband E/E schon des öfteren Vorspann genommen gehabt hätte. Tatsächlich sei SL E im Bugbereich nicht völlig verschlossen gewesen. So habe der Sachverständige Kratzenberg festgestellt, einer der Schwanenhälse, bei dem zudem der Verschluss gefehlt habe, habe den Wasserspiegel nur um 47 cm überragt. Der Deckel zur Vorpiek sei nicht verschließbar gewesen. Ob sich dort schon während der vorangegangenen Bergfahrt Wasser angesammelt gehabt habe, sei fraglich und durch die Zeugenaussagen keineswegs ausgeschlossen. Zudem sei SL E überladen gewesen, jedenfalls falsch beladen worden. Das Schlepptau sei nur im Bereich des Gebirges auf 90 m verkürzt gewesen, in Oberwesel habe man es für die weitere Fahrt auf 200 m verlängert. Weil der Koppelverband die größere Kraft für die Fortbewegung des Verbandes eingesetzt habe, sei Schiffsführer J für Kurs und Geschwindigkeit des gesamten Verbandes verantwortlich gewesen.
Wegen des Sachvortrages der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und Urkunden hingewiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholen eines Gutachtens seitens des Europäischen Entwicklungszentrum für Binnen- und Küstenschifffahrt. Bei dem Binnenschifffahrtsgericht war zuvor unter dem Aktenzeichen 4 II 2/01 auf Antrag des Schiffsführers J ein Verklarungsverfahren anhängig gewesen, in dessen Rahmen die Besatzungsmitglieder des Koppelverbandes E/E sowie die Besatzung des MS P gehört wurden. Darüber hinaus wurde im Rahmen des Verklarungsverfahrens ein Gutachten seitens des Sachverständigen Kratzenberg eingeholt.
Die Verklarungsakten sowie die polizeilichen Ermittlungsakten 2040 Js 59758/01 StA Koblenz waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Klage ist dem Grunde nach zum Teil gerechtfertigt. Der Untergang des Schubleichters E wurde sowohl von dem Beklagten zu 2. als auch von der Schiffsführung des Koppelverbandes E/E verschuldet, wobei das Verschulden der Führung des Koppelverbandes überwiegt. Da die Höhe des bei dem Untergang des Schiffes entstandenen Schadens noch der weiteren Aufklärung bedarf, war gemäß § 304 Abs. 1 ZPO - wie in Schifffahrtssachen auch üblich - vorab über den Grund des Anspruchs zu entscheiden.
1. Nach der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass der Unfall auf eine zu schnelle Fahrweise des Verbandes zurückgeführt werden muss. Dies haben der im Verklarungsverfahren tätig gewesene Sachverständige Kratzenberg und auch der Sachverständige Broß übereinstimmend, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung festgestellt. Das Gericht folgt der Argumentation des Sachverständigen Broß, wonach der Verband aus tieferem Wasser kommend mit relativ hoher Geschwindigkeit in einen seichteren Flussabschnitt einfuhr, wobei dort eine so schnelle Fahrt des Koppelverbandes nicht möglich war. Dies führte, wie der Sachverständige Broß überzeugend dargestellt hat, zu einer so starken Absenkung des Kopfes von SL E, dass dieser unterschnitt, über Bug Wasser schöpfte und schließlich sank.
2. Die Angriffe der Beklagten gegen das Gutachten des Sachverständigen Broß überzeugen nicht:
a) Soweit die Beklagten die Ausführungen des Sachverständigen mit einer Weg-Zeitberechnung infrage stellen, ist festzuhalten, dass der Sachverständige den Beginn des Absinkvorganges nicht absolut festgelegt hat. Er hat aber in Kenntnis der Tatsache, SL E sei letztlich bei Stromkilometer 538,00 gesunken, an der Bewertung festgehalten, die bei Stromkilometer 538,600 beginnende Verringerung der Wassertiefe sei für den Untergang des Verbandes verantwortlich gewesen. Er hat den Absinkvorgang nicht als ein plötzliches Ereignis dargestellt, vielmehr als einen allmählichen Vorgang, dessen Dauer im einzelnen nicht errechenbar bzw. quantifizierbar sei. Dass dies so war, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass eine Reaktion nach dem Abreißen des ursprünglichen Wellenbildes durchaus noch möglich gewesen wäre und ein Absinken des Schiffes mit deutlicher Reduzierung der Vorwärtskräfte im allgemeinen verhindert werden kann.
b) Zu Recht hat der Sachverständige Broß der angeblichen Überladung des Leichters keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Er hat ausgeführt, eine Überladung sei nur um wenige Zentimeter möglich gewesen, wobei auch der Umstand, dass der Schubleichter möglicherweise während der Fahrt in geringem Umfang Wasser geschöpft hat, das plötzliche Absinken des Kopfes von SL E nicht erklären könne. Eine plausible Erklärung für das Sinken des Schiffes sei indes in der nicht unerheblichen Verringerung der Sohlentiefe und den sich daraus nach den Propulsionsberechnungen ergebenden Folgen gegeben. Danach erscheint es wenig effektiv, daneben nach weiteren Ursachen zu forschen, zumal auch insoweit keine präzisen Erkenntnisse gegeben sind und eine weitere Aufklärung wenig Erfolg verspricht. Dies gilt auch für den Umfang der Wassermengen, die möglicherweise durch die recht niedrig angeordneten Schwanenhälse sowie wegen des nur lose aufgelegten Deckels in die Vorpiek hatten gelangen können.
