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Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 3.12.1997
370 B -19/97
Tatbestand:
Der Betroffene ist am 01.02.1994 als verantwortlicher Schiffsführer mit TMS S (105 m lang) auf dem Rhein zu Berg gefahren. Gegen 15.50 h kontrollierte die Wasserschutzpolizei bei Rhein-km 682 das Fahrzeug. Nach dem Bordbuch fuhr es in der Betriebsform B. Als Besatzungsmitglieder waren im Bordbuch eingetragen: die Schiffsführer D, S und H.A. F, die Steuerfrau H.C. F und der Matrose M. Von allen wurde ein gültiges Rheinschifferpatent beziehungsweise Dienstbuch vorgelegt. Im Steuerhaus waren die Besatzungsmitglieder D, H.C. F und M anwesend. Da fair die Schiffsführer S und H.A. F keine Ruhezeiten im Bordbuch eingetragen waren, forderten die kontrollierenden Beamten Schiffsführer D auf, die Schiffsführer S und H.A. F ins Ruderhaus zu bitten. Das erfolgte hinsichtlich des Schiffsführers S, hingegen nicht hinsichtlich des Schiffsführers H.A. F der Miteigentümer des Schiffes war. Nach den Angaben von Schiffsführer D sei es ihm nicht möglich, Schiffsführer H.A. FASE ins Ruderhaus zu bitten, da dieser tief und fest in seiner Kabine schlafe, auch würde er eine Überprüfung nicht zulassen, F habe Ruhezeit von 12.00 h bis 18.00 h. Eine erneute Aufforderung, Schiffsführer H.A. F ins Ruderhaus zu bitten, lehnte D nach dem Bericht der Wasserschutzpolizei vom 13.02.1994 « mit fadenscheinigen Argumenten » - ab. Weiter heißt es in dem Bericht, « es kann davon ausgegangen werden, daß sich Sfr. F zu keiner Zeit an Bord aufgehalten hat und die Behauptung, er schlafe fest, als reine Schutzbehauptung angesehen werden kann ».
Wegen des vorstehend geschilderten Vorgangs hat die Wasser- und Schiffahrtsdirektion W in Münster dem Betroffenen am 25.10.1994 ein Bußgeld von 400 DM auferlegt (Zuwiderhandlung gegen Art. 8 Ziff. 1 c EVRheinSchUO). Nach ihrer Ansicht ist TMS S unterbemannt gewesen; an der für die Betriebsform B vorgeschriebenen Mindestbemannung (2 Schiffsführer, 1 Steuermann ohne Patent, 2 Matrosen) habe ein Matrose gefehlt.
Gegen den Bußgeldbescheid hat der Betroffene form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Am 27.01.1995 hat auch das Rheinschiffahrtsgericht gegen den Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß Art. 8 Ziff. 1 c EVRheinSchUO eine Geldbuße in Höhe von 400 DM verhängt. Zwar habe sich der Betroffene gegenüber den kontrollierenden Beamten dahingehend eingelassen, daß die Besatzung vollständig an Bord sei, jedoch Herr F wohl der 4 fehlende Matrose" nicht ins Ruderhaus kommen könne, da er tief und fest in seiner Kabine schlafe, aber er selbst auch eine Überprüfung der Wohnung nicht zulasse. Indessen könne das den Betroffenen von dem Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit nicht entlasten. Grundsätzlich sei der Betroffene als Schiffsführer dafür verantwortlich gewesen, daß sich die vollständige Besatzung an Bord befinde. Weiterhin sei er dafür verantwortlich gewesen, daß bei einer Kontrolle die Besatzung überprüft werden könne. Verweigere er der Wasserschutzpolizei eine genaue Kontrolle, könne diese zu Recht davon ausgehen, daß der nicht präsente Matrose auch nicht an Bord sei. Auch wenn dieser Ruhezeit gehabt hätte, wäre eine Überprüfung möglich gewesen. Die Kontrolle habe am hellen Tag gegen 15.50 h, also nicht zur Nachtzeit stattgefunden. Im übrigen sei der Betroffene gemäß § 1.20 RheinSchPV verpflichtet gewesen, die Anweisungen zu befolgen, die ihm von Bediensteten der zuständigen Behörden erteilt worden seien. Als eine solche Anordnung sei auch die Aufforderung der Wasserschutzpolizei zu verstehen gewesen, die Anwesenheit des einen Matrosen überprüfen zu können. Verweigere er als Schiffsführer diese Anweisung, liege eine Ordnungswidrigkeit gemäß Art. 5 Abs. 3 Ziff. 13 EVRheinSchPV vor, wegen der er schon allein mit einem Bußgeld belegt werden könnte. Nach alledem gehe auch das Rheinschiffahrtsgericht davon aus, daß sich der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß Art. 8 Ziff 1 c EVRheinSchUO schuldig gemacht habe.
Mit seiner Berufung erstrebt der Betroffene die Aufhebung der Geldbuße und seinen Freispruch.
