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Leitsatz:
Eine Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen das Bundeswasserstraßen-Gesetz als Ordnungswidrigkeiten durch die Moselschiffahrtsgerichte ist auch vor dem Inkrafttreten des Zusatzprotokolls zum Moselvertrag vom 28.11.1974 möglich. Moselschiffahrtssachen sind auch Bußgeldverfahren wegen Zuwiderhandlungen gegen strompolizeiliche Vorschriften.
Beschluß des Oberlandesgerichts - Moselschiffahrtsobergericht Köln
vom 11. Juni 1976
3 Ws 3/76
(Moselschiffahrtsgericht St. Goar)
Zum Sachverhalt:
Von der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Mainz war gegen den Betroffenen, weil er ohne strom- und schiffahrtspolizeiliche Genehmigung 2 Fischerstege in die Mosel eingebracht hatte, ein Bußgeld von 50,- DM festgesetzt worden. Der Einspruch des Betroffenen wurde dem Moselschiffahrtsgericht St. Goar zur Entscheidung vorgelegt, das gemäß §206a StPO i. V. m. § 46 OWiG das Verfahren einstellte, weil die Moselschiffahrtsgerichte in Bußgeldsachen nicht inständig seien und es sich auch nicht um eine Binnenschiffahrtssache, sondern um einen Verstoß gegen eine strompolizeiliche Vorschrift handele. Zuständig sei daher das Amtsgericht Mainz, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Besitz habe, von welcher der Bußgeldbescheid flamme.
Auf die von der Staatsanwaltschaft Koblenz eingelegte sofortige Beschwerde hat das OLG Köln als Moselschiffahrtsobergericht den Beschluß des Moselschiffahrtsgerichts aufgehoben und die Sache zur Entscheidung über den Einspruch des Betroffenen an das Moselschiffahrtsgericht St. Goar zurückverwiesen.
Aus den Gründen:
„...
Eine Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen das BundeswasserstraßenG als Ordnungswidrigkeiten durch die Moselschiffahrtsgerichte ist auch vor dem Inkrafttreten des Zusatzprotokolls zum Moselvertrag vom 28. 11. 1974 möglich. Moselschiffahrtssachen sind auch Bußgeldverfahren wegen Zuwiderhandlungen gegen strompolizeiliche Vorschriften.
Allerdings ist in den Art. 35.34 III des Moselvertrages, die die Zuständigkeit der Moselschiffahrtsgerichte regeln. ein Bußgeldverfahren nicht ausdrücklich erwähnt. Ob Bußgeldsachen im weiteren Sinn unter den Begriff der Strafsachen des Art. 35 des Moselvertrages fallen, kann jedoch dahinstehen. Denn die Art. 35.34 des Moselvertrages werden in der Bundesrepublik Deutschland durch die Vorschriften des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffssachen i. d. F. vom 1. 1. 1975, insbesondere durch die §§ 18a bis 18e, ausgeführt und ergänzt. Der Begriff der Moselschiffahrtssache wird in § 18 a II definiert. Diese Bestimmung nimmt zwar auf Art. 35 des Moselvertrages Bezug, es werden jedoch ausdrücklich neben den Straf- auch die Bußgeldsachen als Moselschiffahrtssachen bezeichnet.
Zwar ist nach § 18 a 1 VerfahrensG in Moselschiffahrtssachen den Art. 34, 35 des Moselvertrages der Vorrang gegenüber den Bestimmungen dieses Gesetzes eingeräumt, Dieser Vorrang gilt jedoch nur für den ersten Abschnitt des Gesetzes. Die Definition der Moselschiffahrtssachen findet sich aber im dritten Abschnitt, der gerade die besonderen und nicht unter dem Vorbehalt der Art. 34, 35 Moselvertrag stehenden Bestimmungen für Moselschiffahrtssachen enthält.
Soweit nach § 2 III b VerfahrensG i. d. F. vom 1. 1. 1975 die Schifffahrtsgerichte nur noch zur Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen schiffahrtspolizeiliche Vorschriften zuständig sind, gilt für die Mosel gemäß § 18 a 1 der Vorrang der Art. 34, 35 des Moselvertrages. Denn die Regelung des § 2 III VerfahrensG findet sich im ersten Abschnitt dieses Gesetzes. In Art. 35 Moselvertrag ist aber bestimmt, daß auch Verfahren wegen Zuwiderhandlungen gegen strompolizeiliche Vorschriften zur Zuständigkeit der Moselschiffahrtsgerichte gehören. Die Moselschiffahrtsgerichte sind also auch zur Ahndung von Verstößen gegen strompolizeiliche Vorschriften zuständig, ihre Zuständigkeit ist insofern weiter als die der Schiffahrtsgerichte.
