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365 Z - 13/97 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 03.10.1997
Aktenzeichen: 365 Z - 13/97
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 3. Oktober 1997

365 Z - 13/97 

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 27. Januar 1997 - 5 C 53/96 BSch)

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Schiffszusammenstoß, der sich am 5. November 1995 gegen 6.50 Uhr auf dem Rhein in der Ortslage Orsoy zwischen dem von der Klägerin versicherten MS K (1.499 t) und dem TMS T (1.262 t) der Beklagten zu 1, dessen Schiffsführer der Beklagte zu 2 gewesen ist, ereignet hat. Zur Unfallzeit herrschte unsichtiges Wetter. Beide Schiffe fuhren mit Radarhilfe.

MS K befand sich mit einer Ladung von ca. 1.000 t Futtergerste auf der Fahrt von Metz (Frankreich) nach den Niederlanden. Das Schiff übernachtete vom 4. zum 5. November 1995 linksrheinisch unterhalb des Steigers von Orsoy - etwa bei Rhein-km 793,4 bis 793,5 - Kopf zu Berg. Am Morgen des 5. November 1995 setzte es unter der Führung des Beklagten zu 2 die Talreise fort. Im Zusammenhang mit dem Wendemanöver kam es etwa in Fahrwassermitte zu dem Schiffszusammenstoß, wobei das zunächst linksrheinisch zu Berg kommende TMS T mit dem Bug gegen die Backbordseite des MS K geriet. Beide Schiffe erlitten nicht unerhebliche Schäden.

Nach Ansicht der Klägerin hat der Beklagte zu 2 die Kollision verschuldet. TMS T sei während des Wendemanövers auf dem Radarbild des MS K in etwa 1.200 m Entfernung sichtbar geworden. Sein Kurs sei hart linksrheinisch verlaufen. Diesen Kurs habe TMS T noch eingehalten, als MS K sein Wendemanöver beendet und sich anschließend in gestreckter Talfahrt zur Begegnung Backbord an Backbord befunden habe. Plötzlich habe der Bergfahrer bei einem Höhenabstand der beiden Fahrzeuge von 600 bis 700 m begonnen, seinen bis dahin unproblematischen linksrheinischen Kurs in Strommitte zu verlegen. Weil der Beklagte zu 2 diesen Kollisionskurs mit TMS T beibehalten habe, sei es zur Anfahrung gekommen, obwohl MS K noch versucht habe, nach Steuerbord auszuweichen.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Die Beklagten als Gesamtschuldner, die Beklagte zu 1 außer dinglich haftend mit dem TMS T im Rahmen des Binnenschiffahrtsgesetzes auch persönlich haftend, zu verurteilen, an die Klägerin 217.409 ,78 DM nebst 4% Zinsen seit dem 01.06.1996 sowie weitere 5.053,93 DM nebst 4% Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.

2. Den Beklagten als Gesamtschuldnern die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Verklarungsverfahrens Oomens - 5 II 10/95 AG Duisburg-Ruhrort - aufzuerlegen.

Die Beklagen zu 1, die in Kenntnis des Unfalls und der Klageforderung ihr TMS T zu neuen Reisen ausgesandt hat, und der Beklagte zu 2 haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten jedwedes Verschulden des Beklagten zu 2 an der Kollision. Diese sei allein von dem Schiffsführer des MS K verschuldet worden. Dieser habe ein falsches Wendemanöver durchgeführt. Er habe das Manöver unvermittelt begonnen und dadurch TMS T zum Abstoppen und Rückwärtsschlagen gezwungen. Ferner habe er kein Wendesignal gegeben; auch sei das Manöver lediglich einmal über Kanal 10 angekündigt worden. Außerdem habe er mit MS K fälschlich über Steuerbord gedreht.

Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen und hierzu näher ausgeführt:

Ein schuldhafter Verstoß des Beklagten zu 2 gegen § 6.03 Nr. 3 RheinSchPV sei nicht anzunehmen. Nach dem Beweisergebnis, insbesondere der Aussage des Zeugen B, der sich mit seinem MS B hinter TMS T ebenfalls auf Bergfahrt befunden hat, sei davon auszugehen, daß nach der Ankündigung des Wendemanövers über Funk durch MS K bereits zum Zeitpunkt des Wendens die beiden unfallbeteiligten Schiffe nur geringfügig voneinander entfernt gewesen seien.

Zu verneinen sei auch ein Verstoß des Beklagten zu 2 gegen § 6.13 Nr. 3 RheinSchPV; ein solcher könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Zwar habe die durchgehende Schiffahrt, sofern nötig und möglich, ihren Kurs und ihre Geschwindigkeit zu ändern, damit das Wenden ohne Gefahr geschehen könne. Voraussetzung dazu sei aber die Zulässigkeit des Wendemanövers, die vorliegend nicht bewiesen sei, was zu Lasten der Klägerin gehe.

Nicht auszuschließen sei, daß den Schiffsführer des MS K ein Verschulden an dem Unfall trifft, weil er entgegen § 6.13 Nr. 2 RheinSchPV das Wendemanöver nicht durch rechtzeitige Warntöne angekündigt habe, obwohl er bei der erforderlichen Aufmerksamkeit hätte erkennen können und müssen, daß das beabsichtigte Wenden TMS T zwingt oder zwingen konnte, von seinem Kurs abzuweichen oder seine Geschwindigkeit zu ändern ; denn widerlegt sei die Darstellung, TMS T sei bei Einleitung des Wendemanövers noch mehr als 1.200 m entfernt und deshalb auf dem Radarschirm von MS K nicht sichtbar gewesen.

Ein unfallursächliches Verschulden könne den Beklagten auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 6.32 Nr. 4 RheinSchPV angelastet werden; denn es könne nicht festgestellt werden, daß in dem Moment, in dem der Schiffsführer von TMS T die Gefahrensituation bemerkte, die Abgabe eines Warntones noch Einfluß auf das Geschehen haben konnte.

Schließlich könne ein Verschulden des Beklagten zu 2 ebenfalls nicht bejaht werden, obwohl er nicht auf die über Funk erfolgte Ankündigung des Wendemanövers ausreichend reagiert habe; abgesehen davon, daß nach dem Beweisergebnis nur von einem einmaligen Ankündigen des Wendemanövers ausgegangen werden könne, könne ein Verschulden wegen mangelnder Aufmerksamkeit des Beklagten zu 2 aus dem Überhören eines einmaligen Funkspruchs nicht hergeleitet werden. Dies gelte unter Berücksichtigung dessen, daß die Schiffsführung von MS K sorgfältig zu überprüfen hatte, ob das Wendemanöver durchgeführt werden konnte und, gegebenenfalls, dies dann zu machen; demgegenüber sei der Beklagte zu 2 ahnungslos im Bezug auf die anstehende Gefahrenlage gewesen.

Gegen diese Ausführungen wendet sich die Berufung der Klägerin mit dem Antrag, « unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären ».

Demgegenüber beantragen die Beklagten, die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


Die Berufung hat Erfolg.

1. Wie bereits im Tatbestand des angefochtenen Urteils festgehalten ist, kam TMS T zunächst dicht am linksrheinischen Ufer zu Berg, änderte dann aber in Annäherung an das MS K seinen Kurs in Richtung Backbord und stieß schließlich etwa in Strommitte mit seinem Bug gegen die Backbordseite des MS K. Schon daraus ergibt sich ein Verschulden des Beklagten zu 2 an der Kollision. Denn nach § 9.4 Nr. 1 b und Nr. 2 RheinSchPV hätte der Beklagte zu 2 seinen linksrheinischen Kurs für die vorgeschriebene Backbordbegegnung beibehalten müssen und nicht nach rechtsrheinisch richten dürfen. Das Kursänderungsverbot ergab sich außerdem aus § 6.03 Nr. 3 RheinSchPV, wonach Fahrzeuge, deren Kurse jede Gefahr eines Zusammenstoßes ausschließen, ihren Kurs nicht in einer Weise ändern dürfen, die die Gefahr eines Zusammenstoßes herbeiführen könnte.

2. Entgegen der Ansicht des Rheinschiffahrtsgerichts ist das Wendemanöver zulässig gewesen. Nach den Angaben des Schiffsführers des MS K im Verklarungsverfahren hatte er mit dem Drehen bereits begonnen, als er den Bergfahrer in einer Entfernung von 1.200 m auf dem Radarbild ausmachte. Trifft dies zu, so konnte die Führung des MS K das Wendemanöver gefahrlos fortsetzen, zumal für die beiden Fahrzeuge eine Backbordbegegnung vorgeschrieben war, außerdem seitens MS K nach den Bekundungen des Schiffsführers B, der mit seinem MS B ebenfalls (hinter TMS T) zu Berg fuhr und an der Kollision unbeteiligt gewesen ist, das Wendemanöver über Backbord zweimal über Funk angekündigt worden war. Danach hängt die Frage, ob das Wendemanöver des MS K vor dem zu Berg kommenden TMS T zulässig war, von der von dem Schiffsführer des MS K genannten Entfernung von 1.200 m ab. Diese Angabe ist nach der Ansicht der Berufungskammer glaubhaft, nach dem der Beklagte zu 2 bei seiner Vernehmung im Verklarungsverfahren erklärt hat, er habe auf dem Radarschirm 1.600 m voraus einen « Stillieger » ausgemacht und auf 1.200 m bemerkt, « daß sich dort etwas bewegte », was die von dem Schiffsführer des MS K angegebene Entfernung zwischen den beiden Fahrzeugen etwa zu Beginn des Wendemanövers bestätigt. Im übrigen ergibt sich aus der Aussage des Beklagten zu 2, daß auch er, der auf Grund der von ihm auf 1.200 m erkannten Bewegung des « Stilliegers » im Hinblick auf die Uhrzeit (6.50 Uhr) ohnedies mit dessen Fahrtaufnahme (sei es zu Tal oder zu Berg) rechnen mußte, auf 600 m das Drehen des MS K erkannt hat und ohne weiteres noch darauf hätte reagieren können.

3. Was die Nichtabgabe von Schallzeichen nach § 6.13 Nr. 2 und § 6.32 Nr. 4 RheinSchPV angeht, so ist dem Rheinschiffahrtsgericht zuzustimmen, daß sich nicht feststellen läßt, daß deren Abgabe noch Einfluß auf das Geschehen haben konnte, zumal auch die Funksprüche des MS K auf TMS T überhört worden sind. Unverständlich ist allerdings die Annahme des RheinSchG, der Beklagte zu 2 sei ahnungslos im Bezug auf die anstehende Gefahrenlage gewesen, was sein Verhalten entschuldige. Die Fahrt mit einem Radargerät als Sichthilfe bedarf besonderer Aufmerksamkeit seitens der Schiffsführung. Sie ist nicht ungefährlich, sondern stets mit einer Gefahrenlage verbunden.

4. Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:

 Das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 27.01.1997 wird abgeändert. Der Klageanspruch wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Klageanspruchs an das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort zurückverwiesen. Diesem wird auch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.