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3 U 88/98 BSch - Oberlandesgericht (Schiffahrtsgericht)
Entscheidungsdatum: 24.08.1999
Aktenzeichen: 3 U 88/98 BSch
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: § 68 BinSchG
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Schiffahrtsgericht

Leitsatz:

Ist nach objektiver Betrachtung unklar, ob eine Ladung nach den Vorschriften des ADNR Gefahrgut ist, für dessen Beförderung die Schiffe über besondere Ausrüstung verfügen müssen, und erteilt die zuständige Hafenbehörde Binnenschiffen, die über ein Zulassungszeugnis für ADNR- Güter nicht verfügen, ein vorläufiges Ladeverbot, tritt der Frachtvertrag nach § 68 BinSchG außer Kraft. Eine dauernde Verhinderung erfordert nicht, daß die Möglichkeit der Reise für alle Zeiten ausgeschlossen ist. Es ist vielmehr ausreichend, daß der Antritt der Reise mit den im Frachtvertrag be­stimmten Schiffen für nicht voraussehbare Zeit unmöglich geworden ist.

Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Köln

vom 24.08.1999

(Schiffahrtsbericht Duisburg -Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Die Klägerin war mit dem Transport von ca. 30.000 t Aluminium-Salz­schlacke von Portugal zum Stadthafen Lünen beauftragt. Nach den für den Seetransport geltenden Vorschriften handelt es sich um Gefahrgut, weil sich bei Berührung mit Wasser entzündba­re Gase entwickeln können.

Ende April 1997 beauftragte die Kläge­rin die Beklagte zu 1), eine Teilmenge von ca. 3.000 Tonnen der Salzschlacke ab Emden ex Seeschiff "T" zum Stadt­hafen in Lünen zu befördern. Auch die Beklagte zu 2) sollte nach dem Ein­treffen des Seeschiffes 2 Binnenschiffe für den Transport des Ladeguts vorle­gen. Bei den Verhandlungen wies die Klägerin darauf hin, daß es sich bei der Salzschlacke nicht um ein unter die Vorschriften des ADNR fallende La­dung handele.

Ende Mai 1997 lief "T" im Hafen von Emden ein. Unter dem 23.05.1997 er­teilte die hierfür zuständige Hafen­behörde den Schiffsführern der von den Beklagten vorgelegten Binnen­schiffe ein vorläufiges Ladeverbot. Zur Begründung führte die Behörde aus, bei der Ladung handele es sich um Ge­fahrgut; die für den Transport vorge­sehenen Binnenschiffe der Beklagten verfügen nicht über das für die Beför­derung von Gefahrgut notwendige Zu­lassungszeugnis.

Die Bundesanstalt für Materialprüfung teilte der Beklagten zu 1) in einer gutachtlichen Stellungnahme vom 23.05.1997 mit, die Beförderung von Salzschlacke falle unter die Vorschrif­ten des ADNR. Die Beklagten zogen in der Folgezeit die von ihnen vorge­legten Binnenschiffe ab.

Nachdem die Bundesanstalt für Mate­rialforschung am 10.07.1997 mitgeteilt hatte, daß das Ladegut nur unter Randziffer 43260 ff. ADNR falle, wur­de das Lade- und Löschverbot aufge­hoben. Mit Schreiben vom 10.07.1997 bat die Klägerin die Beklagte zu 1) un­ter Fristsetzung des 11.07.1997 um Mit­teilung, ob sie sich an den Transport der Gesamtmenge gebunden fühle. Die Beklagte erwiderte hierauf mit Schreiben vom 11.07.1997.

Mit der Klage begehrt die Klägerin den Ersatz der ihrer Behauptung nach ent­standenen Mehrkosten, die ihr durch den Teiltransport Ende Mai 1997 per Straße anstatt per Binnenschiff ent­standen sind, sowie Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Transports der gesamten Menge Salzschlacke. Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Wie das Schiffahrtsgericht mit zutref­fender Begründung, auf die Bezug ge­nommen wird, ausgeführt hat, hat die

Klägerin gegen die Beklagten wegen des unterbliebenen Teiltransports En­de Mai 1997 einen Schadensersatzan­spruch nicht schlüssig dargetan. Die Beklagten sind von ihrer Verpflichtung zur Beförderung der Aluminium-Salz­schlacke gemäß § 68 Binnenschiffahrtsgesetz frei geworden. Danach tritt der Frachtvertrag außer Kraft, wenn der Antritt der Reise durch Zu­fall dauernd verhindert wird. Ein Er­eignis beruht auf Zufall, wenn daran keinen der Beteiligten ein Verschulden trifft (Vortisch/Bemm, Binnenschiffahrtsrecht, 4. Auflage, § 68 Rz. 5). Auch behördliche Anordnungen und staatliche Eingriffe, die das Schiff oder die Ladung betreffen, können ein zu­fälliges Ereignis im Sinne dieser Vor­schrift sein (Vortisch/Bemm, a.a.O.). Unstreitig hat die hierfür zuständige Hafenbehörde den Schiffsführern der von den Beklagten vorgelegten Bin­nenschiffe, die über ein Zulassungs­zeugnis für ADNR-Güter nicht ver­fügten, am 23.05.1997 ein vorläufiges Lade- und Löschverbot erteilt. Das La­de- und Löschverbot wurde erst am 10.07.1997 aufgehoben. An dieses La­de- und Löschverbot waren die Be­klagten und ihre Schiffsführer ge­bunden.

Es gereichte den Schiffsführern der von den Beklagten vorgelegten Bin­nenschiffe und den Beklagten nach Auffassung des Senates nicht zum Ver­schulden, wegen des Ladeverbots die Reise nicht anzutreten. Bei Beurtei­lung des Verschuldens ist keine expost- Betrachtung zulässig. Es ist viel­mehr auf die Situation im Mai 1997, als die Schiffe nicht beladen werden konn­ten, abzustellen. Seinerzeit war unklar, ob die Ladung den Vorschriften des ADNR bzw. ADR unterfiel.

Die Klägerin hat zwar immer darauf verwiesen, Aluminium-Salzschlacke sei kein Gefahrgut. Im Mai 1997 war dies aber bei objektiver Betrachtung unklar. Ausweislich des Schreibens der Bundesanstalt für Materialprüfung vom 23.05.1997, das als "gutachtliche Stellungnahme" bezeichnet ist, hielt die Bundesanstalt für Materialprüfung die Ladung für Gefahrgut nach Ziffer 43111 ADNR. Für die Beförderung solcher Güter müssen die Schiffe über die in Ziffer 43260 ADNR aufgeführte besondere Ausrüstung verfügen. Dies war unstreitig bei den von den Beklag­ten vorgelegten Schiffen nicht der Fall. Die Auskunft der Bundesanstalt für Materialprüfung vom 26.05.1997 ver­weist auf die ADR Vorschriften und ist als solche unergiebig. Gleichwohl mußten die Beklagten und die Schiffs­führer der von ihnen vorgelegten Schiffe das behördlich verfügte Lade­verbot beachten. Anderenfalls hätten sie den Erlaß von Bußgeldbescheiden befürchten müssen. Das Ladeverbot gegebenenfalls anzufechten, war die Aufgabe der Klägerin als Absenderin der Ladung, nicht hingegen die der Be­klagten als Frachtführer. Nur der Ab­sender kann die Zusammensetzung der Ladung zuverlässig ermitteln und nachweisen. Den Beklagten war der Zugriff auf die Ladung zwecks Entnahme einer Probe verwehrt. Die dies­bezügliche Verpflichtung der Klägerin folgt nach Auffassung des Senates aus § 45 Binnenschiffahrtsgesetz. Die Be­achtung des Ladeverbotes gereichte jedenfalls nicht den Beklagten bzw. de­ren Schiffsführern zum Verschulden.

Das behördliche Ladeverbot stellte auch ein "dauerndes" und nicht nur ein zeitweiliges Beförderungshindernis dar. Bei der Abgrenzung ist auf den Sinn der Vorschrift abzustellen, daß nämlich keinem der Vertragspartner zugemutet werden soll, an einem Be­förderungsvertrag festgehalten zu wer­den, dessen Zweck nicht mehr erreicht werden kann (Goette, Binnenschiff­fahrtsfrachtrecht, § 68 Rz. 6). Eine dau­ernde Verhinderung erfordert nicht, daß die Möglichkeit der Reise für alle Zeiten ausgeschlossen ist. Es ist viel­mehr ausreichend, daß der Antritt der Reise mit den im Frachtvertrag be­stimmten Schiffen für nicht voraus­sehbare Zeit unmöglich geworden ist (Vortisch/Bemm a.a.O., § 68 Rz. 7). So verhält es sich hier. Im Mai 1997 war unklar, wie lange das Ladeverbot auf­rechterhalten bleiben würde. Unstrei­tig hat die Klägerin nichts unternom­men, um dessen Aufhebung zu betrei­ben. Mit Rücksicht darauf war den Be­klagten ein Festhalten an dem Vertrag unzumutbar. Wegen des unterbliebe­nen Transports der Gesamttonnage nach Aufhebung des Lade- und Um­schlagsverbots stehen der Klägerin ebenfalls keine Schadensersatzan­sprüche zu. Wie das Schiffsfahrtsge­richt zutreffend ausgeführt hat, läßt sich ein Vertragsschluß mit der Be­klagten zu 1) über die Beförderung der Gesamtmenge der vorgelegten Korre­spondenz nicht entnehmen. Einen Schadensersatzanspruch gegen die Be­klagte zu 2) hat die Klägerin ebenfalls nicht schlüssig dargetan. Es fehlt inso­weit an der erforderlichen Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach Frei­gabe der Ladung durch die zu ständi­ge Hafenbehörde........."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2000 - Nr.4 (Sammlung Seite 1780 f.); ZfB 2000, 1780 f.