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3 Ws 6/69 - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 13.02.1970
Aktenzeichen: 3 Ws 6/69
Entscheidungsart: Beschluss
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Zur Zuständigkeit der Schiffahrtsgerichte bei Ordnungswidrigkeiten.

Beschluß des Schiffahrtsobergerichts Karlsruhe

vom 13. Februar 1970

3 Ws 6/69

(Schiffahrtsgericht Mainz)

Die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Mainz hat gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 100,- DM festgesetzt, weil er seinen am Ufer der Mosel seit Jahren ohne strom- und schiffahrtspolizeiliche Genehmigung betriebenen Anlegesteiger entgegen der Aufforderung des Wasser- und Schiffahrtsamts Koblenz-Mosel nicht entfernt hat. Den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid hat das Amtsgericht - Schiffahrtsgericht - Mainz als verspätet erachtet und deshalb als unzulässig verworfen. Das Schiffahrtsobergericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und in seinem Beschluß eingehende Ausführungen über die Zuständigkeit der Schiffahrtsgerichte bei Ordnungswidrigkeiten gemacht:
„Das Oberlandesgericht - Schiffahrtsobergericht - Karlsruhe ist für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Betroffenen zuständig. Gemäß § 11 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrts- und Rheinschiffahrtssachen, Art. 2 Abs. 2 des Abkommens zwischen den Ländern Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz über die Gliederung der Schiffahrtsgerichtsbezirke im Rheinstromgebiet vom 28. Juni 1954 entscheidet es u. a. über Beschwerden, die sich gegen die Entscheidungen des Schiffahrtsgerichtes Mainz in Strafsachen richten. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Schiffahrtsgerichts Mainz für den - Erlaß der angefochtenen Entscheidung folgt aus § 68 Abs. 1 OWiG, wonach bei einem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid das Amtsgericht entscheidet, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat. Verwaltungsbehörde iSd § 36 Abs. 1 OWiG ist für den Geltungsbereich des im vorliegenden Fall angewendeten WaStrG die Wasser- und Schiffahrtsdirektion (Art. 142 Nr. 1 b EGOWiG). Örtlich zuständig für Mosel-km 108,200 ist nach der Organisation der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mainz. Die funktionelle Zuständigkeit des bei dem Amtsgericht Mainz bestehenden Schiffahrtsgerichts ergibt sich daraus, daß der dem Betroffenen zur Last gelegte Betrieb einer strom- und schiffahrtspolizeilich nicht genehmigten Anlage in einer Bundeswasserstraße oder an deren Ufer (§ 31 Abs. 1 WaStrG) eine Zuwiderhandlung gegen strom- und schifffahrtspolizeiliche Vorschriften darstellt und da ihre Ahndung als Strafsache wegen einer solchen Zuwiderhandlung und somit als Binnenschiffahrtssache iSd § 2 Abs. 2 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrts- und Rheinschiffahrtssachen anzusehen ist. Für Binnenschiffahrtssachen sind im ersten Rechtszug die Amtsgerichte als Schiffahrtsgerichte zuständig (§§ 1, 5 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrts- und Rheinschiffahrtssachen).
Gegen die rechtliche Einstufung von Ordnungswidrigkeiten nach dem WaStrG als Strafsachen iSd § 2 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrts- und Rheinschiffahrtssachen spricht nach Auffassung des Senats nicht, daß Ordnungswidrigkeiten sich durch die Art des angedrohten Reaktionsmittels von Straftaten unterscheiden, daß der Gesetzgeber bei ihnen auf „Strafe" verzichtet und sie dadurch anders als Straftaten bewertet hat. Auch die Geldbuße als die Unrechtsfolge für eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und vorwerfbare Handlung trägt repressiven Charakter. Demgemäß ist das Bußgeldverfahren seiner Funktion nach „Strafverfahren" iSd Gesetzesanwendung auf einen Unrechts- oder Pflichtwidrigkeitstatbestand. Bevor es ein Ordnungswidrigkeitsrecht gab, gehörte auch das vom kriminellen Strafrecht unterschiedene Polizei-(Verwaltungs-)Strafrecht, das jetzt gesetzestechnisch als Ordnungswidrigkeitenrecht eingestuft ist, zum Strafrecht im weitesten Sinne und wurde zu dem Kompetenztitel „Strafrecht" des Art. 74 Nr. 1 GG gerechnet. Da die Gründe, die dazu geführt haben, Strafsachen wegen Zuwiderhandlungen gegen strom- und schiffahrtspolizeiliche Vorschriften (begangen auf oder an Binnengewässern) den Schiffahrtsgerichten als besonders spezialisierten Abteilungen der allgemeinen Gerichte zuzuweisen, auch nach Umwandlung der Straftaten in Ordnungswidrigkeiten fortbestehen, erscheint es auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung sachlich gerechtfertigt und geboten, die Schiffahrtsgerichte über den Einspruch in einem Bußgeldverfahren wegen Zuwiderhandlung gegen strom- und schiffahrtspolizeiliche Vorschriften entscheiden zu lassen."