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Urteil des Amtsgerichts – Moselschiffahrtsgericht St.Goar
vom 12.01.2004
4 C-10/03.BSchMo
Tatbestand:
Die Klägerin ist Eigentümerin und für die Sicherheit des Verkehrs Verantwortliche der Bundeswasserstraße Mosel. Der Beklagte war Schiffsführer von GMS I (1.550 t groß, 940 PS stark, 85,85 m lang und 9,50 m breit, mit dem er sich in den Abendstunden des 21. November 2002 mit 1.524 t Feinkohle beladen auf der Mosel zu Berg befand. Bei der Ausfahrt aus der Schleuse Detzem sowie bei Mosel-Km 171 gewahrte er Schilder, die auf Bauarbeiten an der Brücke in Mehring bei Mosel-Km 171,520 hinwiesen. Der Beklagte, der jahrelang ausschließlich die Mosel befahren hatte, hatte wegen der inzwischen hereingebrochenen Dunkelheit das an Bord befindliche Radargerät eingeschaltet. Als er die Linkskurve bei Mosel-Km 171 umfuhr, konnte er auf dem Radarbild die erwartete Mehringer Brücke nicht erkennen. Die linke Moselseite war wegen der Bauarbeiten, die dort noch durchgeführt wurden, hell erleuchtet, während die rechte Moselseite im Dunkeln lag. Ohne nochmals in das Radarbild zu schauen, setzte der Beklagte seine Fahrt auf dieser Seite des Flusses fort und stieß geradewegs gegen den dort im Wasser verbliebenen, ca. 2 m über die Wasseroberfläche hinausragenden rechten Brückenpfeiler. Trotz umfangreicher Rettungsversuche sank das Schiff noch am gleichen Abend.
Die Klägerin hat bei diesen Rettungsversuchen mitgewirkt und anschließend Maßnahmen zur Sicherung des Schiffes ergriffen. Die von ihr angeblich in diesem Zusammenhang getätigten Aufwendungen verlangt sie mit der vorliegenden Klage von dem Beklagten als verantwortlichem Schiffsführer und persönlich haftenden Gesellschafterin der Schiffseignerin.
Sie trägt vor:
Die Aufwendungen habe sie im Interesse des Beklagten und des Schiffseigners gemacht. Dieser habe sie ihr deshalb nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zu erstatten. Dabei habe es sich für sie um ein fremdes Geschäft gehandelt, da sie für den Untergang von GMS I nicht verantwortlich gewesen sei. Der Beklagte habe den infrage stehenden Unfall allein verschuldet. Er habe infolge Unachtsamkeit den Brückenpfeiler nicht gesehen, obgleich dieser in seinem Radarbildschirm, wie anläßlich der Verklarung festgestellt worden sei, leicht erkennbar gewesen sei. Dagegen habe sie als für die Sicherheit des Verkehrs auf der Mosel Verantwortliche den Schaden nicht verschuldet: Sie habe in ausreichendem Maße auf die Arbeiten an der Brücke hingewiesen gehabt. Der Beklagte habe diese Hinweise auch gesehen. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei sie nicht verpflichtet gewesen, den im Strom verbliebenen Brückenpfeiler zu beleuchten, zumal der Brückenpfeiler nur für die Dauer des halben Jahres im Wasser gestanden habe. Der Unfall sei allein auf die Unaufmerksamkeit des Beklagten, der infolge von Überbeanspruchung an dem entsprechenden Tag wohl übermüdet gewesen sei, zurückzuführen.
Für die Rettungsversuche sowie die anschließende Absicherung des Wracks seien der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Aufwendungen in Höhe von 14.639,87 Euro entstanden.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zur Zahlung von 14.639,87 Euro nebst 5 Oe Zinsen über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 07.03.2001 bis zum 31.12.2001 sowie 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz für die Zeit ab dem 01.01.2002 zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er ist der Meinung, die Klägerin sei für den Unfall verantwortlich und habe somit ausschließlich ein eigenes Geschäft geführt, als sie die entsprechenden Rettungsmaßnahmen durchgeführt habe. Aus den Hinweisen, die die Klägerin gegeben habe, habe der Beklagte nicht erkennen können, dass die Brücke entfernt worden sei. Der Beklagte sei deshalb sehr erstaunt gewesen, als er nach dem Umfahren der Linkskurve bei Mosel-Km 171 die Brücke nicht im Bildschirm seines Radargerätes habe sehen können. Er habe dann mit dem Fernglas nach der Brücke Ausschau gehalten und dabei entdeckt, dass an dem hell erleuchteten linken Moselufer Bauarbeiten im Gange seien. Dort seien auch Wahrschauflöße ausgelegt gewesen. Die rechte Moselseite hingegen sei unbeleuchtet gewesen, so dass der Brückenpfeiler, mit dessen Vorhandensein niemand habe rechnen können, für ihn unsichtbar gewesen sei. Da ausreichende Feuersicht geherrscht habe, sei er nach Sicht gefahren, ohne den Radarbildschirm weiter zu beobachten. Hierzu sei er auch nicht verpflichtet gewesen. Hingegen habe es der Klägerin oblegen, den ca. 2 m aus dem Moselwasser herausragende Brückenpfeiler mit einem Warnlicht zu versehen. Infolge der Beleuchtung der linken Moselseite sei die Schifffahrt bemüht gewesen, von der Baustelle Abstand zu halten. Deshalb habe der im Wasser verbliebene Brückenpfeiler eine besondere Gefahr dargestellt, auf dessen Vorhandensein die Klägerin hätte stärker hinweisen müssen.
Wegen des Sachvortrages der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und Urkunden verwiesen.
Die Akten betreffend die Verklarung auf Antrag des Beklagten des Binnenschifffahrtsgerichtes St. Goar (Az.: 4 II 2/00) sowie die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft in Koblenz (Az.: 2010 Js 9155/01) waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die als Moselschifffahrtssache zulässige Klage ist jedenfalls dem Grund nach gerechtfertigt. Da die Höhe des der Klägerin zustehenden Anspruches noch der Erörterung und ggfls. der Beweiserhebung bedarf, war vorab durch Grundurteil zu entscheiden.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der hier infrage stehende Schiffsunfall ausschließlich auf das Verschulden des Beklagten zurückzuführen, so dass die Klägerin von dem Beklagten als verantwortlichem Schiffsführer und persönlich haftendem Mitgesellschafter der Eigentümerin nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag Ersatz der Aufwendungen verlangen kann, die sie, wenn auch vergeblich, zur Rettung von GMS I sowie zur späteren Absicherung des Schiffes gemacht hat.
Von einem Verschulden der Klägerin kann nicht ausgegangen werden:
Inhalt der Verkehrssicherungspflicht ist es, dass jeder, der im Verkehr eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zum Schutz anderer zu treffen hat. Dabei darf diese Verpflichtung zur Sicherung des Verkehrs jedoch nicht dahin missverstanden werden, dass alle nur möglichen Gefahren zu beseitigen sind. Der zur Sicherheit verpflichtete kann vielmehr davon ausgehen, der Benutzer werde die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachten und sich auf die normalerweise aus dem Betrieb der Anlage ergebenden Risiken einstellen (vgl. OLG Karlsruhe vom 24. Januar 2003 abgedruckt in ZfB 2003 Heft 12, Seite 48f.).
Danach kann im vorliegenden Fall ein Verschulden der Klägerin nicht angenommen werden.
1. Der Verkehr auf der Mosel im Bereich der Mehringer Brücke war vor Beginn der in Rede stehenden Bauarbeiten derart geregelt, dass für Bergfahrt und Talfahrt die Durchfahrt durch den mittleren Brückenbogen empfohlen war. Die Pfeiler waren nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin mit Radarspieren versehen, die für die Dauer der Bauarbeiten durch Radarbojen, die in einem Abstand von je ca. 30 m talwärts und bergwärts der Brückenpfeiler im Strom befestigt waren, ersetzt wurden. Die Klägerin hatte weiter Schilder aufgestellt, welche Achtung wegen der an der Brücke in Mehring im Gange befindlichen Bauarbeiten gebieten sollten.
2. Zu dem Unfall kam es nach der Schilderung des Beklagten im Verklarungsverfahren dadurch, dass dieser nach dem Umfahren der Linkskurve bei Mosel-Km 171,00 die Brücke, die in einer Entfernung von ca. 500 m die Mosel überspannte, entgegen dem sich ihm üblicherweise bietenden Bild auf seinem Radarbildschirm nicht entdecken konnte. Er griff zum Fernglas und seiner Aufmerksamkeit wurde durch die auf der linken Moselseite noch im Gang befindlichen Bauarbeiten ergriffen. Er beabsichtigte, quer über dem Strom von der rechten Moselseite kommend zur linken Moselseite zu wechseln, da Gegenverkehr nicht im Revier war und auf der rechten Moselseite ausreichend Wasser anstand, wie er wusste. Dabei übersah er den im Strom verbliebenen und außerhalb der Beleuchtung, welche auf der linken Moselseite die dort befindliche Baustelle hell erleuchtete, stehenden Brückenpfeiler sowie die zu seiner Sicherung ausgelegten Radarbojen, weil er, obgleich sein Fahrweg im Dunkeln lag, nicht auf den Radarschirm schaute.
