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360 B - 8/97 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 25.04.1997
Aktenzeichen: 360 B - 8/97
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsätze:

1) Kann ein Überholmanöver mit richtigem Kurs ohne Gefahr ausgeführt werden, liegt bei der Wahl eines falschen Kurses, bei dem ein zu geringer Seitenabstand eingehalten wird, nur ein Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht (§ 1.04 RheinSchPV) vor, nicht jedoch ein Verstoß gegen § 6.09 Nr. 1 RheinSchPV.
2) Hat ein fehlerhaftes Überholmanöver zur Folge, daß das Schiff, welches überholt wird, eine Tonne überfährt, verletzt das überholende Schiff seinerseits nicht die Vorschrift des § 1.13 Nr. 1 RheinSchPV.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 25.4.1997

360 B-8/97

(Rheinschiffahrtsgericht Mainz)

 

Zum Tatbestand:

Am 01.09.1995 hat die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Südwest in Mainz gegen den Betroffenen, Schiffsführer des TMS „M", eine Geldbuße von 1.200 DM verhängt. In dem Bußgeldbescheid heißt es hierzu:
„ Sie überholten das TMS „Z" (am 13.12.1994, 4.30 Uhr, bei Rhein-km 440,5) entgegen der allgemeinen Sorgfaltspflicht und der beruflichen Übung mit zu hoher Fahrtstufe und zu dichtem Seitenabstand, so daß dieses Fahrzeug über die grüne Fahrwassertonne geschoben wurde und deren Grundseil-Kette in die Schiffsschraube kam. Durch diese rücksichtslose Fahrweise wurde das Fahrzeug manövrierunfähig und das Fahrwasserzeichen unbrauch¬bar. Zuwiderhandlungen gern. §§ 6.09 Nr. 1, 1.04, 1.13 Nr. 1 RheinSchPV i. V m. Art. 5 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 15 b, Abs. 3 Ziff. 2 a RheinSchPVEV".
Gegen den Bußgeldbescheid hat der Betroffene form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Er hält den Vorwurf in dem Bußgeldbescheid für unberechtigt.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 600,- DM festgesetzt. Die Berufung führte zu einer Verringerung der Geldbuße auf 400,- DM.

Aus den Entscheidungsgründen:

„1. Von der Besatzung des TMS „Z" haben sich zum Unfallzeitpunkt Schiffsführer T und der Matrose S im Steuerhaus des Schiffes aufgehalten. Sie haben bekundet, TMS „M" habe ihr Schiff, das anfangs mit einem Seitenabstand von 10 - 20 m zu den grünen Tonnen gefahren sei, mit einem Seitenabstand von ca. 10 m (Zeuge T) bzw. ca. 10 - 20 m (Zeuge S) passiert; ihr mehrfacher Versuch, den Betroffenen über Funk anzusprechen, sei erfolglos gewesen; TMS „M" sei dann mit seinem Achterschiff so nahe an TMS „Z" herangekommen, dar es dieses Fahrzeug über den linken Fahrwasserrand hinausgedrückt habe; dadurch sei die grüne Tonne unter das Achterschiff des TMS „Z" geraten und anschlierend die Maschine stehen geblieben.

2. Der Betroffene hat sich Anfang Januar 1995 gegenüber der Wasserschutzpolizei geäußert, dar er zum Unfallzeitpunkt TMS „Z" überholt habe; zu Beginn des Überholmanövers sei er rechtsrheinisch zu Berg gefahren mit ca. 80 m Seitenabstand; dann sei Talfahrt gekommen und er habe auf die Seite des TMS „Z" wechseln müssen; der Passierabstand habe dann etwa 20 m betragen; er habe beim Überholen nicht langsam gemacht, was er hingegen von TMS „Z" erwartet habe; dar es aufgrund des Überholvorgangs zu einer Havarie gekommen sei, habe er erst am nächsten Tag erfahren.
Gegenüber dem Rheinschiffahrtsgericht hat sich der Betroffene dahin eingelassen, dar er TMS „Z" in einem ausreichenden Abstand von ca. 80 m überholt habe; während dieses Vorgangs sei dann oberhalb ca. bei Rhein-km 439,5 rechtsrheinisch ein Talfahrer entgegengekommen; um diesem ausreichend Raum zur Backbord-Passage zugeben, habe erden Kurs zur Fahrrinnenmitte verlegt und gleichzeitig TMS „Z" noch einmal über Kanal 10 angesprochen, langsamer zu machen; plötzlich habe er bemerkt, daß TMS „Z" langsam mache; von dem Anfahren einer Tonne habe er nichts bemerkt....

3. Nach dem Aktenvermerk der Wasserschutzpolizei.... war im Unfallbereich eine Fahrwasserbreite von 120 m vorhanden. Das Fahrwasser selbst verlief.... rechtsrheinisch. Es bot für ein Überholen des TMS „Z" durch TMS „M" zweifellos hinreichend Raum, und zwar auch bei einer gleichzeitigen Begegnung mit einem Talfahrer, zumal insoweit „Geregelte Begegnung" vorgeschrieben war (§ 9.02 Nr. 1 a RheinSchPV). Insoweit hätte genügt, wenn der Betroffene den Kurs seines TMS „M" in die Mitte des Fahrwassers verlegt hätte. Stattdessen hat er zu dem an den linksrheinischen (grünen) Tonnen entlang fahrenden TMS „Z" einen Seitenabstand von nur 10 - 20 m eingehalten (auch der Betroffene selbst hat lediglich von etwa 20 m gesprochen), was ohne weiteres zu einer gegenseitigen Beeinflussung der Fahrzeuge durch Sog oder Wellenschlag führen murte, zumal TMS „M" 105 m lang, 9,55 m breit und - bei einer Landung von 2.084 t Benzin - auf 3,50 ab¬geladen war sowie das Überholmanöver mit unveränderter Fahrt vorgenommen hat....

4. Danach ist die Berufungskammer mit dem Rheinschiffahrtsgericht der Ansicht, da der Betroffene beim Überholen des TMS „Z" mit seinem TMS „M" fehlerhaft gehandelt und jedenfalls fahrlässig gegen seine allgemeine Sorgfaltspflicht (§ 1.04 RheinSchPV) verstoren hat - Ordnungswidrigkeit im Sinne der Art 5 Abs. 3 Nr. 2 a RheinSchPVEV.
Was den von dem Rheinschiffahrtsgericht ebenfalls bejahten Verstor des Betroffenen gegen § 6.09 Nr. 1 RheinSchPV angeht, ist folgendes zu bemerken:
Nach dieser Vorschrift ist das Überholen nur gestattet, nachdem sich der Überholende vergewissert hat, dar dieses Manöver ohne Gefahr ausgeführt werden kann. Hier liegt es nun so, dar es die Lage im Revier dem Betroffenen ohne weiteres erlaubte, das Überholmanöver gefahrlos durchzuführen, wenn er für sein Fahrzeug den richtigen Kurs (in Fahrwassermitte) wählte. Stattdessen ist er infolge der Wahl eines falschen Kurses zu weit nach linksrheinisch gekommen. Darin liegt aber nur ein Verstor gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht eines Schiffsführers, hingegen nicht gegen § 6.09 Nr. 1 RheinSchPV.
Entsprechend liegt es hinsichtlich der Annahme eines Vorstores des Betroffenen gegen § 1.13 Nr. 1 RheinSchPV. Nach dieser Vorschrift ist es verboten, Schiffahrtszeichen (z. B. Tonnen, Schwimmstangen, Baken) zum Festmachen oder Verholen von Fahrzeugen zu benutzen, sie zu beschädigen oder unbrauchbar zu machen. Das alles ist vorliegend seitens des Betroffenen nicht geschehen. Zwar hat TMS „Z", als es dem fehlerhaften Kurs des TMS „M" auszuweichen versuchte, die grüne Tonne bei Rhein-km 440.5 überfahren. Jedoch geht es insoweit um die Folge eines Verstores des Betroffenen gegen seine allgemeine Sorgfaltspflicht, hingegen nicht um eine Verletzung seinerseits der Vorschrift des § 1.13 Nr. 1 RheinSchPV.

5. Der Tatvorwurf der Burgeldbehörde wie des Rheinschiffahrtsgerichts gegen den Betroffenen ist dahin gegangen, da er bei der Überholung des TMS „Z" einen zu geringen Seitenabstand zu diesem Schiff eingehalten habe, so dar es nach linksrheinisch geraten sei und eine Tonne überfahren habe. Wegen dieses, zu Recht bestehenden, Vorwurfs ist ihm ein Burgeld aufzuerlegen. Insoweit erscheint der Berufungskammer ein Betrag von 400 DM angemessen, nachdem eine Verletzung des § 1.13 Nr. 1 sowie des § 6.09 Nr. 1 RheinSchPV, wie sie das Rheinschiffahrtsgericht zusätzlich bejaht hat, nicht in Betracht kommt. Indes bedarf es zu diesen Punkten keines Teilfreispruchs des Betroffenen, da der gegen ihn allein gerichtete Tatvorwurf seine Bestätigung gefunden und zur Auferlegung eines Burgelds von 400 DM geführt hat...."