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3 U 96/79 - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 16.01.1981
Aktenzeichen: 3 U 96/79
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Zur Verpflichtung der Schiffsbesatzung, die Anker eines Schiffes ordnungsgemäß so in die Klüsen einzuholen, daß andere Schiffe - auch bei etwaigen Kollisionen - durch den fehlerhaft eingeholten Anker nicht beschädigt werden.

Urteil des Oberlandesgerichts - Rheinschiffahrtsobergerichts in Köln

vom 16. Januar 1981

3 U 96/79

(Rheinschiffahrtsgericht St. Goar)

Zum Tatbestand:

Der bei der Klägerin versicherte Schwimmbagger M befand sich im Anhang des Motorschiffes Me und mit dem Vorspannboot F auf der Bergfahrt. Als der Schleppzug bei Rhein-km 547 das dem Beklagten zu 1 gehörende und vom Beklagten zu 2 geführte MS A auf dessen Steuerbordseite überholte, löste sich die Verbindung zwischen MS Me und M. Der Bagger verfiel nach Backbord und stieß gegen MS A. Der Bagger sank, nachdem er über Backbord umgeschlagen war.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Ersatz der Hälfte des von ihr zu tragenden Gesamtschadens von etwa 306000,- DM, demnach etwa 153000,- DM. Sie begründet ihren Anspruch damit, daß der Anstoß der beiden Fahrzeuge zwar nur leicht gewesen sei, daß aber der Bagger dadurch ein Leck erhalten habe und gekentert sei, weil der Steuerbordanker des MS A nicht ordnungsmäßig in der Klüse gehangen habe und seine Flunken um 180 Grad verdreht nach unten gezeigt hätten, wodurch es zu der Leckage des Baggers gekommen sei.

Die Beklagten bestreiten jedes Verschulden und behaupten, der Anker habe bei Aufnahme der Fahrt ordnungsmäßig in der Klüse gesessen. Bei dem Unfall sei der Anker durch eine Kette des Bergholzes des Schwimmbaggers herausgerissen und habe sich gedreht.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wurde vom Rheinschiffahrtsobergericht zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

„...
Der Klägerin stehen gegen die Beklagten keine Schadensersatzansprüche nach den §§ 823, 249 BGB, 3, 4,114 BSchG zu. Sie hat nicht den ihr für ein schadensursächliches Verschulden der Besatzung des MS A obliegenden Beweis geführt.
Jede Schiffsbesatzung ist auf dem Rhein an sich verpflichtet, die Anker des Schiffs ordnungsgemäß einzuholen, damit kein anderes Schiff durch einen fehlerhaft eingeholten Anker beschädigt wird. Sollte der Zeuge V. pflichtwidrig den Steuerbordbuganker des MS A fehlerhaft eingeholt haben, müßte ihm deshalb ein Schuldvorwurf gemacht werden.
Als Schiffsführer des MS A war Schiffsführer P. auch persönlich verpflichtet, seine Anker daraufhin zu kontrollieren, ob sie ordnungsgemäß von dem Zeugen V. in die Klüsen eingeholt waren. Sollte der Zeuge V. den Steuerbordburganker fehlerhaft eingeholt haben, müßte Schiffsführer P. wegen nachlässiger Kontrolle ein Verschulden vorgeworfen werden.
Aufgrund der in beiden Instanzen - einschließlich der in dem Parallelverfahren - durchgeführten Beweisaufnahme vermochte der Senat jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, daß der Zeuge V. den Steuerbordbuganker des MS A fehlerhaft eingeholt hat. Die Folgen dieser Beweislosigkeit gehen zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin.
Aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen K. ist der Senat ferner der Überzeugung, daß auch ein fehlerhaft eingeholter Anker des MS A unter den hier gegebenen Umständen nicht schadensursächlich gewesen ist.
Die Interessenten des Schwimmbaggers M und des Motorschiffs Me haben es unterlassen, nach dem Unfall, bei dem der Bagger gesunken war, ein Verklarungsverfahren zur Feststellung der Unfallursachen zu beantragen. Nicht einmal zur Aufnahme der Schäden an dem Schwimmbagger wurden die Interessenten des Motorschiffs A eingeladen, so daß sie an sich mit Recht davon ausgehen konnten, daß sie für den Unfall nicht verantwortlich gestellt würden. Durch das unterbliebene Verklarungsverfahren gingen wichtige Beweismittel verloren. Das unterbliebene Verklarungsverfahren und die unterlassene Hinzuziehung der Interessenten des MS A zu der Schadensaufnahme des Schwimmbaggers hat aber nicht die Folge, daß es nunmehr den Interessenten des Schwimmbaggers und des MS Me versagt wäre, auf andere Weise nachzuweisen, daß der Schaden auch auf einem Verschulden der Besatzung des MS A beruht. Irgendwelche Beweiserleichterungen kommen ihr jedoch nach der ganzen Sachlage nicht zugute und alle Unklarheiten gehen zu ihren Lasten, weil sie für ein solches Verschulden die volle Beweislast tragen.

Zu der Lage des Steuerbordankers des MS A vor dem Unfall haben die im Bußgeldverfahren OWi 581/75 vernommenen Zeugen keine Angaben gemacht. Lediglich ein Aktenvermerk des Zeugen M. befaßt sich in diesem Verfahren mit dem Anker und besagt, daß die beiden aufnehmenden Polizeibeamten M. und L. nach dem Unfall gesehen haben, daß der Anker „nicht fachmännisch" in der Klüse hing, vielmehr daß die Ankerflunken nach unten zeigten. Dazu hätten sie dann Schiffsführer P. und den Matrosen V. befragt, die ihnen gesagt hätten, der Anker habe vor dem Unfall richtig in der Klüse gesessen. Daß sich der Anker durch den Unfall gedreht haben sollte, erschien den Polizeibeamten unwahrscheinlich.
Erstmals in diesem Rechtsstreit sind die beteiligten Schiffsbesatzungen und andere Besatzungsmitglieder des Schleppverbandes auch zu der Frage, wie der Anker des MS A in der Klüse gesessen hat, vernommen worden.
...
Bei Berücksichtigung aller Umstände des Falles sprechen nach der Überzeugung des Senats zwar viele gewichtige Umstände dafür, daß der Anker tatsächlich vor der Anfahrung fehlerhaft in der Klüse saß, immerhin lassen sich nicht jegliche begründeten Zweifel an einer gegenteiligen Annahme ausschließen. Denn die fehlenden Eindrücke der zweiten Ankerflunke läßt sich weder mit den im Stevenbereich des Schiffsstärkeren Stahlplatten und der Versteifung des Schiffskörpers in diesem Bereich durch Spanten noch durch eine andere Form des Ankommens gegen den Anker überzeugend erklären. Hinzu kommt, daß nach den Ausführungen des Sachverständigen K. auch Schäden am Klüsenring festzustellen sind, die für ein Drehen des Ankers und eine danach aufgetretene, auf den Anker wirkende Kraft sprechen können, für die aber sonst keine Anhaltspunkte bestehen. Hiernach ist ein fehlerhaftes Hochdrehen des Ankers des Motorschiffs nicht als bewiesen anzusehen.
Ob sich aus der Art der Rißstelle des Baggers die sichere Feststellung treffen läßt, daß der Riß nur durch die scharfe Kante des Kreuzstücks eines in der Klüse sitzenden Klippankers verursacht worden sein kann und nicht von dem rückwärtigen Teil des Kreuzstückes, wie der Sachverständige K. ausgeführt hat, konnte bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben, zumal der Sachverständige kein genaues Bild der Schäden des Baggers seiner Beurteilung zugrunde legen konnte, zumal nicht einmal die von dem Interessenten des Baggers vorgelegten Fotos die Leckage zeigen.
...
Selbst wenn man annehmen wollte, der Anker des MS A hätte tatsächlich falsch in der Klüse gesessen, können sich hierauf die Interessenten des Baggers und des MS Me nicht mit Erfolg berufen.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen K., der hierbei die Bekundungen von Schiffsführer J. über die Schäden an dem Bagger zugrunde gelegt hat, befand sich der Riß innerhalb einer großflächigen Einbeulung genau unterhalb der normalen Lage des Bergholzes. Der Anker des MS A habe, so hat der Sachverständige weiter ausgeführt, wie ein Dosenöffner gewirkt. Wenn der Anker nur eine verhältnismäßig „schmale Wunde" hinterlassen habe, beruhe das auf der Wirkung des Bergholzes, das den Anker an einem tieferen Eindringen gehindert habe. Das zeige die Stärke des Bergholzes von 300 mm im Vergleich zu der Breite des Ankerkreuzes von 540 mm. Der Anker von MS A habe in jedem Falle den ersten Anfahrungsstoß aufgefangen. In jedem Falle hätte er die Bordwand des Baggers aufgeschnitten und eine Leckage verursacht. Der Bagger wäre demnach in jedem Falle gesunken.
Hätte der Bagger als Folge der Anfahrung auch bei richtig sitzendem Anker auch eine Leckage erlitten und wäre der Bagger, wie der Sachverständige K. zur Überzeugung des Senats ausgeführt hat, auch in diesem Falle gesunken, müßte ein fehlerhafter Sitz des Ankers in der Klüse als schadensursächlich verneint werden. Denn der fehlerhafte Sitz des Ankers wäre als Bedingung für den Schaden gleichgültig. Ist eine Bedingung für den Erfolg unerheblich, ist eine haftungsbegründende adäquate Kausalität zu verneinen.
...“