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327 Z - 10/95 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 10.05.1995
Aktenzeichen: 327 Z - 10/95
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Kann festgestellt werden, daß ein Schiff an einer Verladeanlage mit einem geeigneten Vorausdraht ordnungsgemäß festgemacht war, dieser aber während der Löscharbeiten bricht, so daß der mit dem Schiff fest verbundene Verladearm beim Abfangen des verfallenden Fahrzeugs beschädigt wird, trifft den Schiffsführer kein Verschulden, wenn nicht beschrieben, geschweige denn bewiesen wird, ob und welche Fehler er gemacht haben soll.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
 
vom 10. Mai 1995

327 Z - 10/95

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mannheim vom 9. Dezember 1994 - C 103/93 RhSch -)

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte die Beschädigung eines Verladearms (Marineladers) beim Löschen einer Ladung Schwefelsäure des TMS «B» an der Löschstelle der Klägerin zu ersetzen hat.
Die Klägerin ist Eigentümerin einer unmittelbar am linken Ufer des Rheins befindlichen Verladeanlage. Der Beklagte ist Eigner und Schiffsführer des TMS «B». Das Schiff löschte am 13.01.1992 etwa ab 8 Uhr an der genannten Verladeanlage seine Schwefelsäureladung. Die Löschstelle lag bei Rhein-km 420,3 am linken Ufer. Während der Löscharbeiten riß der Vorausdraht des Schifies. Bei dem anschließenden Versuch der Besatzung, das Schiff wieder festzumachen, wurde der Verladearm der Klägerin beschädigt.

Die Klägerin beziffert ihren Unfallschaden auf insgesamt 5.158,77 DM.
Diesen Betrag verlangt sie von dem Beklagten ersetzt. Nach ihrer Behauptung ist der Vorausdraht gerissen, weil dieser infolge Rost « bis zur Seele » zum Festmachen des Schiffes nicht geeignet gewesen sei.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.158,77 DM nebst Zinsen zu verurteilen.

Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Er habe die Beschädigung des Ladearms nicht verschuldet. Sein Schiff sei ordnungsgemäß befestigt und der gerissene Vorausdraht einwandfrei gewesen. Der Draht sei gebrochen, weil ein beladenes Tankschiff und ein leerer Kiesfahrer mit erhöhter Geschwindigkeit und in einem zu geringen seitlichen Abstand an TMS «B» vorbeigefahren seien ; durch deren starken Wellenschlag und Sog sei der Vorausdraht gerissen und TMS «B» achteraus gesackt ; obwohl seitens der Besatzung sofort versucht worden sei, das Schiff aufzufangen, habe eine Beschädigung des Löscharms nicht verhindert werden können. Im übrigen fehle es an einer hinreichenden Spezifizierung der von der Klägerin im einzelnen geltend gemachten Schadensbeträge.

Der Beklagte hat sein Fahrzeug in Kenntnis der Klageforderung zu neuen Reisen ausgesandt.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat den Beklagten - unter Abweisung der weitergehenden Klageforderung - verurteilt, an die Klägerin 4.232,36 DM nebst 4 % Zinsen seit 28.04.1993 zu zahlen, und zwar außer dinglich mit TMS « Biberach » auch persönlich im Rahmen von § 114 BinSchG haftend. Hierzu hat es ausgeführt:

Werde - wie hier - im Zusammenhang mit dem Abreißen eines Schiffes, für dessen ordnungsgemäße Befestigung unter Berücksichtigung aller örtlichen Umstände und Gegebenheiten der Schiffsführer verantwortlich sei, eine Landeinrichtung beschädigt, so spreche der erste Anschein dafür, daß es der Schiffsführer an der gebotenen Sorgfalt bei der Befestigung seines Schiffes habe fehlen lassen. Ihm obliege es daher, substantiiert darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, daß er beim Festmachen seines Schiffes die gebotene Sorgfalt beachtet habe. Daran fehle es hier. Nach dem Havariebericht des Beklagten sei sein Fahrzeug im Zuge der Vorbeifahrt anderer Fahrzeuge zu Berg gelaufen, wodurch der Laufdraht rack geworden sei, das Schiff an Land gedrückt habe, sodann das Fahrzeug wieder zu Tal gesackt und der nunmehr plötzlich rack kommende Vorausdraht gebrochen sei. Das zeige deutlich, daß TMS «B» nicht in einer das Voraus- oder Zurücklaufen des Schiffes verhindernden Weise festgemacht gewesen sei, denn es sei im Zuge der Vorbeifahrt anderer Fahrzeuge ins Laufen gekommen.- Was die Höhe der einzelnen Schadensbeträge der Klägerin angehe, so fehle es für 926,41 DM an einer spezifizierten Darlegung der Klägerin, so daß ihr nur eine Summe von 4.232,36 DM habe zuerkannt werden können anstelle der verlangten 5.158,77 DM.
Die Klägerin verfolgt mit der Berufung den abgewiesenen Teil der Klage weiter. Der Beklagte erstrebt mit seiner Berufung die vollständige Abweisung der Klage. Jede der Parteien beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels der Gegenseite.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Beklagten ist begründet.

1. Der Vorwurf der Klägerin, TMS «B» sei nicht ordnungsgemäß festgemacht gewesen, trifft nicht zu.

a) Allerdings heißt es in dem Bericht des Wasserschutzpolizeiamts Rheinland-Pfalz -Station Ludwigshafen- vom 11.04.1992, daß der Vorausdraht «vermutlich nicht mehr dazu geeignet war », ein Schiff an Land festzumachen. Demgegenüber ist aber in einem Schreiben des Experten Lenz vom 09.06.1992 ausgeführt, daß er am 29.01.1992 den von der Wasserschutzpolizei beschlagnahmten Draht besichtigt hat und weder am Draht selbst noch an dessen Auge Beschädigungen oder Schwachstellen habe erkennen können. Dem ist die Wasserschutzpolizei in ihrem Abschlußbericht vom 16.08.1992 gefolgt.

b) Ferner war nach den Auskünften des Leiters des Kaibüros der Klägerin, Herrn P., und des Meisters K. in dem Kaibüro gegenüber der Wasserschutzpolizei « TMS "B" ordnungsgemäß festgemacht, d.h. die Drähte waren durchgeholt ; hierauf würde man von Seiten des Kaibüros achten, da sonst der seitliche Bewegungsbereich des Ladearms zu stark beansprucht und die hierfür vorgesehene Sicherung auslösen würde». Für das ordnungsgemäße Anbringen der Drähte spricht auch, daß das Schiff sich vor dem Unfall schon mehrere Stunden auf dem am Ufer des Rheins gelegenen Löschplatz befunden hat ohne jede Gefährdung seiner Befestigung seitens der dort bekanntermaßen in nicht geringer Zahl vorbeifahrenden Schiffe.

2. Entgegen der von der Klägerin zuletzt besonders hervorgehobenen Ansicht kann ihrer Klage auch nicht zum Erfolg verhelfen, daß der Beklagte in seinem Havariebericht vom 17.01.1992 erklärt hat, daß bei dem sich an das Brechen des Drahtes « anschließenden Versuch, das Schiff wieder festzumachen, der Löscharm am Anschluß so stark beschädigt wurde, daß das Endstück komplett ausgetauscht werden mußte ». Zwar läßt sich, wie die Klägerin meint, aus dieser Erklärung entnehmen, daß die Schäden an dem Marinelader erst bei dem « dem Abriß folgenden Versuch einer erneuten Mehrung eingetreten sind ». Jedoch weisen die Angaben des Beklagten nicht, wie die Klägerin weiter ausgeführt hat, aus, daß «dieser Versuch unsachgemäß durchgeführt worden ist, weil üblicherweise beim fachgerechten Festmachen von Schiffen an Löschstellen Löscharme nicht beschädigt werden ». Hier hat es sich nicht um das normale Anlegen eines Tankschiffes an einer Löschstelle gehandelt, bei dem der Löscharm erst nach dem ordnungsgemäßen Befestigen des Schiffes mit diesem fest verbunden wird, sondern um das von der landseitigen Schlauchwache der Klägerin, dem Zeugen Lang, beschriebene Abfangen eines infolge Drahtbruchs verfallenden Fahrzeugs, das fest mit dem Ladearm verbunden war, wozu dessen Schiffsführer zunächst das Steuerhaus aufsuchen mußte und erst dann die notwendigen Maßnahmen treffen konnte. Ob oder welche Fehler dieser hierbei gemacht haben soll, haben aber weder der Zeuge Lang noch die Klägerin selbst beschreiben, geschweige beweisen können.

3. Danach vermag die Berufungskammer im Gegensatz zu dem Rheinschiffahrtsgericht nicht festzustellen, daß den Beklagten an der Beschädigung des Marineladers der Klägerin ein Verschulden trifft. Auf seine Berufung ist deshalb die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

II. Die Berufung der Klägerin kann keinen Erfolg haben. Sie ist schon deshalb zurückzuweisen, weil der Klägerin, wie vorstehend ausgeführt, kein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zusteht.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mannheim vom 15.12.1993 teilweise geändert. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das genannte Urteil wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Deren Festsetzung gemäß Art. 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschiffahrtsgericht Mannheim.
 

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1995 - Nr.11 (Sammlung Seite 1561f.); ZfB 1995, 1561 f.