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4 C 11/03.BSchRh - Amtsgericht (Rheinschiffahrtsgericht)
Entscheidungsdatum: 17.05.2004
Aktenzeichen: 4 C 11/03.BSchRh
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Amtsgericht St. Goar
Abteilung: Rheinschiffahrtsgericht

Urteil des Amtsgerichts – Rheinschiffahrtsgericht St.Goar

vom 17. Mai 2004


Tatbestand:

Die Klägerin ist Versicherer von TMS R (95 m lang, 9 m breit, 2,60 m tief und 1.564 t groß), das am Morgen des 11. März 2003 auf dem Rhein beladen mit 1 000 t Heizöl zu Berg geführt wurde. Bei Rhein-km 613,400 in der Nähe von Leutesdorf kollidierte es mit dem leer zu Tal fahrenden TMS A, das von dem Beklagten zu 1. zur Schifffahrt verwendet und von dem Beklagten zu 2. verantwortlich geführt wurde. TMS A geriet mit der Backbordseite seines Buges über die Backbordseite des TMS R und rutschte ab dem mittleren Doppelpoller bis zum Heck über Gangbord und Tennebaum. Es entstand ein Riss in der Bordwand des Bergfahrers, so dass Produkt austrat und TMS R in dem nahegelegenen Hafen von Andernach geleichtert werden musste.

Die Klägerin hat den Interessenten von TMS R für den an dem Schiff entstandenen Schaden Ersatz geleistet und nimmt die Beklagten aus übergegangenem bzw. abgetretenem Recht auf Erstattung des Schadens in Anspruch.

Sie trägt vor:

TMS R sei seit geraumer Zeit mit blauer Tafel rechtsrheinisch zu Berg geführt worden. Das Steuer habe der Schiffsführer S. dem Steuermann L. überlassen gehabt, um frühstücken zu können. Dieser habe beabsichtigt, nach dem Durchfahren des Leutesdorfer Bogens den Übergang zum linken Rheinufer zu machen. TMS A habe er mit bloßem Auge bereits erkennen können, als dieses ihm in einer Entfernung von 800 bis 1000 m entgegengekommen sei. Der Talfahrer habe sich in der Mitte des Stromes befunden, so dass die Begegnung Steuerbord an Steuerbord klar
gewesen sei. Als TMS A jedoch nur noch 300 bis 350 m entfernt gewesen sei, habe er seinen Kopf plötzlich und ohne weitere Absprache nach Steuerbord gerichtet. Da man nunmehr auf Kollisionskurs gewesen sei, habe Steuermann L. den Schiffsführer S. gerufen, dem es auch fast gelungen sei, die Havarie abzuwenden. An TMS R sei indes Schaden in Höhe von 42.769,64 Euro entstanden.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner unbeschränkt persönlich haftend, der Beklagte zu 1. zusätzlich auch dinglich mit TMS A haftend zur Zahlung von 42.769,64 Euro nebst 5 Zinsen seit dem 1. Juni 2003 zu verurteilen.

Die Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tragen vor:

Als der Beklagte zu 2. TMS R erstmals wahrgenommen habe, habe er das linke Rheinufer angesteuert. Er habe sich mit Hilfe des Fernglases vergewissert, dass die blaue Tafel nicht gesetzt gewesen sei. Er selbst sei zunächst in der Mitte des Stromes gefahren und habe angesichts des klaren Kurses des Bergfahrers sein Schiff zum rechten Ufer hin gelenkt. Als die beiden Schiffe jedoch nur noch 150 bis 200 m Kopf zu Kopf voneinander entfernt gewesen seien, habe der Bergfahrer die blaue Tafel gesetzt und wieder nach Backbord gesteuert. Über Funk habe der Beklagte zu 2. TMS R angesprochen und darauf hingewiesen, die Begegnung Steuerbord an Steuerbord sei nicht mehr möglich. Da er keine Wahl gehabt habe, aus einer Geschwindigkeit von ca. 20 km/h anders zu reagieren, habe er seinen Kurs beibehalten. TMS R habe dann im letzten Moment wieder nach Steuerbord gehalten, sei aber noch mit der hinteren Hälfte seines zum linksrheinischen Ufer drehenden Schiffes gegen den Bug von TMS A gestoßen.