c) Zu Recht hat der Sachverständige Broß auch dem Umstand, dass der von MS P ausgehende Propellerstrahl den Bug des Koppelverbandes anströmte, keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Es stand der Schiffsführung des Koppelverbandes frei, auf gerader Strecke seinen Kurs außerhalb des Propellerstromes zu wählen. Allerdings war bei Kurvenfahrten eine entsprechende Anströmung des Kopfes des Koppelverbandes unvermeidlich, wobei derartige Kurven den Koppelverband aber vor allem unterhalb der Unfallstelle zu durchfahren hatte. Es kann deshalb zwanglos angenommen werden, dass der Einfluss des Propellerstrahl auf den Kopf des Koppelverbandes keine entscheidende Rolle spielte, zumal nach den Berechnungen des Sachverständigen deshalb allenfalls geringe Wassermengen in das Schiffsinnere gelangt sein können.
3. Für Kurs und Geschwindigkeit des Verbandes ist in erster Linie der Schiffsführer des Koppelverbandes verantwortlich gewesen. Anders bei einem Schleppverband, bei dem nur das schleppende Fahrzeug mit einem Antrieb ausgerüstet ist, dient der Vorspann lediglich dem leichteren und schnelleren Fortkommen des Schiffes, das den Vorspann in Anspruch nimmt. So hatte Schiffsführer J nach dem Durchfahren einer Teststrecke nach Rücksprache mit dem früheren Schiffsführer des Verbandes entschieden, einen Vorspann zu nehmen. Sein Schiff verfügte über
den stärksten Antrieb, so dass die von dem Vorspann ausgehende Kraft lediglich als Ergänzung des Maschinenantriebs anzusehen ist. Der Schiffsführer J hat selbst ausgesagt, der Geschwindigkeitgewinn habe nur etwa 1 km/h betragen. Ohne den Vorspann sei er 5 - 6 km schnell gewesen und habe dann mit dem Vorspann eine Geschwindigkeit von 6 bis 7 km/h über Grund erreicht. Dies entspricht auch den Berechnungen des Sachverständigen Broß, der errechnet hat, der Verband sei vor dem Unfallereignis mit einer Geschwindigkeit von 7,86 km/h über Grund gefahren. Bedenken des Beklagten zu 2. hinsichtlich der Dichtheit des Vorschiffes hat Schiffsführer J mit dem Hinweis zur Seite gewischt, das Schiff sei schon des öfteren mit Vorspann gefahren. Der Kurs des Verbandes wurde derart abgesprochen, dass der Beklagte zu 2. Schiffsführer Janko fragte, welchen Kurs er denn wählen solle (vgl. Verklarungsakte Bl. 16, Protokoll 28. November 2001 - Bl. 6). Demnach ist festzustellen, dass für den Kurs des Verbandes vor allem die Schiffsführung des Koppelverbandes verantwortlich war und es auch der Beklagte zu 2. nicht übernommen hatte, dessen Kurs zu bestimmen, auch wenn er an verschiedenen Stellen Hinweise für die weitere Navigation gab.
4. Hierzu bestand auch Anlaß: Es ist allgemein anerkannt, dass die Führer des Schleppverbandes auch den Kurs des Anhanges zu beobachten hat und ggfls. den Führer des geschleppten Fahrzeuges zu nautisch richtigem Verhalten anhalten muss (so schon BGH VerR 1965, S. 455). Dies gilt auch für den Führer eines Vorspannbootes. Auch dieser ist verpflichtet, auf Gefahren der Fahrt aufmerksam zu machen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Hauptboot die Gefahr nicht erkannt hat (vgl. Bemm/v. Waldstein, dazu RhSchPVO RN 23 zu § 1.02 RhSchPVO). Eine solche Verpflichtung zur Gefahrenabwehr, die generell für jeden Teilnehmer am Schiffsverkehr besteht, ergab sich für den Beklagten zu 2. als Erfüllungsgehilfe des Beklagten zu 1. im vorliegenden Fall aber auch als Nebenpflicht aus dem zwischen dem Beklagten zu 1. und dem Versicherungsnehmer der Klägerin geschlossenen Schleppvertrag. Abgesehen davon, dass es deshalb der Beklagten zu 1. obliegt, sich zu entlasten, muss der Beklagte zu 2. aber auch erkannt haben, dass schon bei normaler Fahrt mit entsprechender Geschwindigkeit der Bug von SL E ungewöhnlich hoch angeströmt wurde. Als Schiffsführer muss er auch um die Gefahr vertikaler Bewegungen bei einer Verringerung der Wassertiefe gewusst haben. Hinzu kommt, dass er im Bereich des Mittelrheines als Schiffsführer tätig ist. Als solchem und erst recht als Bediensteten der WSA Bingen kann ihm die bei Rhein-Km 538.600 vorhandene Verringerung der Wassertiefe nicht verborgen gewesen sein. In der Schifffahrt ist allgemein bekannt, dass tieferes Wasser höhere Geschwindigkeiten zulässt. Wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, muss bei einem Übergang in seichtere Gewässer mit einem Absenken des Buges eines Schiffes gerechnet werden, was bei entsprechenden Gegebenheiten zu erheblichen Schäden führen kann. Es hätte deshalb dem Beklagten zu 2. oblegen, die Schiffsführung des Koppelverbandes jedenfalls im fraglichen Bereich zu einer Reduzierung der Wellenleistung anzuhalten. Dies hätte problemlos über Funk geschehen können, wie die Führer beider Schiffe auch schon zuvor den Kurs und die Geschwindigkeit des Verbandes abgesprochen hatten.
6. Aber auch die Schiffsführung des Koppelverbandes hätte die Gefahr für den Schubleichter voraussehen und somit den Unfall verhindern müssen. Zu Recht weisen die Beklagten darauf hin,
das "Phänomen" der Bugabsenkung sei nicht nur auf dem Rhein bei Strom-Km 538 zu beobachten. Es sei vielmehr überall dort zu befürchten, wo bei ähnlichen Gegebenheiten ein Schiff mit relativ hoher Geschwindigkeit in einen Bereich mit relativ flachem Wasser einfahre, wo die zuvor gefahrene Geschwindigkeit nicht erreicht werden könne. Die Klägerin kann sich deshalb nicht darauf berufen, Schiffsführer Janko habe die nähere Ortskenntnis gefehlt. Abgesehen davon, dass dieser seit Jahren Inhaber des Rheinpatentes ist, müssen ihm als Schiffsführer entsprechende Gefahren bekannt gewesen sein. Dies ergibt sich unmissverständlich aus den Ausführungen des Sachverständigen Broß, wonach derartige Gefahren allgemein bekannt sind und der erfahrene Schiffsführer darauf auch reagieren kann. Mögen im vorliegenden Fall auch wegen der Dunkelheit die untrüglichen
Zeichen einer Bugabsenkung, nämlich die Veränderung des Wellenbildes, nicht sichtbar gewesen sein. Fehlte dem Schiffsführer des Koppelverbandes die entsprechende Ortskenntnis, um auch in Dunkelheit auf entsprechende Gefahren rechtzeitig reagieren zu können, so hätte Schiffsführer J die Geschwindigkeit des Schiffsverbandes so einrichten müssen, dass entsprechende Gefahren nicht würden auftreten können. Wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Broß ergibt, betrug die Bugwellenhöhe des Schubverbandes 0,865 m über dem Abladetiefgang des Schubleichters, wobei Schanz und Tennebaum nur 1,03 m hoch waren. Vor allem während der Radarfahrt bei Nacht wäre er deshalb verpflichtet gewesen, den Vorspann nicht zu schnellerer Fahrt zu nutzen, was er mit einer Reduzierung der Leistung der eigenen Maschine leicht hätte bewerkstelligen können. Der Vorspann hätte dann nur dazu gedient, die bekannten Gefahrenstellen des Mittelrheins besser zu umfahren.
7 Hat somit die Besatzung beider Schiffe den Untergang von SL E zu vertreten, so ist das Verschulden beider gegeneinander abzuwägen (§ 92c Abs. 1 BSchG). Das Verschulden der Führung des Schubverbandes überwiegt: Schiffsführer J wusste, dass SL E voll abgeladen war und es deshalb besonders vorsichtiger Fahrweise bedurfte. Kannte er das Verhalten des Koppelverbandes nicht, so hätte er entsprechende Erkundungen einholen müssen. Das "Phänomen", das Ursache für den Untergang des Schubleichters geworden ist, tritt nur ein, wenn verschiedene Komponenten gleichzeitig eintreten. Es sind nicht allein die Solenbeschaffenheit und die Tiefe des Fahrwassers verantwortlich. Auch die Form des Rumpfes, die Abladung, Pegelstand und Geschwindigkeit beeinflussen und verstärken das "Phänomen". Angesichts der Tatsache, dass Schiffsführer J mit dem eigenen, weitaus stärkeren Antrieb die Geschwindigkeit des Koppelverbandes im wesentlichen bestimmte, kann das Maß seines Verschuldens nicht gering geachtet werden. Demgegenüber fällt auf Seiten der Beklagten die besondere Ortskenntnis des Beklagten zu 2. ins Gewicht. Bei überwiegendem Verschulden der Führung des Koppelverbandes ist die Verantwortlichkeit der Beklagten zu 2. aber mit 40 % zu bemessen.
Demgemäß ist der Feststellungsantrag zu 2. ebenfalls in entsprechendem Umfang gerechtfertigt.
Das den früheren Sachvortrag wiederholende Vorbringen der Parteien nach Schluss der mündlichen Verhandlung rechtfertigt eine andere Wertung nicht. Es war deshalb nicht angezeigt, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten.