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Leitsätze:
Die Zustellung eines Strafbefehls durch die Wasserschutzpolizei an einen ausländischen Schiffsführer, der mangelhafte Kenntnisse der deutschen Sprache hat, ist auch ohne Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung rechtswirksam. Einen Anspruch auf Belehrung in seiner Heimatsprache hat ein Ausländer nicht. Insoweit besteht nur eine Empfehlung.
Beruht die Versäumung einer Einspruchsfrist auf unzureichenden deutschen Sprachkenntnissen, darf dies nicht als verschuldet im Sinne des Rechts auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand angesehen werden.
Die Sorgfaltspflicht in der Wahrnehmung ihrer Rechte gebietet aber ausländischen Schiffsführern, sich in angemessener Frist Gewissheit über den Inhalt eines amtlichen Schreibens zu verschaffen. Sie können schon den Wasserschutzpolizisten, der den Strafbefehl durch persönliche Übergabe förmlich zustellt, um Erläuterungen bitten.
Beschluss des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Köln
vom 18.1.2000
- 3 Ws 2/99 B Sch -
(Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Aus den Gründen:
Gegen einen Angeklagten niederländischer Staatsangehörigkeit ist wegen fahrlässiger Gewässerverunreinigung durch Strafbefehl eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 80,— DM festgesetzt worden. Eine Ausfertigung des Strafbefehls wurde ihm durch die Wasserschutzpolizei gegen Empfangsbekenntnis am 12.7.1999 zugestellt.
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 4.8.1999, bei Gericht per Telefax am 4.8.1999 eingegangen, hat der Angeklagte gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt und zugleich gegen die Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt.
Das Schifffahrtsgericht hat den Einspruch verworfen und das Wiedereinsetzungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
" Der Einspruch war als unzulässig zu verwerfen, da er verspätet eingelegt worden ist (§ 411 Abs. 1 StPO). Denn er ist nicht innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung bei Gericht eingegangen (§ 410 Abs. 1 StPO)....
Soweit der Angeklagte mangelnde Kenntnis der deutschen Sprache und eine fehlende Übersetzung insbesondere der Rechtsbehelfsbelehrung einwendet, berührt dies - auch unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. III a MRK - nicht die Wirksamkeit der Zustellung. Dies erfordert bereits das Gebot der Rechtssicherheit. Im Übrigen zeigt gerade § 44 Satz 2 StPO, dass Umstände, die zur Unkenntnis von Rechtsmittelfristen beitragen, im Rahmen einer Wiedereinsetzung berücksichtigt werden können.
Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist kann dem Angeklagten nicht gewährt werden, da er weder dargetan noch glaubhaft gemacht hat, dass er ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten....
Die fehlende Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung begründet nicht die gesetzliche Vermutung fehlenden Verschuldens nach § 44 Satz 2 StPO. Die Gerichtssprache ist deutsch (§ 184 GVG). Einen Anspruch.auf Belehrung in seiner Heimatsprache hat der Ausländer nicht. Soweit Nr. 181 Abs. 2 RiStBV bei nicht hinreichend sprachkundigen Ausländern eine Übersetzung vorsieht, handelt es sich nur um eine Empfehlung (vgl. BVerfG NJW 1976, 1021; Kleinknecht/Meyer-Goßner, 44. Aufl., StPO § 35 a Rdnr. 9, § 44 Rdnr. 22; § 184 GVG Rdnr. 3; KK-Maul, 4. Aufl., StPO § 35 Rdnr. 22, § 35 a Rdnr. 8, § 44 Rdnr. 38; KK-Fischer, § 409 Rdnr. 20).
Abzustellen ist vielmehr darauf, dass mangelhafte Kenntnisse der deutschen Sprache nicht zu einer Verkürzung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantien führen dürfen. Diese verbieten es, die Versäumung einer Frist, soweit sie auf den unzureichenden Sprachkenntnissen beruht, als verschuldet im Sinne des Rechts auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand anzusehen.
Unzureichende Sprachkenntnisse entheben den Ausländer allerdings nicht der Sorgfaltspflicht in der Wahrnehmung seiner Rechte, weshalb er sich in angemessener Frist Gewissheit über den Inhalt des von ihm als amtlich erkannten Schreibens verschaffen muss (BVerfG NJW 197a6, 1021, 1022; StV 1995, 394). Dass die Fristversäumung in diesem Sinne unverschuldet war, er sich zureichend unter Berücksichtigung der Umstände des Falles um die Verfolgung seiner Interessen gekümmert hat, ergibt sich aus der Darstellung des Angeklagten bereits nicht. Auch bei unzureichenden Sprachkenntnissen war er gehalten, das ihm zugestellte Schriftstück sorgfältig zu prüfen.
Hierzu bestand umso mehr Anlass, als die Zustellung durch persönliche Übergabe durch die Wasserschutzpolizei förmlich erfolgte, wobei die Empfangsbescheinigung schon die Begriffe "Strafsache" und "Strafbefehl des Amtsgerichts Duisburg-Ruhrort" nannte. Unbeschadet dessen, dass es nahegelegen hätte, dass der Angeklagte sich von dem aushändigenden Beamten diese Begriffe hätte erläutern lassen können, konnte ihm bei sorgfältiger Durchsicht des Dokuments nicht entgehen, dass es sich um ein amtliches Schriftstück handelte, mit dem er wegen des Vorfalles vom 12.03.1999 verantwortlich gemacht und Zahlung verlangt wurde; auch enthielt das Schriftstück vorgedruckte Hinweise, mag er sie auch nach seinen Angaben nicht verstanden haben.
Allerdings konnte dem Angeklagten nicht verschlossen bleiben, dass - wie auch im niederländischen Rechtsraum bei amtlichen Schreiben - derartige Vordrucke wichtige Hinweise zum gebotenen Verhalten insbesondere auch zu Rechtsmitteln enthalten können. Demgemäß war er gehalten, unverzüglich die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, um Klarheit über den Inhalt des Schriftstücks und sein weiteres Vorgehen zu erhalten.... So hätte der Angeklagte unverzüglich Erkundigungen bei seinem holländischen Versicherer oder Versicherungsmakler einholen können.
Er trägt lediglich vor, er habe bei erster Gelegenheit den Strafbefehl seinem Versicherungsmakler per Telefax zugeleitet; der Makler habe dieses am 29.07.1999 um 10.02 Uhr dem Versicherer übermittelt.
Welche Bemühungen der Angeklagte selbst bis zum 29.07.1999, als die Einspruchsfrist bereits abgelaufen war, zur Wahrung seiner Belange veranlasst hat, wird nicht erläutert. Demgemäß liegt nicht fern, dass der Angeklagte aus vermeidbarer Nachlässigkeit zunächst den Dingen ihren Lauf gelassen hat und sich gar nicht um Klärung bemüht hat. Hiermit ist aber ein fehlendes ursächliches Verschulden der Fristversäumung nicht dargelegt. Nach den Umständen des Einzelfalles, dem beruflichen Bildungsstand des Angeklagten und den ihm zur Verfügung stehenden Klärungsmöglichkeiten sieht der Senat auch keinen Anlass, ihm grundsätzlich einen größeren Zeitrahmen von etwa 3 oder 4 Wochen (vgl. hierzu BVerfG NJW 1976, 1021, 1022) zuzubilligen, um sich Gewissheit zu verschaffen.
Der Klärungszeitraum ist eine Frage des Einzelfalles. Weshalb der Angeklagte nicht zeitnah nach Zustellung an einem Montag, dem 12.07.1999, eine Klärung binnen weniger Tage bewirken konnte, ist nach seinem Vorbringen nicht nachvollziehbar.
Ohne dass die Anforderungen überspannt werden, sprechen hier Gründe für eine mangelnde Sorgfalt und Nachlässigkeit in eigener Angelegenheit..."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2000 - Nr.12 (Sammlung Seite 1808 f.); ZfB 2000, 1808 f.