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3 U 8/11 BschMo - Oberlandesgericht (Moselschiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 25.10.2011
Aktenzeichen: 3 U 8/11 BschMo
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Moselschiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Fährt ein Fahrgastschiff auf eine vorausfahrende Motoryacht bei der Annäherung an eine Schleuse an, so spricht ein Anscheinsbeweis zu Lasten des auffahrenden Schiffes auch dann, wenn das Fahrgastschiff seine Vorschleusungsberechtigung durch Setzen eines roten Wimpel geltend gemacht und angezeigt hat. Auch ein an sich nach § 6.02 MoSchPVO ausweichpflichtiges Kleinfahrzeug darf darauf vertrauen, dass ein nachfolgendes Fahrgastsschiff den durch das Kleinfahrzeug eingeschlagenen und beibehaltenen Kurs beachtet; auch wenn das Kleinfahrzeug in den toten Winkel des Fahrgastsschiffes gerät, muss die Schiffsführung des Fahrgastsschiffes sich über den Verbleib der Motoryacht vergewissern und dabei auch Kursänderungen in Betracht ziehen.

2) Für den Zusammenstoß eines Fahrgastschiffes mit einem Kleinfahrzeug gilt die zweijährige Verjährung nach § 118 I BinSchG.

3) Mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Schadensanmeldung tritt Hemmung der Verjährung gemäß § 203 BGB ein, wenn der Versicherungsmakler des Haftpflichtversicherers des Anspruchsgegners dem Anspruchsteller antwortet in einer Weise, die nicht anders verstanden werden kann, als dass noch keine endgültige Entscheidung über eine Haftungsablehnung getroffen ist, und ankündigt, man wolle wieder Verbindung zum Anspruchsteller aufnehmen.

4) Die verjährungshemmende Wirkung tritt nicht nur hinsichtlich des Schiffseigners als Versicherungsnehmer ein, sondern auch hinsichtlich der persönlichen Ansprüche gegen den (mitversicherten) Schiffsführer, selbst dann, wenn der Geschädigte die Ansprüche nur gegenüber dem Schiffseigner angemeldet und der Versicherungsmakler sich nur für den Schiffseigner geäußert hat.

5) Meldet nur einer von zwei Geschädigten seine bezifferten Ansprüche nur auf die ausdrücklich genannte Person beschränkt an, so wirkt die Hemmung der Verjährung nicht zugleich für einen weiteren Geschädigten.

 

Urteil des Oberlandesgerichts Köln

- Moselschiffahrtsobergericht -

vom 25.10.2011

In der Moselschifffahrtssache
pp.

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Moselschifffahrtsobergericht auf die mündliche Verhandlung vom 30. August 2011 durch seine Mitglieder Lampenscherf, Dr. Waters und Schneider
für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin zu 1. wird das am 13.01.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts St. Goar – Moselschifffahrtsgericht – 4 C 8/10 BschMo – teilweise abgeändert.

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts St. Goar – Moselschifffahrtsgericht – vom 29.09.2010 – 4 C 8/10 BschMo – wird aufrecht erhalten, soweit die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, an die Klägerin zu  1. 48.301,61 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 27.500,00 € seit dem 04.08.2008 sowie aus 20.801,61 € seit dem 14.08.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und das Versäumnisurteil aufgehoben.

Die weitergehende Berufung der Klägerin zu 1. und die Berufung der Klägerin zu 2. werden zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten mit Ausnahme der Versäumniskosten, welche die Beklagten als Gesamtschuldner tragen, wurden wie folgt verteilt:
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1. trägt diese selbst zu 37 % und tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 63 %.
Die Klägerin zu 2. trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben diese selbst zu 63 %, die Klägerin zu 1. zu 23 % und die Klägerin zu 2. zu 14 % zu tragen.
Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 63 % der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.


Gründe:

I.

Die Klägerin zu 1. macht als Kaskoversicherer der Motoryacht „L.“ auf sie übergegangene Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu 1. als verantwortlichen Schiffsführer und die Beklagte zu 2. als Eignerin des Fahrgastschiffes „E.“ aus dem Zusammenstoß der Schiffe am 04.07.2008 auf der N. bei Kilometer 100,9, unterhalb der Schleuse F., geltend. Die Klägerin zu 2. begehrt als damalige Eignerin der Motoryacht weitergehenden Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Beide Schiffe befanden sich in der Bergfahrt. Die Motoryacht folgte in einem Abstand von ca. 50 – 70 Metern GMS „B.“. Auf eine Anfrage bei der Schleuse F., ob die Motoryacht gemeinsam mit dem GMS schleusen könne, wies der Schleusenwärter die Klägerin zu 2. an, zunächst hinter GMS „B.“ zu bleiben, bis sie weitere Anweisungen erhalte. Der Motoryacht folgte in einem Abstand von ca. 70 Metern das Fahrgastschiff „E.“, das am Bug einen roten Wimpel ge-setzt und damit angezeigt hatte, dass ihm beim Schleusen Vorrang zu gewäh-ren sei. GMS „B.“ wechselte langsam zur rechten Fahrrinne, die Motoryacht und das Fahrgastschiff folgten, wobei der Abstand zunächst gleich blieb. Sodann fuhr das Fahrgastschiff mit dem Bug gegen die Backbordseite der Motoryacht auf, als diese sich im toten Winkel des Fahrgastschiffes befand. Die Motoryacht sank auf Grund, die Klägerin zu 2., ihr Ehemann – der verantwortlicher Schiffsführer war – sowie eine Mitfahrerin konnten sich unverletzt aus dem Schiff retten bzw. wurden von Bord geschleudert und anschließend von dem Fahrgastschiff aufgenommen.

Die Klägerin zu 1. erstattete auf der Basis des von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens den wirtschaftlichen Totalschaden an der Motoryacht in Höhe des Versicherungswertes von 30.000,00 € abzüglich eines Restwertes von 2.500,00 €, die Kosten für den Einsatz der Feuerwehren (17.178,01 €), für die Bergung des Bootes (2.540,07 €), das Auswassern und Absetzen des Bootes (1.083,53 €), 1.000,00 € für den Verlust der persönlichen Effekte auf erstes Risiko und 4.000,00 € für das mitgeführte Reisegepäck. Ferner zahlte sie die Kosten des Kaskoschaden-Gutachtens von 2.125,48 €.

Die Klägerin zu 1. meldete den Schaden unter dem 07.10.2008 bei der Beklagten zu 2. schriftlich an. Der Versicherungsmakler des Haftpflichtversicherers der Beklagten zu 2. antwortete mit Faxbericht vom 16.10.2008. Wegen des Wortlautes wird auf das Schreiben in Anlage B 1.1 Bl. 102 d. A. und den Faxbericht in Anlage B 1.2 Bl. 103 d. A. Bezug genommen. Die Klageschrift ist am 09.08.2010 bei Gericht eingegangen, die Zustellung an die Beklagten am 14.08.2010 erfolgt.

Die Klägerin zu 2. hat behauptet, das Motorboot habe einen Zeitwert von 50.000,00 € gehabt, weswegen sie einen weiteren Sachschaden von  20.000,00 € geltend macht, ferner ein Schmerzensgeld von 1.000,00 € für die erlittene Angst, im Motorboot zu ertrinken, und 25,00 € allgemeinen Aufwendungsersatz.

Gegen die Beklagten ist zunächst am 29.09.2010 ein Versäumnisurteil ergangen (Bl. 64 f. d. A.), wonach sie als Gesamtschuldner verurteilt wurden, an die Klägerin zu 1. 55.427,09 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.08.2008 und an die Klägerin zu 2. 21.025,00 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.08.2008 zu zahlen. Hiergegen haben die Beklagten rechtzeitig Einspruch eingelegt.

Die Kläger haben beantragt,

das Versäumnisurteil vom 29.09.2010 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagten haben beantragt,

unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Klage abzuweisen.

Sie haben die Verjährungseinrede erhoben.
Im Übrigen haben sie vorgetragen, die Motoryacht habe sich vor der Kollision in einer starken Schrägfahrt vor dem Fahrgastschiff befunden. Diese Kursänderung im toten Winkel vor dem Bug des Fahrgastschiffes habe der Beklagte zu 1. nicht bemerken und nicht darauf reagieren können. Jedenfalls treffe die Motoryacht ein Mitverschulden. Die Schadenspositionen bzw. ihre Erstattungsfähigkeit sind teilweise bestritten worden.

Das Moselschifffahrtsgericht hat die Klage wegen Verjährung von Ersatzansprüchen abgewiesen. Eine Hemmung der Verjährung gemäß § 203 BGB sei nicht eingetreten, weil in den Schreiben der Klägerin zu 1. vom 07.10.2008 und der Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 2. vom 16.10.2008 keine Verhandlungen über den Anspruch gesehen werden könnten.

Mit ihrer Berufung wehren sich die Kläger gegen diese Rechtsansicht.

Sie beantragen,

das Versäumnisurteil vom 29.09.2010 unter Aufhebung des angefochtenen Urteils aufrecht zu erhalten,

hilfsweise,

den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht  St. Goar, Moselschifffahrtsgericht, zurück zu verweisen,

äußerst hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Ferner beantragen sie hilfsweise höchst vorsorglich,

die Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin zu 1. weitere 21.025,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.08.2010 zu zahlen.

Der den Klägerinnen im Berufungsverfahren beigetretene Streithelfer schließt sich diesen Anträgen an.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien und dem Streithelfer eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Die Akten der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Südwest OWi-Nr. 400/09 und OWi-Nr. 403/09 lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.
Die zulässige Berufung der Klägerin zu 1. hat in der Sache überwiegend Erfolg, während die ebenfalls zulässige Berufung der Klägerin zu 2. unbegründet ist.

1.
Berufung der Klägerin zu 1.

a) Ansprüche gegen die Beklagte zu 2.

Die Klägerin zu 1. kann aus übergegangenem Recht gemäß §§ 86 VVG, 92,   92 b Binnenschifffahrtsgesetz von der Beklagten zu 2. als Eignerin des Fahrgastschiffes „E.“ Schadensersatz in Höhe von 48.301,61 € verlangen.

Die Beklagten räumen zu Recht ein, dass ein Anscheinsbeweis für das Verschulden des auffahrenden Schiffes spricht, wenn dieses auf ein vorausfahrendes Motorschiff auffährt. Diesen gegen die Beklagten sprechenden Anscheinsbeweis sieht der Senat nicht als erschüttert an. Vielmehr ist dem Beklagten zu 1. ein schuldhafter Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht gemäß § 1.04 Moselschifffahrtspolizeiverordnung vorzuwerfen.

Die Beklagten haben nicht den von der Klägerin zu 2., dem Schiffsführer V. G. und der Mitfahrerin auf der Motoryacht gegenüber der Wasserschutzpolizei geschilderten Ablauf (Bl. 18, 22, 38 Beiakte) bestritten, wonach die Motoryacht dem langsam zum rechten Fahrwasser nach Backbord wechselnden GMS „B.“ im gleichen Abstand wie vorher (ca. 50 – 70 Meter) gefolgt war und in deren Kielwasser fuhr. Das Fahrgastschiff vollzog ebenfalls den Übergang zur rechten Fahrrinnenseite und hielt zunächst den gleichen Abstand zur Motor-yacht wie zuvor (ca. 70 Meter). Wenn GMS „B.“ seinen Kurs nach Backbord änderte, um dem aus der Schleuse ausfahrenden Talfahrer eine Steuerbordbegegnung zu ermöglichen, musste der Beklagte zu 1. damit rechnen, dass die Motoryacht hinter dem Frachtschiff blieb und ebenfalls den Kurs nach Backbord änderte. Als sie in den toten Winkel des Fahrgastschiffes geriet, musste sich der Beklagte zu 1. daher über den Verbleib der Motoryacht vergewissern und durfte nicht blind im Vertrauen weiterfahren, dass die Motoryacht keine Kursänderung vornehmen würde.

Ein Mitverschulden des Schiffsführers der Motoryacht kann unter diesen Umständen nicht festgestellt werden, insbesondere auch kein Verstoß gegen die Ausweichpflicht gemäß § 6.02 Moselschifffahrtspolizeiverordnung. Vielmehr durfte er darauf vertrauen, dass der Beklagte zu 1. seinen Kurs im Kielwasser des GMS „B.“ beachten würde.

Damit hat die Beklagte zu 2. den Motorbootschaden in Höhe des Regulierungsbetrages von 27.500,00 €, die Kosten für den Einsatz der Feuerwehren in Höhe von 17.178,01 €, die Kosten für die Bergung des Motorbootes in Höhe von 2.540,07 € sowie die Kosten für das Auswassern und Absetzen des Bootes in Höhe von 1.083,53 €, insgesamt 48.301,61 €, an die Klägerin zu 1. zu erstatten.

Nicht zu ersetzen sind die Beträge von 1.000,00 € für den Verlust persönlicher Effekte und 4.000,00 € für Reisegepäck, da nicht vorgetragen ist, welche Gegenstände mit welchem Zeitwert verloren gegangen bzw. beschädigt worden sind. Nicht ersatzfähig sind auch die Sachverständigenkosten, da das Havarie-Kommissariat H. GmbH im Auftrag der Klägerin zu 1. zur Feststellung des Kaskoschadens und damit zur Prüfung des Anspruchs im Versicherungsvertragsverhältnis tätig geworden ist.

Die Ansprüche der Klägerin zu 1. sind nicht verjährt.

Ersatzansprüche aus dem Zusammenstoß von zwei Schiffen verjähren mit Ablauf von 2 Jahren seit dem Ereignis, § 118 Abs. 1 Binnenschifffahrtsgesetz. Da der Unfall sich am 04.07.2008 ereignete, war die Verjährungsfrist bei Eingang der Klageschrift am 09.08.2010 abgelaufen. Die Überschreitung der Frist um einen Monat und fünf Tage ist aber unschädlich, da die Verjährung jedenfalls für einen Zeitraum von dieser Dauer gemäß § 203 BGB gehemmt war. Die Vorschrift findet auf die Verjährungsvorschriften der §§ 117, 118 Binnenschifffahrtsgesetz Anwendung (vgl. Urteil des Senats vom 17.10.2006 – 3 U 55/05 BschMo - ). Die Hemmung ist mit der Schadensanmeldung der Klägerin zu 1. vom 07.10.2008 eingetreten.

Zwar stellt die bloße Schadensanmeldung für sich genommen noch keine Aufnahme von Verhandlungen dar. Dies ändert sich aber mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Schadensanmeldung, sobald der in Anspruch Genommene sich in Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände einlässt. Der Begriff des Verhandelns ist weit auszulegen. Der Gläubiger muss dafür lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner dies nicht sofort und erkennbar ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein (vgl. BGH, Urteil vom 14.07.2009 – IX ZR 18/08 -). Dafür kann z. B. zunächst genügen, dass der Anspruchsgegner mitteilt, er habe die Angelegenheit seiner Haftpflichtversicherung zur Prüfung übersandt (vgl. BGH, Urteil vom 03.02.2011 – IX ZR 105/10 -). Auch reicht aus, wenn ein Haftpflichtversicherer mitteilt, man müsse zur weiteren Prüfung des erhobenen Anspruches Einsicht in derzeit nicht zugängliche Ar-chivunterlagen nehmen und werde unaufgefordert weiter Stellung nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2005 – VI ZR 101/04 – Rz. 35).

Die Klägerin zu 1. durfte nach dem Inhalt des Antwortschreibens des Versicherungsmaklers der Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 2. vom 16.10.2008 (Bl. 103 d. A.) ohne Weiteres annehmen, der Haftpflichtversicherer lasse sich als Vertreter der Beklagten zu 2. auf Erörterungen über die Berechtigung des geltend gemachten Schadensersatzanspruches ein. Dafür spricht eindeutig die Erklärung: „Leider sind wir jetzt noch nicht in der Lage, Haftung zu beurteilen. Gibt es bei Ihnen schon eine polizeiliche Akte? Außerdem haben wir Expertenbüro H. beauftragt, um den Schaden festzustellen, und bis jetzt gibt es noch keine Schadentaxe. Bis jetzt sollen wir also jede Haftung ablehnen, aber wir kommen baldig bei Ihnen auf die Sache zurück.“

Diese Antwort kann nicht anders verstanden werden, als dass noch keine endgültige Entscheidung über eine Haftungsablehnung getroffen war, die Versicherung weitere Informationen durch eine polizeiliche Akte und Schadentaxe abwarten wollte und wieder Verbindung zur Klägerin zu 1. aufnehmen wollte. Darin liegt gerade keine eindeutige Ablehnung von Ersatzansprüchen, sondern das In-Aussicht-Stellen weiterer Prüfung und einer Kontaktaufnahme zur Klägerin zu 1. nach der Prüfung.

Die somit anzunehmende Hemmung der Verjährung dauerte länger als 1 Monat und 5 Tage an. Die Klägerin zu 1. durfte davon ausgehen, dass die Haftpflichtversicherung zunächst den Abschluss der Ermittlungen in der Unfallsache abwarten würde. Der Abschlussbericht der Wasserschutzpolizei Rheinland-Pfalz datiert vom 24.02.2009. Vorher hatte die Klägerin zu 1. keinen Anlass, nachzufragen. Erst geraume Zeit nach dem 24.02.2009 können die Verhandlungen als „eingeschlafen“ gelten.

b) Ansprüche gegen den Beklagten zu 2.

Der Beklagte zu 2. haftet als verantwortlicher Schiffsführer gemäß §§ 92 f Binnenschifffahrtsgesetz, 823 BGB gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 1. im gleichen Umfang wie diese für die infolge der Schiffskollision entstandenen Schäden, weil er die Kollision schuldhaft verursacht hat.

Die Ansprüche sind ebenfalls nicht verjährt.

Zwar hat die Klägerin zu 1. ihre Ansprüche nur gegenüber der Beklagten zu 2. angemeldet, bei der der Beklagte zu 1. als Schiffsführer angestellt war. Durch die Verhandlungen wurde aber zugleich die Verjährung von Ansprüchen gegen den Beklagten zu 1. gemäß § 203 BGB gehemmt.

Der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 2. hat für den Schaden einzustehen, der durch ein haftungsrelevantes Verhalten eines Mitarbeiters der Beklagten zu 2. entstanden ist. Die Verhandlung über den Schadensersatzanspruch soll dazu dienen, eine einheitliche Schadensregulierung zu gewährleisten. Ebenso wie es in aller Regel um den zu leistenden Schadensersatz schlechthin geht, wenn ein Versicherer über den Ausgleich der durch ein Kraftfahrzeug verursachten Schäden verhandelt, und damit den Kraftfahrzeugführer in die Verhandlungen einbezieht (vgl. BGH MDR 1965, 198), wollen auch der Haftpflichtversicherer eines Schiffseigners und der Kaskoversicherer eines geschädigten Schiffes dessen Ansprüche umfassend regeln. Daher beziehen sich die Verhandlungen im Zweifel auch auf die Schadensersatzansprüche gegen den Schiffsführer, dessen Verhalten die Haftung ausgelöst hat.
Der Zinsausspruch ist gemäß §§ 849, 291 BGB begründet. Die Klägerin zu 1) hat nicht dargetan, die Beklagten in Verzug gesetzt zu haben.

2.
Berufung der Klägerin zu 2.

Die Berufung der Klägerin zu 2. ist unbegründet, weil Zahlungsansprüche der Klägerin zu 2. aus dem Unfallereignis vom 04.07.2008 bei Eingang der Klageschrift bei Gericht am 09.08.2010 verjährt waren, § 118 Abs. 1 Binnenschifffahrtsgesetz.

Die Verjährung war nicht gemäß § 203 BGB gehemmt, weil Ansprüche der Klägerin zu 2. nicht in die Verhandlungen der Klägerin zu 1. mit der Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 2. einbezogen waren.

Zwar mag ein Kaskoversicherer regelmäßig die Abwicklung und Regressierung des Gesamtschadens übernehmen. Dies gilt aber nicht, wenn sich eine Beschränkung eindeutig aus dem Inhalt der Schadensanmeldung ergibt (vgl. BGH Versicherungsrecht 1985, 1141). Eine solche Beschränkung liegt hier vor. Die Klägerin zu 1. hat in ihrer Schadensanmeldung vom 07.10.2008 ausdrücklich den Rechnungsbetrag von 55.427,09 € genannt sowie entsprechende Belege beigefügt und damit ausschließlich auf den Anspruch verwiesen, der auf sie übergegangen ist. Ferner ist als Versicherungsnehmer Herr V. G. ausdrücklich aufgeführt. Damit wird ein Bezug zu der Klägerin zu 2., die in keinem Vertragsverhältnis zur Klägerin zu 1. stand, gerade ausgeschlossen. Dem gesamten Schreiben der Klägerin zu 1. ist nicht zu entnehmen, dass weitergehende Ansprüche als auf Erstattung von Versicherungsleistungen, die sie     erbracht hat, geltend gemacht werden sollten.

Entgegen der Auffassung des Streithelfers kommt dem Tatbestand des angefochtenen Urteils auf Seite 3 erster Satz bereits deshalb keine Bindungswirkung für das Berufungsgericht zu, weil das Schifffahrtsgericht diesen Satz durch Beschluss vom 14.02.2011 gemäß § 320 Abs. 1 ZPO berichtigt hat (Bl. 140 f. d. A.).

Nach alledem kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin zu 1. von der Klägerin zu 2. ausdrücklich ermächtigt worden war, auch ihre Ansprüche gegen die Beklagten geltend zu machen.

Die von der Klägerin zu 2. angeführte Verjährungsfrist von 3 Jahren für Ansprüche gemäß § 823 BGB gilt nicht, da es sich bei den §§ 117, 118 Binnenschifffahrtsgesetz um Spezialvorschriften handelt, die den allgemeinen Verjährungsregeln vorgehen und für Ansprüche aus jedem Rechtsgrund gelten (vgl. BGH NJW 1981, 2576, 2577).

3.
Die Kostenentscheidung ergeht nach §§ 91 Abs. 2, 97, 100, 101, 344 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei, Art. 34 Moselvertrag, Art. 39 MA.

4.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2012 - Nr.6 (Sammlung Seite 2185 ff.); ZfB 2012, 2185 ff.