Wegen des Sachvortrages der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt des zu den Akten gereichten Schriftsätze und Urkunden verwiesen.
Bei dem Schifffahrtsgericht war unter dem Aktenzeichen 4 II 1/03 BSch ein Verklarungsverfahren anhängig, in dessen Verlauf der Beklagte zu 2., der Antragsteller S., der Steuermann L. von TMS R, der Schiffsführer Z. von TMS E sowie der Beamte der Wasserschutzpolizei D. vernommen worden. Die Akten waren ebenso Gegenstand der mündlichen Verhandlung wie die Ermittlungsakten der Wasserschutzpolizei Neuwied.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nur zum Teil begründet. Sowohl der Beklagte zu 2. als auch die Schiffsführung von TMS R haben die Havarie verschuldet, wobei das Verschulden von TMS A als überwiegend anzusehen ist. Die Klägerin kann deshalb als Rechtsnachfolgerin der Interessenten von TMS R von den Beklagten als Gesamtschuldnern Ersatz des an diesem Schiff entstandenen Schadens verlangen.

Da die Höhe des an TMS R entstandenen Schadens indes noch nicht endgültig feststeht, war vorab über den Grund des Anspruchs zu entscheiden.

I. Der Beklagte zu 2. hat den Unfall verschuldet. Er haftet deshalb gemäß § 823 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 6.04 Nr. 5 RheinSchPVO auf Ersatz des bei der Havarie entstandenen Schadens, weshalb auch der Beklagte als Schiffseigner gemäß §§ 3, 92b BSchG zum Schadensersatz verpflichtet ist.

1. Unstreitig hat sich die Havarie im Bereich des rechten Rheinufers zugetragen, weshalb davon auszugehen ist, dass sich beide Schiffe dort befanden. Die Beklagten stellen auch nicht in Abrede, das zu Berg fahrende TMS R habe im Zeitpunkt des Zusammenstosses die blaue Tafel gesetzt gehabt, weshalb sich die Schiffe an sich an ihrer Steuerbordseite hätten begegnen müssen. Es ist auch nicht streitig, dass der Beklagte zu 2. der Kursweisung nicht gefolgt ist. Er hat deshalb gegen § 6.04 Nr. 5 RheinSchPVO verstoßen und ist für den Unfall verantwortlich.

2. Soweit die Beklagten behaupten, der Beklagten zu 2. habe die Kursweisung deshalb nicht verfolgen können, weil diese zu spät erfolgt sei, ist ihnen der ihnen obliegende Beweis nicht gelungen: Zwar hat der Beklagte zu 2. bei seiner Vernehmung im Rahmen des Verklarungsverfahrens dies so ausgesagt. Dagegen hat Schiffsführer S. aber bekundet, er habe die blaue Tafel bereits gesetzt gehabt, bevor er das Steuer dem Steuermann L. überlassen habe und das Zeichen sei auch noch gezeigt worden, als er wieder in das Steuerhaus hochgekommen sei. Der Zeuge L. hat dies bestätigt und ausgesagt, er sei die ganze Zeit über mit blauer Tafel und Funkellicht am rechten Ufer zu Berg gefahren. Deren Angaben werden zudem durch die Bekundung des unbeteiligten Zeugen Zwang bestätigt: Dessen Schiff war zwar dem talfahrenden TMS A kurz vor der Havarie Backbord an Backbord begegnet, der Zeuge Z. hat aber ausgesagt, er habe, bevor er bei Leutesdorf den Übergang zum linksrheinischen Ufer gemacht habe, an dem hinter ihm fahrenden Schiff das Funkellicht gesehen. Er will auch während der Havarie an beiden Fahrzeugen eine entsprechende Zeichengebung wahrgenommen haben, weshalb er davon ausgegangen sei, die Begegnung der beiden Schiffe müsse Steuerbord an Steuerbord erfolgen. Selbst wenn also der Aussage des Zeugen S. deshalb Bedenken entgegenstehen sollten, weil er vor der Polizei und Gericht widersprüchliche Angaben gemacht hat, so kann die Behauptung der Beklagten keineswegs als erwiesen angesehen werden. Ihnen obliegt aber die Beweislast: Der Talfahrer, der unstreitig nicht der Kursweisung des Bergfahrers Folge leistet, hat die Umstände darzulegen und zu beweisen, welche ein Abweichen von der Kursweisung rechtfertigen (vgl. BGH VerR. 1989, S. 216; 1965, S. 152 und zuletzt OLG Köln in Urteil vom 27. Januar 2004 - 3 U 87/03 BSchMo).