Entscheidungsgründe:
1. «Allerdings trifft die von dem Betroffenen in seiner Berufungsbegründungsschrift geäußerte Ansicht nicht zu, er könne für die angebliche Unterbemannung des TMS S schon deshalb nicht verantwortlich gemacht werden, weil auch der Kapitän und Eigentümer F bei der Kontrolle des Schiffes an Bord gewesen sei. Diesem Einwand ist entgegenzuhalten, daß der Betroffene zum Zeitpunkt der Kontrolle das Schiff verantwortlich geführt hat, während nach seinem Vorbringen Schiffsführer F tief und fest in seiner Kabine geschlafen haben soll, um nach Ende seiner Ruhezeit das Schiff konzentriert, ausgeruht und verantwortlich hätte führen können.
2. Mit Recht wendet sich der Betroffene gegen die Annahme des Rheinschiffahrtsgerichts, er habe gegen § 1.20 RheinSchPV verstoßen, weshalb er schon mit einem Bußgeld gemäß Art. 5 Abs. 3 Ziff 13 EVRheinSchPV belegt werden könnte. Zwar bestimmt § 1.20 (Überwachung) RheinSchPV, daß « die Schiffsführer den Bediensteten der zuständigen Behörden die erforderliche Unterstützung zu geben haben, insbesondere ihr sofortiges Anbordkommen zu erleichtern, damit sie die Einhaltung der Bestimmungen dieser Verordnung überwachen können ». Eine Ordnungswidrigkeit ist nach Art. 5 Abs. 3 Ziff 13 EVRheinSchPV jedoch nur dann gegeben, wenn der Schiffsführer vorsätzlich oder fahrlässig « entgegen § 1.20 den Bediensteten der zuständigen Behörde das Anbordkommen nicht erleichtert ». Darum geht es vorliegend jedoch nicht.
3. Nach Art. 8 Nr. 1 c EVRheinSchUO « handelt ordnungswidrig im Sinne des § 7 Abs. 1 BinSchAufgG, wer vorsätzlich oder fahrlässig als Schiffsführer nicht dafür sorgt, daß die für die jeweilige Betriebsform oder Einsatzzeit des Fahrzeugs vorgeschriebene Besatzung (Kapitel 14) während der Fahrt ständig an Bord ist (Art. 7 Abs. 2) ». Das kann nach dem Beweisergebnis nicht festgestellt werden
Der Betroffene hat sich bei der Kontrolle des TMS S durch die Wasserschutzpolizei dieser gegenüber sinngemäß wie folgt geäußert:
« Die Besatzung ist vollzählig an Bord. Herrn F kann ich aber nicht ins Ruderhaus bitten, da er tief und fest in seiner Kabine schläft. Eine Überprüfung in der Wohnung lasse ich nicht zu ».
Weitere Aussagen zu diesem Punkte seitens der Beamten der Wasserschutzpolizei oder sonstiger Zeugen liegen nicht vor. Daß der Betroffene den Beamten der Wasserschutzpolizei den Zutritt zur Kajüte des Schiffsführers F verweigert hat, war nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BinSchAufgG vertretbar, zumal dem Bericht der Wasserschutzpolizei vom 13.02.1994 nicht entnommen werden kann, daß das Betreten der Kajüte zur « Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung » notwendig, war. Die Patente und Dienstbücher der Besatzung konnte der Betroffene der Wasserschutzpolizei vorlegen. Auch ist die Folgerung des Rheinschiffahrtsgerichts, « die Wasserschutzpolizei könne, weil ihr der Betroffene eine genaue Kontrolle verweigert habe, zu Recht davon ausgehen, daß der nicht präsente Matrose auch nicht an Bord ist », nicht zwingend. Zu bemerken bleibt noch, daß die Vorschrift des § 1.19 (Besondere Anweisungen) RheinSchPV (« Die Schiffsführer haben die Anweisungen zu befolgen, die ihnen von den Bediensteten der zuständigen Behörden für die Sicherheit und Leichtigkeit der Schiffahrt erteilt werden ») zum Zeitpunkt der Kontrolle des TMS S nicht bußgeldbewehrt gewesen ist, demnach nicht Grundlage für die Verurteilung des Betroffenen zu einem Bußgeld für sein Verhalten gegenüber den Beamten der Wasserschutzpolizei sein könnte. Im übrigen hätte die Wasserschutzpolizei das Schiff wegen der von ihr vermuteten Unterbemannung bis zur Klärung dieser Frage festlegen können, wie sie es nach ihrem Bericht vom 13.02.1994 mit TMS S in einer ähnlichen Situation am 12.02.1994 gemacht hat.
Es wird deshalb für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung des Betroffenen wird der Beschluß des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 27. Januar 1995 abgeändert. Der Betroffene wird freigesprochen.
2. Der Betroffene hat keine Kosten zu tragen.
3. Die Festsetzung der ihm zu erstattenden notwendigen Auslagen erfolgt gemäß Art. 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte durch das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort.