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Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 10. Februar 1995
329 Z - 24/94
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mainz vom 14. Dezember 1993 - 34 C 10/93 Bsch -)
Tatbestand:
Die Parteien streiten über den Ersatz von Schäden, die SL «A» am 31.10.1992 gegen 6 Uhr bei Rhein-km 493,1 durch einen Zusammenstoß mit MS «AF» erlitten hat.
Der Beklagte ist Schiffsführer des - seiner Ehefrau gehörenden - MS «AF». Das Schiff (85 m lang ; 8,20 m breit ; 1.423 t ; 800 PS) hatte an dem genannten Tag gegen 5.30 Uhr die Fahrt von Mainz nach Mannheim angetreten. Gegen 6 Uhr passierte das unbeladene Fahrzeug die Weisenauer Brücke (Rhein-km 493,65). Kurze Zeit später stieß es mit dem Kopf gegen die Hinterseite des ebenfalls leeren SL «A» (76,46 m lang ; 11,43 m breit ; 2.345 t). Der Leichter war am 28.10.1992 an der Unfallstelle von dem SB «H» gegen 21 Uhr abgelegt worden.
Die Klägerin, die Eigentümerin des SB «H» und des SL «A» ist, hat ihren Unfallschaden auf 35128,60 hfl und 13.515,00 DM beziffert. In Höhe dieser Beträge nimmt sie den Beklagten auf Schadenersatz in Anspruch. Sie hat zuletzt beantragt, den Beklagten zur Zahlung der genannten Beträge nebst 4 % Zinsen seit 02.03.1993 an sie zu verurteilen. Sie wirft dem Beklagten vor, den ordnungsgemäß - etwa 30 - 40 m aus dem linken Ufer - abgelegten und vorschriftsmäßig mit einem Stilliegerlicht gekennzeichneten Schubleichter angefahren zu haben, weil er bei unsichtigem Wetter ohne Einschalten des Radargeräts und Aufstellen eines Ausgucks gefahren sei, dadurch die Orientierung verloren habe und deshalb mit seinem Schiff gegen den Stillieger gekommen sei.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Er bestreitet jegliche Schuld an dem Unfall. Zu diesem sei es lediglich gekommen, weil der Leichter unbeleuchtet und - etwa 80 m aus dem linken Ufer - im Fahrwasser gelegen habe. Er habe auch nicht die Orientierung verloren gehabt. Es sei zwar dunkel, jedoch, nicht neblig und die Sicht klar gewesen. Infolgedessen habe er das Radargerät auch nicht benutzen müssen.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Nach seiner Ansicht trifft die Behauptung der Klägerin nicht zu, daß zur Unfallzeit durch Nebel schlechte Sicht bestanden habe und der Beklagte deshalb das Radargerät habe benutzen müssen. Ferner habe die Klägerin nicht nachweisen können, daß die auf dem Schubleichter als Stilliegerlicht angebrachte Petroleumlampe zur Unfallzeit ordentlich brannte. Außerdem habe der Schubleichter in einer Entfernung von 80 m vom linksrheinischen Ufer « etwa am Rande oder leicht außerhalb des normalen Fahrwassers » still gelegen. Ein Fehlverhalten des Beklagten sei demnach nicht bewiesen.
Die Klägerin verfolgt mit der Berufung den Klageanspruch weiter.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung kann keinen Erfolg haben.
1. Nach der Überzeugung der Berufungskammer hat der Führer des SB «H» den Schubleichter «A» am 28.10.1992 etwa 80 m aus dem linken Ufer abgelegt und ihn dort am 31.10.1992 gegen 12 Uhr wieder abgeholt. Daß sich der Schubleichter beim Abholen noch an der Ablegestelle befunden hat, hat der Führer des Schubverbandes im Verklarungsverfahren bestätigt, ebenso der Binnenschiffer K. von SB «H». Allerdings haben beide weiter ausgesagt, daß der Abstand des Schubleichters zum linken Ufer nur etwa 30 bis 50 m beziehungsweise ca. 30 m betragen habe. Ebenso haben der Schiffsjunge S. (SB «H»), der Zeuge D. (MS «L») und der Schiffsführer R. (MS «M») die Entfernung des Schubleichters zum linken Ufer mit zwischen 30 bis 50 m angegeben. Indessen steht der Richtigkeit dieser Schätzungen entgegen, daß der Wasserschutzpolizeibeamte Reineck, der den streitigen Unfall alsbald aufgenommen hat, kurz nach der Anfahrung des Schubleichters dessen Entfernung von seiner Steuerbordaußenkante zum linken Ufer mit dem variablen Meßring des Radargeräts seines Polizeiboots gemessen und den Abstand mit etwa 80 m festgestellt hat. Anhaltspunkte, daß der erfahrene Polizeibeamte einen Fehler bei der Messung gemacht hat, bestehen nicht. Insbesondere muß der Einwand der Klägerin, der Polizeibeamte könne fälschlich die Entfernung zu einer « weit im Ufer stehenden Buschhecke » gemessen haben, daran scheitern, daß die « Radar-Uferlinie » des mit einer Böschung versehenen Ufers (vgl. den Tiefenlinienplan sowie die Querprofilpläne des Wasser- und Schiffahrtsamts Mannheim in den Verklarungsakten) für einen üblicherweise mit seinem Meßgerät und den örtlichen Gegebenheiten seines Reviers besonders vertrauten Wasserschutzpolizeibeamten ohne weiteres zu erkennen ist und hier nicht mit dem Radarecho einer hinter der « Radar-Uferlinie » liegenden Buschhecke zu verwechseln war.
2. Ist danach aber von einem Seitenabstand des SB «A» von 80 m zum linken Ufer auszugehen, so steht, wie ein Blick auf den vorerwähnten Tiefenlinienplan zeigt, fest, daß der Schubbootführer den Leichter entgegen § 7.01 Nr. 1 RheinSchPVO nicht so nahe wie möglich am Ufer, sondern in dem Fahrwasser für die durchgehende Schiffahrt verbotswidrig abgelegt hat. Mit einem solchen pflichtwidrigen Verhalten mußte der Beklagte aber nicht rechnen. Das gilt um so mehr, weil das Stilliegerlicht des Schubleichters, wie das Rheinschiffahrtsgerichts fehlerfrei festgestellt hat, infolge starker Verrußung seines Glaszylinders für die durchgehende Schiffahrt praktisch nicht zu erkennen war. Dieser mußte auch nicht zur Unfallzeit im Unfallbereich das Radargerät benutzen. Entgegen dem Vortrag der Klägerin ist nicht bewiesen, daß es dort nebelig gewesen ist. Der Beklagte und seine Ehefrau haben im Verklarungsverfahren ausgesagt, es sei zwar dunkel, die Sicht aber klar gewesen ; man habe deshalb das Radargerät nur auf Bereitschaft geschaltet gehabt. Der Zeuge R. hat die Sicht zum Zeitpunkt des Vorankergehens seines Fahrzeugs, das kurze Zeit vor dem Unfall etwas oberhalb des Liegeplatzes des SB «A», allerdings näher zum linken Ufer hin erfolgt ist, ebenfalls als klar beschrieben ; man habe aber wegen der kalten Nacht « auf dem Wasser schon leicht etwas Wasserdampf sehen können ; Nebel habe jedoch nicht geherrscht». Dem von der Klägerin erwähnten Amtlichen Gutachten des Zentralamts des Deutschen Wetterdienstes vom 09.12.1992 läßt sich nicht mit Sicherheit entnehmen, daß zur Unfallzeit im Unfallbereich nebeliges Wetter gewesen ist. In dem Gutachten heißt es nur allgemein, daß sich am 31.10.1992 « in der Nacht in einzelnen Flußtälern Deutschlands, wie z. B. am mittleren Rhein, Nebel bzw. Hochnebel bildete » und daß ferner im Mainzer Raum « in Flußniederungen und Senken Nebel mit Sichtweiten unter 1000 m auftreten konnte, in ungünstigen Lagen auch bis zu ca. 500 m ».
3. Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt :
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mainz vom 14. Dezember 1993 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Deren Festsetzung gemäß Art. 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschiffahrtsgericht Mainz.