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Oberlandesgericht Köln
Schiffahrtsobergericht
Urteil
vom 05. Juni 2009
für Recht erkannt :
Unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin wird das Urteil des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 27. Oktober 2008 (5 C 25/07 BSch) auf die Berufung der Beklagten wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagten durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten Aufwendungsersatz für ihre Tätigkeit bei der Bergung von Containern aus Anlass der Havarie des MS „F“ am 25.03.2007 bei Rhein-km 677,4 in L.
Die Klägerin ist Trägerin einer Werkfeuerwehr mit Sitz in M. Diese Werkfeuerwehr wurde von der Berufsfeuerwehr L nach der Havarie des MS „F“ im Rahmen des Transport-Unfall-Informations- und Hilfeleistungssystems der chemischen Industrie (TUIS) hinzugezogen und leistete dieser Unterstützung und Hilfe bei der Bergung von Containern, wobei der Umfang der Tätigkeit der Werkfeuerwehr der Klägerin im Einzelnen streitig ist. Die Beklagte zu 1. war Ausrüsterin, nicht aber Eignerin des MS „F“; der Beklagte zu 2. war dessen verantwortlicher Schiffsführer. Die Streithelferin der Klägerin ist Eigentümerin von geborgenen Containern. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Schifffahrtsgericht hat die Klage gem. §§ 683 BGB, 2 BinSchG dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet, den Beklagten jedoch die Haftungsbeschränkung gem. §§ 4 ff. BinSchG vorbehalten. Die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag würden nicht durch §§ 93 BinSchG, 740 ff. HGB verdrängt, sondern seien daneben anwendbar, soweit es um die Übernahme von Verkehrssicherungspflichten gehe. Die Voraussetzungen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag seien hier gegeben, denn die Klägerin habe mit der Beseitigung der Container aus dem Rhein ein Geschäft der Beklagten geführt, deren Aufgabe es ungeachtet eines etwaigen Verschuldens gewesen sei, für die Beseitigung der Container aus dem Rhein zu sorgen, wie sich für den Beklagten zu 2. auch aus § 1.18 Nr.1 RheinSchPVO ergebe. Dass die Klägerin zugleich auf Anforderung der Feuerwehr L tätig geworden sei, stehe der Annahme einer Geschäftsführung für die Beklagten nicht entgegen, denn es sei nicht ersichtlich, dass die im Interesse gerade auch der Beklagten liegenden Leistungen der Klägerin in deren Verhältnis zur Feuerwehr L abschließend geregelt worden seien. Gegenüber diesem Anspruch der Klägerin stehe den Beklagten allerdings die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung gem. §§ 4 ff. BinSchG offen, die auch Ansprüche aus GoA erfasse. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen.
Die Beklagten wenden sich mit ihrer Berufung gegen die Annahme des Schifffahrtsgerichts, die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag seien hier grundsätzlich anwendbar und deren Voraussetzungen im vorliegenden Fall auch gegeben. Bei dem Einsatz der Werksfeuerwehr der Klägerin sei es nicht um die Freimachung der Fahrrinne und damit um Verkehrssicherung gegangen, sondern - jedenfalls in erster Linie - um die Behandlung von Gefahrgutcontainern; Geschäftsherr sei daher allenfalls der jeweilige Containereigentümer gewesen.
Die Beklagten beantragen,
wie erkannt.
Die Klägerin und ihre Streithelferin beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und das Urteil des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 27.10.2008 dahin abzuändern, dass den Beklagten kein Recht zur Haftungsbeschränkung gem. §§ 4 ff. Bin SchG zusteht.
Die Klägerin und ihre Streithelferin verteidigen die Ausführungen des Schifffahrtsgerichts zum Haftungsgrund und rügen die Anwendung der §§ 4 ff. BinSchG durch das Schifffahrtsgericht. Die hierdurch eröffnete Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung greife in Fällen der vorliegenden Art von vornherein nicht ein; selbst wenn man aber diese Vorschriften anwendete, sei eine Haftungsbeschränkung wegen Leichtfertigkeit gem. § 5b BinSchG ausgeschlossen.
Auf den gerichtlichen Hinweis, dass Ansprüche der Klägerin aus Geschäftsführung ohne Auftrag wegen einer im Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung (FSHG) vom 10.02.1998 des Landes Nordrhein-Westfalen enthaltenen abschließenden Regelung ausgeschlossen sein könnte, haben die Klägerin und ihre Streithelferin ergänzend darauf verwiesen, dass die Klägerin nicht öffentliche Feuerwehr und auch nicht zur unentgeltlichen Tätigkeit verpflichtet gewesen sei; in den Vorschriften des FSHG NRW könne daher im Verhältnis der Parteien keine vorrangige, die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag verdrängende Regelung gesehen werden. Hier müssten die gleichen Grundsätze zur Anwendung kommen, die die Rechtsprechung zur Kostenerstattung gegenüber der nach dem BWaStrG verkehrssicherungspflichtigen Bundesrepublik nach Havarien in der Binnenschifffahrt auf dem Rhein als Bundeswasserstraße entwickelt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage; die Berufung der Klägerin hat hingegen keinen Erfolg.
1.
Der Senat ist als Schifffahrtsobergericht zuständig für die ausdrücklich auf eine privatrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag gestützten Ansprüche der Klägerin auf Aufwendungsersatz (vgl. nur BGH, Urt. v. 12.03.1964, II ZR 243/62, NJW 1964, 1365; Urt. v. 15.12.1975, II ZR 54/74, NJW 1976, 748 f.).
2.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.
a.
Der Anspruch ergibt sich nicht gem. § 683 BGB aus einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag.
aa. Die §§ 677 ff BGB sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, grundsätzlich auch dann anwendbar, wenn das Handeln des Geschäftsführers zugleich öffentlich-rechtlich geregelt ist, wie es etwa beim Einsatz der Feuerwehr der Fall ist (vgl. BGH, Urt. v. 20.06.1963, VII ZR 223/72, BGHZ 40, 28 ff.; Urt. v. 24.10.1974, VII ZR 223/72, BGHZ 63, 167 ff.; vgl. hierzu auch BayVGH BayVBl. 1979, 621 ff.).
bb. Aufwendungsersatzansprüche nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag sind aber dann nicht gegeben, wenn besondere Bestimmungen des bürgerlichen Rechts das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn abweichend regeln oder wenn das Gesetz den Handelnden zum unentgeltlichen Tätigwerden verpflichtet, insbesondere, wenn er die Aufwendungen kraft seiner besonderen Verpflichtung selbst tragen soll, oder wenn Vorschriften des öffentlichen Rechts eine erschöpfende Regelung vorsehen, die einen Rückgriff auf die Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht erlaubt (BGH, Urt. v. 21.10.2003, X ZR 66/01, NJW-RR 2004, 81 ff. m.w.Nachw.).
cc.
Eine solche erschöpfende, die Anwendbarkeit der Grundsätze einer privatrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag ausschließende Regelung ist im vorliegenden Fall in den Vorschriften des FSHG NRW enthalten.
(1)
In § 41 Abs. 1 FSHG NRW hat der Landesgesetzgeber die grundsätzliche Unentgeltlichkeit von Pflichteinsätzen der Feuerwehren geregelt. Nach dieser Vorschrift sind die Einsätze im Rahmen der den Gemeinden und Kreisen nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben unentgeltlich, sofern nicht in Abs. 2 etwas anderes bestimmt ist. Nach Abs. 2 können die Gemeinden in bestimmten, unter Berücksichtigung auch der Entstehungsgeschichte der Norm abschließend aufgezählten Fällen Ersatz der ihnen durch Einsätze entstandenen Kosten verlangen. Für Pflichteinsätze der Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen (vgl. § 1 Abs. 1 FSHG NRW) gilt mithin grundsätzlich das so genannte Entstehungsprinzip, wonach grundsätzlich der Träger einer jeden Behörde die Kosten der von dieser eingeleiteten und durchgeführten Maßnahmen im Verhältnis zu anderen Behörden zu tragen hat (OVG Münster, NWVBl. 2007, 437 ff. m.w.Nachw. insbesondere auch zur Entstehungsgeschichte). Diese abschließende Regelung gilt ungeachtet der Frage, ob die jeweilige Maßnahme von der örtlich zuständigen Feuerwehr oder im Rahmen überörtlicher Hilfe gem. § 25 FSHG NRW ausgeführt wurde (VG Aachen, DAR 2008, 227 – dort nur LS, zit. nach juris). Für die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ist daher neben dieser abschließenden Regelung kein Raum, weil dies in Fällen der vorliegenden Art, in denen der Kostenträger für Pflichteinsätze seiner Feuerwehr Kostenersatz beansprucht, dazu führen würde, dass die in §§ 40 f. FSHG festgelegte Risikozuordnung von Kosten unterlaufen würde (so auch Bayerisches Oberstes Landesgericht, Urteil vom 25. Februar 2002 - 1Z RR 331/99 -, BayVBl. 2002, 502 zu einer ähnlichen Vorschrift des bayerischen Landesrechts).
(2)
Hiervon ausgehend besteht ein Anspruch der Klägerin aus Geschäftsführung ohne Auftrag nicht.
Die Werkfeuerwehr der Klägerin ist ungeachtet der Tatsache, dass sie einen privatrechtlichen Träger hat, Feuerwehr im Sinne des FSHG NRW, §§ 9, 15 FSHG NRW. Sie handelte bei ihrem Einsatz im Rahmen eines Pflichteinsatzes nach § 1 Abs.1 FSHG NRW, denn bei der Havarie von MS „F“ handelte es sich zweifelsohne um einen Unglücksfall im Sinne dieser Vorschrift, denn hierunter ist jedes Ereignis zu verstehen, das mit einer gewissen Plötzlichkeit eintritt und eine erhebliche Gefahr für Menschen oder Sachen bringt oder zu bringen droht, wobei es nicht darauf ankommt, ob den Betroffenen ein Verschulden am Schadenseintritt trifft oder er die Gefahrenlage selbst herbeiführt (vgl. OVG Münster, NWVBl. 2007, 437 ff.). Gem. § 25 Abs.4, Abs.5 FSHG NRW war die Werkfeuerwehr der Klägerin auf entsprechende, hier unstreitig erfolgte und von der Berufsfeuerwehr L veranlasste Anforderung hin zum Tätigwerden verpflichtet.
(3)
Hieraus folgt, dass für eine Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag insoweit kein Raum ist; die gegen diese Folgerung von der Klägerin und der Streithelferin vorgetragenen Bedenken greifen nicht durch.
Dem Umstand, dass die Klägerin privatrechtlicher Träger einer Werkfeuerwehr und nicht öffentliche Feuerwehr ist, kommt angesichts der im FSHG NRW vorgesehenen Gleichstellung keine entscheidende Bedeutung zu.
Dass die Klägerin nicht zu unentgeltlichem Tätigwerden verpflichtet war, mag zutreffen, denn gem. § 40 Abs.8 S.2 FSHG NRW kann sie gegebenenfalls einen - öffentlich-rechtlichen - Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt aber auch ungeachtet einer Verpflichtung zu unentgeltlichem Tätigwerden ein Ausschluss der Anwendbarkeit der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag bei Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung in Betracht (BGH, Urt. v. 13.11.2003, III ZR 70/03, BGHZ 156, 394 ff.).
Soweit die Klägerin auf die Rechtsprechung zur Kostenerstattung nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gegenüber der für die Bundeswasserstraßen verkehrssicherungspflichtigen Bundesrepublik verweist, hat der Bundesgerichtshof seine diesbezügliche Rechtsprechung ausdrücklich damit begründet, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Gesetzgeber bei Erlass des Bundeswasserstraßengesetzes insoweit eine abschließende Regelung hinsichtlich aller Maßnahmen zur Beseitigung der von Dritten veranlassten Schifffahrtsgefahren habe treffen wollen (BGH, Urt. v. 15.12.1975, II ZR 54/74, NJW 1976, 748 f.). Das ist im Falle des FSHG NRW anders (vgl. OVG Münster, NWVBl. 2007, 437 ff.).
Jede hiervon abweichende Regelung unterliefe den abschließenden Charakter der Kostenersatzregelung in § 41 FSHG NRW, denn sie würde die äußerst differenzierte Kostenzuordnung im Ergebnis vollständig außer Kraft setzen (so auch VG Aachen, DAR 2008, 227 – dort nur LS, zit. nach juris, zu anderen öffentlich-rechtlichen Kostenerstattungsansprüchen); dies ist offensichtlich auch nicht durch die von der Klägerin zitierte TUIS-Vereinbarung möglich, die nicht in der Lage ist, insoweit die gesetzliche Regelung zu derogieren.
b. Hiervon ausgehend ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auch nicht aus §§ 812 ff. BGB, denn solche Ansprüche müssen nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung im FSHG NRW ebenfalls als ausgeschlossen gelten, weil dieses insoweit einen Rechtsgrund für die Tätigkeit der Klägerin auch im Verhältnis zur Beklagten bildet (zur Problematik vgl. Palandt-Sprau, vor § 812 BGB Rn5); sähe man dies anders, würde auch hierdurch der abschließende Regelungscharakter der differenzierten Kostenzuordnung im Ergebnis vollständig außer Kraft gesetzt (s.o.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 709 S.2, 711 ZPO.
4. Die Revision ist nicht zuzulassen, denn Zulassungsgründe im Sinne des § 543 Abs.2 ZPO liegen nicht vor. Die grundsätzlichen Fragen der Anwendbarkeit der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag sind insoweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, bereits ausreichend geklärt, so dass auch eine einheitliche Rechtsprechung gesichert ist. Soweit es um die Auslegung des FSHG NRW als abschließende Regelung im Sinne dieser Rechtsprechung geht, hält der Senat deren abschließenden Charakter für eindeutig und für die Praxis bereits mit der zitierten Entscheidung des OVG Münster, NWVBl. 2007, 437 ff. ausreichend geklärt.
Streitwert: 45.446,14 Euro