Dem steht nicht entgegen, daß nach der Definition des § 1811 VerfahrensG Moselschiffahrtssachen nur solche Bußgeldsachen sind, die sich auf Vorgänge auf" der Mosel beziehen, was auf eine ausschließliche Zuständigkeit in schiffahrtspolizeilichen Angelegenheiten hinweisen könnte. Der Begriff „auf" der Mosel wird vom Gesetzgeber nicht in einem technischen Sinn verwandt, wie ein Vergleich der verschiedenen Paragraphen und Fassungen des Verfahrensgesetzes ergibt. Die Formulierung des § 18 a II lehnt sich an die Definition der Rheinschiffahrtssachen in § 14 II VerfahrensG an. Auch dort findet sich der Begriff Vorgänge "auf" dem Rhein. § 1411 VerfahrensG war aber bereits vom 1. 1. 1975 entsprechend gefaßt, als zu den Binnenschiffahrtssachen allgemein noch die Verfahren wegen Zuwiderhandlungen gegen strompolizeiliche Vorschriften gehörten. In § 2 VerfahrensG wird auch in der Neufassung die Formulierung „auf oder an" Binnenwasserstraßen gebraucht, obwohl sich dieser Paragraph seit dem 1. 1. 1975 nur auf Zuwiderhandlungen gegen schiffehrtspolizeiliche Vorschriften bezieht.
Es unterliegt demnach keinem Zweifel, daß nach dem Willen des Gesetzgebers auch die Bußgeldverfahren wegen Zuwiderhandlungen gegen das Bundeswasserstraßengesetz zu den Moselschifffahrtssachen gehören und hierfür die Moselschiffahrtsgerichte zuständig sein sollen (vgl. Kortendick, Zeitschrift für Binnenschifffahrt und Wasserstraßen Nr. 3/75, Sammlung Seite 606). Die Zuständigkeit des Moselschiffahrtsgerichts St. Goar ergibt sich hier also aus §§ 2 111, 3 III, 18 1, 18 11 VerfahrensG i. V. m. Art. 35 Moselvertrag.
Der innerstaatlichen Wirksamkeit dieser Regelung, also der Erweiterung der Zuständigkeit der Moselschiffahrtsgerichte auf Bußgeldverfahren, steht auch nicht entgegen, daß die Art. 34, 35 Moselvertrag Inhalt eines völkerrechtlichen Vertrageä sind und das Zusatzprotokoll zum Moselvertrag vom 28. 11. 1974 (vgl. Gesetz vom 6. B. 1975 BGBI. 11 1120), das die Möglichkeit eines Bußgeldverfahrens vor den Moselschiffahrtsgerichten vorsieht, zwar in der Bundesrepublik, aber noch nicht in allen anderen Vertragsstaaten ratifiziert und damit noch nicht in Kraft getreten ist.
Denn obwohl die Art. 34, 35 des Moselvertrages Inhalt eines - völkerrechtlichen Vertrages sind, haben sie in der Bundesrepublik doch nur den Rang eines einfachen Gesetzes. Der Bundesgesetzgeber ist deshalb nicht gehindert, diese Vorschriften innerstaatlich wirksam durch ein neues Gesetz zu ändern oder zu ergänzen, so wie es hier geschehen ist.
Es entspricht der allgemeinen Meinung in der Völkerrechtslehre, daß auch für das Verhältnis von Gesetzen, die völkerrechtliche Verträge zum Inhalt haben, zu anderen Gesetzen der Grundsatz „lex posterior derogat legi priori" Gültigkeit hat (BVerfG 6, 309, 362; Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, 1975, § 11, S. 102; SeidlHohenveldern, Völkerrecht, 1975, Rz 404, 428; Wengler, Völkerrecht 1, 1964, S. 485 Anm. 5; a. A. v. Mangoldt-Klein 1, S. 676). Ein späteres Gesetz verdrängt also ein vorheriges Gesetz auch dann, wenn es auf einem völkerrechtlichen Vertrag beruht, sofern dies nach dem Zweck der neuen Regelung von dem Gesetzgeber ' beabsichtigt ist. Hier steht nach der Gesetzesgeschichte außer Frage, daß mit Wirkung vom 1. 1. 1975 die Art. 34, 35 des Moselvertrages in der Weise ergänzt werden sollten, daß neben das Strafverfahren noch ein Bußgeldverfahren tritt.
Vorrang vor den Bundesgesetzen haben nach Art. 25 GG nur die allgemeinen Regeln des Völkerrechts. Dazu gehört jedoch nicht schon jeder völkerrechtliche Vertrag (vgl. BVerfG aaO.). Insbesondere stellen die Art. 34, 35 des Moselvertrages nicht solche allgemeine Regeln des Völkerrechts dar.