II. Allerdings trifft auch die Führung von TMS R ein Verschulden an dem Schiffszusammenstoß. Sie hat nicht, jedenfalls nicht rechtzeitig die Maßnahmen ergriffen, die notwendig gewesen wären, den Unfall zu vermeiden: So hätte im vorliegenden Fall Anlass bestanden, die Begegnung über Funk mit dem Talfahrer abzusprechen, obgleich es bereits hell war und beide Schiffe einander sehen konnten: Unstreitig wechselt die Bergfahrt im Bereich des Leutesdorfer Bogen von der rechten zu linken Rheinseite, wie schon das vor TMS R fahrenden GMS E des Zeugen Zwang dem zu Tal kommenden TMS A an dessen Backbordseite begegnet war. Eine Verständigung in diesem Bereich wäre deshalb, im Nachhinein betrachtet, jedenfalls vorteilhaft gewesen. Darüber hinaus zeigte sich der Steuermann L ausgesprochen hilflos, als der Kollisionskurs der beiden Tankmotorschiffe augenfällig wurde: Er rief den außerhalb des Steuerhauses befindlichen Schiffsführer S., ohne selbst auch nur eine Maßnahme zu ergreifen, die geeignet gewesen wäre, die Havarie zu. vermeiden. So gelang es dem Schiffsführer S. nur noch, den Kopf des beladen zu Berg fahrenden Tankers so weit nach Steuerbord zu richten, dass ein Zusammenstoß Kopf auf Kopf vermeiden wurde. Wäre der Zeuge L. selbst fähig gewesen, eigenständig eine Maßnahme zu ergreifen, wäre keine Zeit verloren gegangen und der Zusammenstoß vermeiden worden. Dass es der Zeuge S. war, der das Schiff in der letzten Sekunde vor dem Zusammenstoß führte und die Havarie beinahe noch verhinderte, steht zur Überzeugung des Gerichtes trotz der Aussage D. fest: Der Zeuge S. selbst hat es so bekundet und der Beklagte zu 2. hat bei seiner Aussage im Verklarungsverfahren ausgesagt, TMS R sei kurz vor dem Zusammenstoß wieder scharf nach Steuerbord gelenkt worden und er denke, dass zu diesem Zeitpunkt jemand in das Steuerhaus gekommen sei.

III. Hat somit das Verschulden beider Schiffsführungen den Zusammenstoß verschuldet, so ist der dabei entstandene Schaden entsprechend dem Maß des beiderseitigen Verschuldens zu verteilen. Hiernach ist die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten auf 3/5 beschränkt; der Fehleinschätzung des Beklagten zu 2., der die an TMS R gesetzte blaue Tafel nicht gesehen hat, steht die augenscheinliche Überforderung mit der Situation auf Seiten der Führung des Bergfahrers gegenüber. Dabei überwiegt das Verschulden des Talfahrers nicht so erheblich, so dass eine entsprechende Schadensverteilung sachgerecht und angemessen erscheint.

Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten.