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3 U-88/03 BschMo - Oberlandesgericht (Moselschiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 27.01.2004
Aktenzeichen: 3 U-88/03 BschMo
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Moselschiffahrtsobergericht

Urteil des Oberlandesgerichts – Moselschiffahrtsobergericht Köln

vom 27. Januar 2004

3 U-88/03 BschMo


Zum Tatbestand:

Die Klägerin als Versicherer des der Schiffsgemeinschaft V.O.F. Kaptein Jansen gehörenden GMS A macht den Ersatz des Schadens (in Höhe von 10.718,75 Euro) geltend, der den Eigentümern dadurch entstanden ist, dass es am 18.09.2001 auf der Mosel oberhalb Bernkastel-Kues zwischen GMS A als Talfahrer und GMS B - dessen Eigentümerin die Beklagte ist - als Bergfahrer im Begegnungsverkehr bei starkem Nebel zum Zusammenstoß kam.
Wegen des Parteivorbringens erster Instanz wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Moselschifffahrtsgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen, weil der Schiffsführer des Talfahrers den Unfall allein verschuldet habe. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit der frist- und formgerecht eingelegten Berufung rügt die Klägerin insbesondere, das Moselschiffahrtsgericht habe ihr zu Unrecht die Beweislast auferlegt und beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils ihrem erstinstanzlichen Antrag zu entsprechen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den Inhalt der Verklarungsakte 4 II 1 /01 BSch AG St. Goar sowie den Inhalt der Akte des Wasserschutzpolizeiamtes Rheinland-Pfalz - Station Bernkastel - Anzeige-Nr.: 246/01 - Bezug genommen.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die Beklagte ist dem Grunde nach zum Ersatz von ¼  des der Versicherungsnehmerin der Klägerin infolge der Havarie vom 18.09.2001 entstandenen Schadens verpflichtet.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagte ist gern. §§ 3, 92 b BschG, 823 Abs. 1 und 2, 831 BGB i.V.m. §§ 1.04, 6.04 Nr. 4 MoselSchPV (Fassung 1997) zum Schadensersatz verpflichtet, weil ihr Geschäftsführer E. als Schiffsführer von GMS B den Zusammenstoß mit GMS A durch einen Verstoß gegen §§ 1.04, 6.04 Nr. 4 MoselSchPV in geringem Umfang mitverschuldet hat.

Das Verschulden des Bergfahrers kann nur auf solche Umstände gestützt werden, die unstreitig oder bewiesen sind. Da die Klägerin das von ihr behauptete Unfallgeschehen, soweit es vom Beklagtenvortrag abweicht, nicht bewiesen hat, ist der Beurteilung allein der Beklagtenvortrag zugrunde zu legen. Hiernach hat der Talfahrer die rechtzeitige Begegnungsanweisung des Bergfahrers „Steuerbord an Steuerbord für die Talfahrt" über Funk bestätigt. Obwohl der Talfahrer seinen Kurs in der Mitte der Fahrrinne beibehielt, stand der angewiesenen Begegnung nichts im Wege, weil der Bergfahrer seinen Kurs nach Backbord zum rechten Ufer verlegt hatte. Da der Talfahrer trotz der behaupteten Bestätigung der Begegnungsweisung seinen Kurs nicht nach Backbord geändert hatte, um eine gefahrlose Begegnung zu ermöglichen, musste es für den Bergfahrer zweifelhaft sein, ob der Talfahrer die Begegnungsanweisung tatsächlich befolgen würde. Jedenfalls konnte er nicht sicher damit rechnen und musste sich daher darauf einrichten, dass der Talfahrer sich nicht nach der Weisung richten würde. Diese Situation er forderte Vorsichtsmaßnahmen entsprechend § 6.04 Nr. 4 MoselSchPV bzw. ein rechtzeitiges erneutes Melden über Sprechfunk.

Hingegen ist dem Bergfahrer nicht vorzuwerfen, dass er die zur Kursweisung erforderlichen Ansagen nicht rechtzeitig gemacht hat, sobald er den Talfahrer auf dem Radarbildschirm erkannte. Die Behauptung der Beklagten, Schiffsführer E. habe sich bereits bei Insichtkommen des Talfahrers in einem Abstand von ca. 630 Meter mit den Worten gemeldet „Für die Talfahrt Steuerbord an Steuerbord" ist nicht widerlegt. Dies gilt auch für die weitere Behauptung der Beklagten, Schiffsführer E. habe den Standort bestimmt, indem er sich kilometermäßig gemeldet habe. Soweit er nicht mitgeteilt haben sollte, dass das Blinklicht gesetzt sei, ist dies unerheblich, da das Unterlassen nicht unfallursächlich geworden ist. Ein Blinklicht war bei dem starken Nebel für den Talfahrer ohnehin nicht erkennbar.

Ferner kann dem Bergfahrer kein Fehlverhalten im Hinblick auf eine unterbliebene Bestätigung seiner ersten Weisung angelastet werden. Für das Unterlassen dieser Bestätigung ist die Klägerin beweispflichtig. Sie hat den Beweis nicht geführt. Im Gegenteil hat die als Zeugin vernommene Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten - wenn auch in Abweichung von ihren Angaben gegenüber der Wasserschutzpolizei - im Verklarungsverfahren bekundet, der Talfahrer habe die Begegnungsweisung bestätigt. Aus dem Umstand, dass die Zeugen Schouten und Firmbach eine Bestätigung über Funk nicht gehört haben, kann nichts hergleitet werden. Denn diese Zeugen haben auch nicht die erste Begegnungsweisung gehört, die der Schiffsführer des Talfahrers nach seinen Angaben im Verklarungsverfahren als Anweisung „der talfahrende Schubverband Steuerbord an Steuerbord" verstanden hat. Dieser hat auch bestätigt, dass der Schiffsführer des Bergfahrers seine Anweisung „Steuerbord an Steuerbord für die Talfahrt" über Funk wiederholt hat, als die Schiffe ca. 200 bis 300 Meter von einander entfernt waren.

Soweit Schiffsführer Ermers bei Erkennen der Gefahrenlage unterlassen hat, die in § 6.32 Nr. 5 Abs. 1 MoselSchPV (i.d.F. von 1997) vorgeschriebenen Schallsignale zu geben, hat sich dieses Verhalten nicht unfallursächlich ausgewirkt, weil der Talfahrer den Bergfahrer auf dem Radarbildschirm gesehen und auch dessen erneute Kursweisung über Funk gehört hat.

Schließlich hat die Klägerin nicht bewiesen, dass der Bergfahrer unzulässigerweise eine kreuzende Kursänderung vorgeschrieben hat, die eine erhebliche Kollisionsgefahr begründet hätte. Die Klägerin hat keinen geeigneten Beweis dafür angeboten, dass der Bergfahrer die Kursweisung „Steuerbord an Steuerbord" erteilt hat, obwohl er ganz auf der linken Seite fuhr und der Talfahrer sich im rechten Teil des Fahrwassers befand und der Bergfahrer bei der zweiten Weisung vom linken zum rechten Moselufer hinüber wechselte. Das Moselschifffahrtsgericht hat die von der Klägerin beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens in Ermangelung hinreichender Anknüpfungstatsachen zu Recht abgelehnt. Dies gilt auch für das Berufungsverfahren. Ohne Beweis des Längs- und Seitenabstandes beider Schiffe sowie ihres Kurses und ihrer Geschwindigkeit lässt sich nicht feststellen, dass der Bergfahrer dem Talfahrer keinen geeigneten Weg für eine Steuerbordbegegnung freigelassen hat. Die Anknüpfungstatsachen sind nicht bewiesen und können auch vom Sachverständigen nicht festgestellt werden. Die an beiden Schiffen entstandenen Schäden geben keinen hinreichenden Aufschluss über den von ihnen gesteuerten Kurs. Die von dem Schiffsführer Kaptein geschilderte Streifbewegung, in der beide Schiffe gegeneinander geraten sind, lässt sich auch mit dem von dem Schiffsführer E. geschilderten Fahrverhalten erklären. Der Winkel, in dem beide Schiffe unmittelbar vor der Kollision aufeinander zufuhren, war nach beiden Sachverhaltsvarianten etwa gleich groß. Daher kann ein Sachverständiger allein aufgrund des Schadensbildes nicht feststellen, ob der Bergfahrer von der linken zur rechten Moselseite wechselte und quer auf der Mosel lag, während der Talfahrer abstoppte und mit dem Heck zur Steuerbordseite hin verfiel (so die Klägerin) oder ob der Bergfahrer auf der rechten Moselseite fuhr und nach Backbord auswich, während der Talfahrer von der Mitte des Flusses nach seiner Steuerbordseite hinzog (so die Beklagte).

Dem geringen Verschulden des Bergfahrers an der Kollision steht ein erhebliches Mitverschulden des Talfahrers gegenüber, das sich die Klägerin gern. § 254 BGB anrechnen lassen muss.

Der Talfahrer hat entgegen § 6.04 Nr. 5 MoselSchPV (Fassung 1997) nicht den Weg genommen, den der Bergfahrer ihm rechtzeitig gewiesen hatte. Die Klägerin hat nicht hinreichend bestritten, dass der Bergfahrer rechtzeitig eine sachgemäße Kursweisung über Funk erteilt hat. Nach dem Vortrag der Beklagten hat der Bergfahrer, als er auf seinem Radarbildschirm einen Talfahrer entgegen kommen sah, der von Bug zu Bug ca. 630 Meter entfernt war, über Kanal 10 angewiesen: "Für die Talfahrt Steuerbord an Steuerbord". Diesen Vortrag hat die Klägerin nicht hinreichend bestritten, denn sie räumt ein, Schiffsführer Kaptein habe einen Funkspruch: „Der talfahrende Schubverband Steuerbord an Steuerbord" gehört. Die Kursweisung konnte nur von GMS B stammen, da dem Talfahrer kein anderes Schiff entgegen kam und wegen der geraden Streckenführung der Mosel an jener Stelle die Durchsage nicht aus einem anderen Bereich herrühren konnte. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als der Talfahrer den Bergfahrer auf dem Radarbildschirm wahrnahm - er konnte mit Radar 800 Meter voraussehen - handelte er pflichtwidrig, als er die Kursweisung nicht auf sich bezog und auch nicht über Sprechfunk nachfragte. Selbst wenn er die Weisung als an einem Schubverband gerichtet verstanden hatte, musste er sie nunmehr auf sich beziehen, denn auf dem Radarbildschirm war zwischen seinem Schiff und dem Bergfahrer kein anderes Schiff zu sehen, insbesondere kein zu Tal fahrender Schubverband. Der Talfahrer musste die Weisung befolgen, da sie rechtzeitig erfolgt war. Dem steht nicht die Aussage der Zeugen S. und F. über das von ihnen mitgehörte Funkgespräch entgegen. Denn dieses Funkgespräch hat erst später kurz vor dem Zusammenstoß stattgefunden. Die Zeugen haben die Forderung des Talfahrers gehört, Backbord an Backbord zu begegnen, die Schiffsführer Kaptein nach eigenen Angaben erst gestellt hat, als die Schiffe ca. 150 bis 100 Meter von einander entfernt waren. Diese Entfernung erlaubte aber keine schadensverhütende Reaktion mehr.

Soweit die Klägerin geltend macht, die Befolgung der Weisung sei auch schon zu einem früheren Zeitpunkt nicht möglich gewesen, weil der Bergfahrer auf der linken Seite gefahren sei, während der Talfahrer sich im rechten Teil des Fahrwassers befunden habe, der Bergfahrer mithin eine kreuzende Kursänderung vorgegeben habe, hat sie den ihr hierfür obliegenden Beweis nicht geführt. Bei einem Schiffszusammenstoß, der auf die Nichtbefolgung einer gegebenen Kursweisung zurückgeführt wird, genügt der Bergfahrer seiner Behauptungs- und Beweislast, wenn er darlegt, dass der Talfahrer den gewiesenen Weg nicht genommen hat, während der Talfahrer seine Behauptung, der Bergfahrer habe ihm keinen geeigneten Weg freigelassen und er habe die Kursweisung des Bergfahrers nicht befolgen können, beweisen muss (vgl. BGH VersR 1989, 216; 1965, 152). Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den von den Schiffen gefahrenen Kursen kam aus den bereits oben genannten Gründen nicht in Betracht.

Besondere Umstände, wonach der Talfahrer die Kursweisung nicht befolgen konnte, ergeben sich auch dann nicht, wenn die Weisung des Bergfahrers - so der Vortrag der Klägerin - ohne Standortbestimmung und ohne Mitteilung, dass das Blinklicht gesetzt sei, erfolgt ist. Beider Voraussetzungen bedurfte es zur Einhaltung der Kursweisung nicht, da der Talfahrer den Bergfahrer bereits ab 800 Meter Entfernung auf dem Radarbildschirm wahrnehmen konnte.
Der Talfahrer war auch dann nicht von der Pflicht zur Befolgung der Kursweisung entbunden, wenn die Unfallstelle bereits in dem Bereich der Mosel lag (KM 134), in dem die Begegnung Backbord an Backbord üblich ist, denn die Kursweisung Steuerbord an Steuerbord war rechtzeitig erfolgt.

Darüber hinaus hat der Talfahrer nach dem eigenen Vortrag der Klägerin schuldhaft gegen § 6.32 Nr. 4 und Nr. 5 Abs. 2 MoselSchPV (Fassung 1997) verstoßen. Als er den Bergfahrer auf dem Radarbildschirm bemerkte, musste er erkennen, dass dessen Kursweisung eine Gefahrenlage verursachen konnte. Denn nach dem Vorbringen der Klägerin fuhr der Bergfahrer ganz auf der linken Seite, während sich der Talfahrer im rechten Teil des Fahrwassers befand und damit der Bergfahrer eine kreuzende Kursänderung vorschrieb, die eine erhebliche Kollisionsgefahr begründete. Hiernach musste der Talfahrer das Dreitonzeichen nach § 4.06 Nr. 1 b MoselSchPV geben und so oft wie notwendig wiederholen sowie seine Geschwindigkeit vermindern und notfalls Bug zu Tal anhalten oder aufdrehen. Ferner musste er über Sprechfunk auf die Begegnungsanweisung antworten und auf die nach seiner Auffassung bestehende Gefahrenlage hinweisen. Dies hat der Talfahrer jedoch erst mit erheblicher Verspätung getan, als beide Schiffe nur noch ca. 150 bis 100 Meter von einander entfernt waren. Hätte er die Situation frühzeitig geklärt, als er den Bergfahrer erstmals auf dem Radarbildschirm bemerkte, hätte ein Kollisionskurs unstreitig vermieden werden können.

Bei der Abwägung der beiderseitigen Verschuldensanteile hält der Senat eine Verteilung der Unfallverantwortlichkeit im Verhältnis ¼ zu Lasten der Beklagten und ¾ zu Lasten der Klägerin für sachgerecht und angemessen. Denn die Kollision ist maßgeblich durch die Nichtbefolgung der Kursweisung verursacht worden. Die Klage ist daher dem Grunde nach zu ¼ gerechtfertigt.

Da die Schadenshöhe zwischen den Parteien streitig ist, war vorab, wie in Schifffahrtssachen üblich, nur über den Grund des Anspruchs zu befinden. Das angefochtene Urteil war daher entsprechend abzuändern. Zur Entscheidung über die Höhe ist das Verfahren nach § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO an das Moselschifffahrtsgericht St. Goar zurückzuverweisen, da der Streit insoweit noch nicht entscheidungsreif ist.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).