3. Die Klägerin war nicht verpflichtet, den in der Mosel verbliebenen Brückenstumpf mit Lichtzeichen zu versehen. Die Berufsschifffahrt ist bis auf verschwindend geringe Einzelfälle mit modernen, leistungsfähigen Radargeräten ausgerüstet, so dass Hindernisse, zumal wenn sie durch Radarbojen gekennzeichnet sind, leicht erkannt werden können. Die Klägerin hatte, wie auch der Beklagte im Verklarungsverfahren bekundet hat, auf die Bauarbeiten an der Brücke in Mehring hingewiesen. Schon bei der Ausfahrt der Schleuse Detzem und nochmals bei Mosel-Km 171,00 war auf die Mosel-Brückenbaustelle bei Mosel-Km 171,5 hingewiesen. Der Begriff "Baustelle" umfasst auch die Beseitigung der Betonfahrbahnplatte, was im vorliegenden Fall geschehen war. Brücken ruhen in aller Regel auf Pfeilern, die nicht ohne weiteres beseitigt werden können und selbst nach der Beseitigung des Überbaus noch vorhanden sind. Nach dem Umfahren der Linkskurve bei Mosel-Km 171 waren mit einem Schiff von etwa 100 m Länge jedenfalls noch ca. 400 m zu durchfahren, währenddessen sich ein Schiffsführer über die Situation an der Baustelle hätte informieren können. Hierzu hatte er sich natürlich aller Hilfsmittel zu bedienen, die er an Bord hatte (vgl. BGH in VersR 1991 S. 605). Dazu gehörte ohne Zweifel auch das Radargerät, das auch bei einer Fahrt nach Sicht ein wichtiges Hilfsmittel darstellt, wie sich auch bei der Radarfahrt der Schiffsführer nicht allein auf das Radargerät verlassen kann, vielmehr seine Streckenkenntnis und Erfahrung mit in die Navigation einbringen muss. Der Beklagte kannte die Moselstrecke aus langjähriger Erfahrung. Er hätte wissen müssen, dass er geradewegs auf den rechten Brückenpfeiler zusteuerte, wie er auch wusste, dass in diesem Bereich an sich genügend Wasser anstand. Die Verkehrssituation hätte er auch anhand der gegebenen Hinweise erkennen können. Dass er es nicht erkannt hat, konnte er bei seiner Vernehmung im Rahmen des Verklarungsverfahrens auch nur damit erklären, dass seine Aufmerksamkeit durch die Bauarbeiten auf der linken Moselseite ("Licht zieht ja an" siehe Verklarungsverfahren Seite 14 vorletzter Absatz) abgelenkt war. Auch wenn die Schifffahrt von der Baustelle am linken Ufer Abstand hielt, verblieb bei einer Durchfahrtsweite von 98 m zwischen den Brückenpfeilern ausreichend Platz.
4. Die Klägerin war nicht verpflichtet, den Brückenstumpf zu beleuchten. Dies wäre allenfalls erforderlich gewesen, wenn sein Umfang und seine Ausmaße nicht erkennbar gewesen wären. Anders als in dem von dem Oberlandesgericht Karlsruhe (VkBl NT 1977 S. 393f.) entschiedenen Fall, worauf sich der Beklagte beruft, war der Brückenpfeiler zu keinem Zeitpunkt beleuchtet gewesen. Zu Recht hat das Oberlandesgericht Karlsruhe eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darin gesehen, dass eine seit Jahrzehnten vorhandene Lichtquelle, die zur Orientierungshilfe für die Schifffahrt geworden war, nicht rechtzeitig repariert worden war, ohne dass auf eine Veränderung hingewiesen wurde. So hatte das erkennende Gericht eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auch darin gesehen, dass die Lage einer für die Navigation von Schubschiffen bedeutsame Tonne im Bereich des Bremmer Bogens verändert wurde, ohne dass auf diese Veränderung hingewiesen wurde (Urteil vom 2. August 1995 - 4 C 9/95 BSchMo, insoweit bestätigend, jedoch ein Mitverschulden des Schiffsführers annehmend: OLG Köln mit Urteil vom 25. Juli 1997 - 3 U 135/95 BSchMo). Zwar stellte sich im vorliegenden Fall ebenfalls eine neue Situation dar: Die Klägerin hatte indes auf die Baustelle hingewiesen. Es oblag der Schifffahrt, sich auf die dort ihr bietende neue Situation einzustellen, wobei freilich nicht die Arbeiten auf der linken Moselseite, vielmehr die sich als Folge der Bauarbeiten veränderte Verkehrssituation zu beachten war.
5. Die Klägerin wäre auch nicht gemäß § 3.25 MoselSchPV bzw. in dessen entsprechender Anwendung genötigt gewesen, Leuchtzeichen anzubringen. Bei den dort genannten schwimmenden Geräten sowie bei festgefahrenen und gesunkenen Fahrzeugen handelt es sich um vorübergehende Hindernisse, deren Lage sich rasch verändern kann. Dagegen war der hier infrage stehende Brückenpfeiler seit langem vorhanden und als Hindernis bekannt. Soweit der Beklagte meint, die Klägerin habe den Brückenpfeiler nach dem Unfallereignis durch Wahrschauflöße gesichert, weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dies sei nur - entsprechend § 3.25 MoselSchPV - zur Kennzeichnung des gesunkenen Schiffes geschehen.
Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten.