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Urteil des Amtsgerichts – Binnenschiffahrtsgericht St. Goar
vom 24.03.1999
4 C 17/98.BSch
Tatbestand:
Der Kläger ist Eigentümer von Motoryacht M, mit dem er am Vormittag des 20. August 1998 auf der Mosel zu Tal fuhr. Als er zur Schleuse Fankel kam, befand sich keine Großschiffahrt im Revier, mit der er kostenlos hätte mitschleusen können. Er kam deshalb mit dem Schleusenbeamten überein, daß er die entsprechende Gebühr entrichte.
Nachdem das Boot des Klägers im vorderen Teil der Schleuse festgemacht war, begab sich der Kläger zum Schleusengebäude, um die Gebühr zu zahlen. Zurück blieb zunächst die Ehefrau des Klägers, sodaß der Schleusenbeamte die Schleusung einleitete und die Schütze öffnete. Der Ehefrau des Klägers gelang es nicht, die Festmachung zu lösen. Noch bevor die Taue rissen und das Boot auf dem inzwischen abgesenkten Wasserspiegel aufschlug, konnte die Zeugin indes die Motoryacht verlassen. An dem Schiff entstand Sachschaden, den der Kläger entsprechend dem Voranschlag mit 4.337,52 DM beziffert.
Der Kläger behauptet, während er sich zum Schleusengebäude begeben habe, habe seine Ehefrau für kurze Zeit das Schiff verlassen gehabt, um Müll in einen in der Nähe befindlichen Behälter zu entsorgen. Als sie zurückgekommen sei, habe sich der Wasserspiegel schon so weit gesenkt gehabt, daß sie die Festmachung nicht mehr habe lösen können. Seine Motoryacht habe deshalb zunächst "in der Luft gehangen". Gerade habe er seine Frau noch von Bord holen können, als die Taue gerissen seien und das Boot in die Tiefe gefallen sei.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 4.337,52 DM nebst 9,75 Zinsen seit dem 01.11.1998 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie trägt vor, der Kläger habe den Unfall allein verschuldet. Es habe ihm oblegen, seine Frau anzuweisen, das Boot zu fieren. Wenn diese dazu nicht in der Lage gewesen sei, hätte er selbst an Bord bleiben und seine Frau zum Schleusengebäude schicken müssen.
Wegen des Sachvortrages der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und Urkunden verwiesen.
Die Höhe des von dem Kläger geltend gemachten Schadens werde in Abrede gestellt.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Ehefrau des Klägers und des Schleusenbeamten M.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Da die Höhe des von dem Kläger geltend gemachten Schadens noch nicht ausreichend feststeht, kann vorab nur über den Grund des Anspruchs entschieden werden.
Die Beklagte ist dem Kläger wegen Verletzung der beim Betrieb der Schleuse obliegenden Verkehrssicherungspflicht zum Schadensersatz verpflichtet:
1. Unstreitig ist der Schaden darauf zurückzuführen, daß die Taue, mit dem die Motoryacht befestigt war, beim Beginn der Schleusententleerung nicht gelöst wurden. Dies wurde deshalb versäumt, weil sich zu diesem Zeitpunkt keine Person, welche die Taue hätte lösen können, an Bord befand. Der Kläger selbst war auf dem Weg zum Schleusengebäude, was dem dort befindlichen Beamten der Beklagten bekannt war. Die Ehefrau des Klägers hatte, wie sie glaubhaft bekundet hat, das Boot für kurze Zeit verlassen, um Müll zu entsorgen.
2. Bei dieser Sachlage hätte der Schleusenbeamte M die Schleusung noch nicht einleiten dürfen. Gemäß § 21 Nr. 4 Satz 2 der Verwaltungsvorschrift der WSV für den Schleusenbetrieb (VV-WSV 2302) darf die Steuerung für die Verschlüsse zum Leeren der Schleusenkammer erst betätigt werden, wenn sich der Schleusenbeamte davon überzeugt hat, daß dies ohne Gefahr für Schleuse und Fahrzeug möglich ist. Diese Verpflichtung kann der Beamte der Beklagten nicht erfüllt haben: Ihm ist verborgen geblieben, daß die Zeugin das Boot verlassen hatte. Da der Kläger, wie dem Zeugen M bekannt, auf dem Weg zum Schleusengebäude war, hätte er sich vergewissern müssen, daß die Zeugin bereit und in der Lage sei, die Taue zu fieren. Die Anwesenheit der Zeugin an Bord allein bot hierfür nicht ausreichend Gewähr. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn diese ganz augenscheinlich bereit gewesen wäre, die Festmachung zu bedienen. Dies hat die Beklagte aber selbst nicht behauptet.
3. Auch wenn der Kläger selbst verpflichtet war, sein Schiff während der Schleusung zu beaufsichtigen, ist nicht zu ersehen, daß er den Schaden selbst verschuldet oder auch nur mitverschuldet hat. Die Ehefrau des Klägers hatte das Schiff nur für kurze Zeit verlassen. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, daß sich der Müllbehälter, zu dem sich die Zeugin begab, nur wenige Meter vom Boot entfernt befand. Der Kläger selbst war auf dem Weg zum Schleusengebäude und ging augenscheinlich davon aus, der Schleusenbeamte leite die Schleusung erst ein, wenn er zu seinem Boot zurückgekehrt sei. Für die Zwischenzeit bot seine Ehefrau eine ausreichende Aufsicht. Daß der Schleusenbeamte die Schleusung sofort einleiten würde, war in der gegebenen Situation nicht zu ersehen: Es war weder Tal- noch Bergschleusung in Sicht. Tatsächlich bestand auch kein Grund zur Eile: Der Zeuge M hat zugestanden, die angekündigte Bergfahrt sei noch ca. 1.000 Meter entfernt gewesen, als er die Schleusung eingeleitet habe.
Die Kostenentscheidung ist dem Schlußurteil vorzubehalten.