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3 U 76/95 BSch - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 09.01.1996
Aktenzeichen: 3 U 76/95 BSch
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Kann ein Absender nicht unterstellen, daß der transportierende Frachtführer die Laderäume seines Schiffs mit einer gegen Laugen und Säuren resistenten Farbe versehen hat, muß er insbesondere aufgrund § 45 BinSchG auf eine Gefährlichkeit der Ladung für einen „normalen" Innenanstrich hinweisen. Ein insofern gegebenes Verschulden des Verladers muß sich der Absender gemäß § 278 BGB anrechnen lassen. Er hat sich um Kenntnisse in bezug auf Besonderheiten des Ladungsgutes zu bemühen, um seiner Mitteilungspflicht gerecht zu werden. Absender i. S. d. Frachtrechts ist, wer den Frachtvertrag mit dem Frachtführer im eigenen Namen abschließt.

Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Köln

vom 9.1.1996

3 U 76/95 BSch

(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Der Kläger, Eigner des MS D, erhielt von der Beklagten den Auftrag, eine Schiffsladung Oxiton abgedeckt von Hannover nach Mertert in Luxemburg zu befördern. Auftraggeberin der Beklagten war die Streithelferin zu 1), Ladungseigentümerin und Empfängerin die Streithelferin zu 2) und Verlader die Streithelferin zu 3).
Bei der Beladung des Schiffs teilte der als Produktionsleiter bei der Streithelferin zu 3) beschäftigte Zeuge K dem Kläger auf Befragen nach der Beschaffenheit der Ladung mit, daß es sich um eine Art Bauxit mit leichtem Ammoniakgeruch handele, die aber für das Schiff, insbesondere den Innenanstrich, ungefährlich sei.

Bei der Löschung des Schiffs in Mertert bemängelte der Schiffsführer, daß die Ladung den Innenanstrich des Schiffs geschädigt habe.

Nach einer Besichtigung der Schiffs kam es zu einer schriftlichen Vereinbarung über die Kosten einer Schadensbehebung, welche seitens der Streithelferin zu 2) von deren Werksleiter, dem Zeugen Sch, und seitens der Streithelferin zu 3) von deren Produktionsleiter, dem Zeugen K, unterzeichnet worden ist.

Der wesentliche Teil der schriftlichen Vereinbarung lautet: „Schaden am Laderaumanstrich des MS D. Es wird unter Vorbehalt nachfolgendes zur Regulierung eines Anstrichschadens zwischen den Unterzeichnenden vereinbart. Der Vorbehalt beinhaltete, daß sich der im Beisein von Sachverständigen festgestellte Schaden nach der Abreinigung durch Hochdruckgeräte nicht vergrößert.

1. Auswaschen der Laderäume mit einem Hochdruckgerät 
2. Neuanstrich des Laderaumbodens, sowie der Laderaumwandung zum Pauschalbetrag...
3. Die geschuldeten Liegegelder, geltend vom ... bis zum Zeitpunkt der Erledigung von Punkt 1., welcher gemeinsam mit ... festgelegt wird, übernimmt die Fa (Streithelferin zu 2).

Der Kläger hat behauptet, das Auswaschen mit einem Hochdruckreiniger habe die durch die Ladung verursachte Ablösung des Innenanstrichs nicht aufhalten können. Den ihm entstandenen Schaden könne er gegenwärtig noch nicht spezifizieren. Er hat beantragt, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm den Schaden zu ersetzen, der durch die Obernahme einer Ladung Oxiton zum Transport von Hannover nach Mertert in der Zeit vom ... bis ... entstanden ist.

Die Beklagten und Streithelferinnen haben behauptet, die Schäden an dem Schiff seien nicht auf das geladene Oxiton zurückzuführen. Vielmehr beruhten die Farbablösungen auf den Vortransporten der Schiffe.

Das Schiffahrtsgericht hat die Klage in der Annahme eines mangelnden Verschuldens der Beklagten abgewiesen. Die Berufung hatte Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Die Beklagte haftet dem Kläger aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Frachtvertrag gemäß § 45 BinnSchG auf Ersatz des infolge der Farbablösung entstandenen Schadens.
Aufgrund des im Beweisverfahren ... erstatteten Gutachtens des Sachverständigen S sowie des von dem Kläger ... zur Beweissicherung bei der Löschung der Schiffe eingeholten Gutachtens des öffentlich vereidigten Sachverständigen P kann kein Zweifel daran bestehen, daß das geladene Oxiton auf die bei MS D in den Laderäumen angebrachte Farbe eine zerstörerische Wirkung hatte. Insbesondere die mit aus den Schiffsladungen stammenden Oxitonproben angestellten Versuche beider Sachverständigen, die zu einer Ablösung von auf Metall aufgebrachten Schiffsfarben führte, belegt eindrucksvoll die für Farben, wie sie auf den Schiffen angebracht waren, aggressive Wirkung des geladenen Oxitons. Deshalb muß man auch davon ausgehen, daß auf die Beladung mit Oxiton die erlittenen Schäden zurückzuführen sind, wie sie nicht nur von den Sachverständigen, sondern auch durch die Zeugen ..., wenn auch in unterschiedlichem Umfang, unmittelbar bei beziehungsweise nach der Löschung wahrgenommen worden sind und die Streithelferinnen zu 2) und 3) auch zum Abschluß der Vereinbarung veranlaßt haben.

Der nicht unerhebliche Umfang der aufgetretenen Schäden, die auch durch die schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen 0 und P bestätigt werden, kann auch nicht auf die Einwirkung früher geladener Güter zurückgeführt werden. Daß der Farbanstrich in dem Laderaum des klägerischen Schiffs vor der Beladung mit Oxiton noch in Ordnung war, ergibt sich... aus der Aussage der Zeugen A und K. Insbesondere letzterer als Produktionsleiter bei der Streithelferin zu 3) unverdächtiger Zeuge hat den Anstrich als fachmännisch bezeichnet. Zudem belegen die von diesem Zeugen auf Wunsch des Klägers gefertigten Polaroidphotos den ordnungsgemäßen Zustand des Laderaums. Angesichts der zuvor durchgeführten Transporte muß zugleich davon ausgegangen werden, daß die Farbe und der Anstrich grundsätzlich auch für einen Schiffsladeraum geeignet waren.

Auch der Umstand, daß zahlreiche andere Schiffe mit Oxiton beladen worden sein sollen, ohne Schaden zu nehmen, deutet nicht bezüglich des klägerischen Schiffes auf eine andere Schadensverursachung hin. Zum einen kann es sich um Oxiton in einer anderen Zusammensetzung oder Beschaffenheit gehandelt haben. Zum anderen mögen die anderen Schiffe einen gegen Säuren und Laugen resistenten Spezialanstrich gehabt haben oder geölt gewesen sein.

Darauf, daß die Ladung aufgrund ihrer Beschaffenheit für einen „normalen" Innenanstrich gefährlich war, hätte der Absender, insbesondere aufgrund der Bestimmung des § 45 BinnSchG, hinweisen müssen, denn der Absender kann nicht unterstellen, daß der transportierende Frachtführer die Laderäume seines Schiffes mit einer gegen laugen und Säuren resistenten Farbe versehen hat.
Hinweise seitens der Beklagten sind nicht erfolgt. Die Verladerin, die Streithelferin zu 3.), die für den Schiffer der Ansprechpartner vor Ort war, hat in Gestalt des Zeugen K nicht nur entsprechende Hinweise unterlassen, sondern unstreitig auf die Bedenken des Schiffers hin mitgeteilt, die Ladung sei für das Schiff, insbesondere den Innenanstrich, ungefährlich. Aus dem dem Kläger möglicherweise bekannten „DIN-Sicherheitsdatenblatt" der Streithelferin zu 3) konnte dieser die Gefährlichkeit nicht ohne weiteres erkennen.

Das von der Streithelferin zu 3) entworfene „Merkblatt für den Transport von Oxiton", das auf die erforderliche Belüftung der Ladung hinwies, war dem Kläger nicht ausgehändigt worden.

Infolge der unterbliebenen Aufklärung haftet die Beklagte für den Schaden, denn diese ist - entgegen ihrer Auffassung - auch im Sinne des § 45 BinnSchG Absenderin. Absender im Sinne des handelsrechtlichen Frachtrechts ist, und dies gilt uneingeschränkt auch für die Binnenschiffahrt - wer den Frachtvertrag mit dem Frachtführer im eigenen Namen abschließt (vgl. Baumbach/Duden/Hopt 425, 2„ Heymann 433 Rdn. 1; Goette, Binnenschiffahrtsfrachtrecht 26 Rdn 3 und 28).

Allerdings mußte die Beklagte nicht unbedingt die spezifischen Kenntnisse in bezug auf die Besonderheit des Ladungsgutes haben, war sie ihrerseits doch auch auf die Angaben ihres Auftraggebers angewiesen. Als Absenderin war sie jedoch verantwortlich und mußte sich darum kümmern, um ihrer Prüfungs- und Mitteilungspflicht gerecht zu werden. Das hat sie nicht getan, weil sie sich auf die Verladerin verlassen hat. Deren Verschulden muß sie sich aber gemäß § 278 BGB anrechnen lassen (vgl. BGH VersR 1960, 605, 607).

Das Verschulden der Streithelferin zu 3) als Verladerin in Gestalt ihres Mitarbeiters K läßt sich nicht mit dem Hinweis verneinen, es seien schon vorher Transporte ohne Beanstandung durchgeführt worden, denn wenn vorher durch Binnenschiffe Transporte durchgeführt worden sein sollten, was von dem Kläger bestritten wird, mögen diese, wie bereits oben angesprochen, gegen chemische Beeinträchtigungen resistente Spezialanstriche gehabt haben und die Laderäume aufgrund der entsprechenden Hinweise im Merkblatt der Streithelferin zu 3) ausreichend belüftet worden sein. Bezeichnenderweise wiesen die später ebenfalls mit Oxiton beladenen Schiffe MS „S" und MS „L", die der für die Streithelferin zu 1) tätige Zeuge W zur Überprüfung besichtigte, dessen Aussage zufolge besondere Anstriche auf. Gleichwohl wurde dem Zeugen von einem der Schiffsführer bestätigt, daß „im oberen Bereich kleine Farbblasen" aufgetreten seien.

Die Streithelferin zu 3) wußte jedenfalls aufgrund des Sicherheitsdatenblattes und der Untersuchung des „Labor für Geoanalytik", daß „in alkalischer Umgebung sich Ammoniak entwickelt" und das Material grundsätzlich alkalisch ist und damit geeignet, „normale" Anstriche anzugreifen. Auch ihr eigenes Merkblatt weist auf die in Verbindung mit Wasser mögliche Ammoniakbildung sowie die erforderliche Belüftung der Laderäume hin.
Indem der Produktionsleiter der Streithelferin zu 3), K, sich unter diesen Umständen gegenüber dem Kläger als sachkundiger Auskunftspartner unzutreffend dahin äußerte, für den Laderaumanstrich bestehe keine Gefahr, hat er die der Beklagten und der Streithelferin zu 3) obliegende Hinweispflicht nicht nur nicht beachtet, sondern mit der Falschinformation in das Gegenteil verkehrt. Hierfür hat die Streithelferin zu 3) ebenso einzustehen wie die Beklagte für diese.
Die Vereinbarung spricht dafür, daß die Streithelferinnen zu 2.) und 3.) das zunächst nicht anders gesehen haben, mag die Vereinbarung als solche der Beklagten auch nicht entgegengehalten werden können, da sie nicht an ihr beteiligt war.

Die Beklagte kann sich zu ihrer Entlastung auch nicht erfolgreich auf ihre Konnossementsbedingungen berufen. Da man davon ausgehen darf, daß der Kläger aufgrund der langjährigen Geschäftsbeziehungen wußte, daß die Beklagte mit AGB arbeitete, und die Parteien Kaufleute sind, so daß 2 AGBG keine Anwendung findet, ist grundsätzlich anzunehmen, daß die AGB auch Inhalt des Frachtvertrags geworden sind.

Allerdings läßt sich aus den einzelnen Bedingungen keine wirksame Haftungsfreistellung der Beklagten ableiten. Es ist schon nicht ersichtlich, daß die Bedingungen zu Lasten auch des Unterfrachtführers gelten sollen. Zu berücksichtigen ist, daß die Zielrichtung von Konnossementsbedingungen der Frachtführer die Ladungsseite ist und nicht etwaige Unterfrachtführer. So sind bezeichnenderweise in 1 Nr. 2 der Bedingungen der Beklagten die Unterfrachtführer nicht namentlich genannt, während die übrigen „Beteiligten" im einzelnen aufgeführt werden.

§ 1, Nr. 3 („Die Bedingungen gelten auch und für und im Verhältnis zu dritten Unternehmen, wenn die Reederei den Transport durch diese ausführen läßt"). muß nicht zwingend darauf bezogen werden, daß sich der AGB-Verwender auch gegenüber dem Dritten zu dessen Lasten auf die AGB berufen will. Damit kann auch nur die Erstreckung der AGB auf den Dritten zu dessen Schutz gegenüber den Ladungsinteressenten gemeint sein. Aus 2 Nr. 1 ergibt sich nicht, daß wegen der darin festgehaltenen Haftung des Verladers bzw. Auftraggebers, die „Reederei" im Umkehrschluß gegenüber ihrem Frachtführer nicht haften soll. Die Haftungsauschlüsse des 14 schließlich betreffen alle nicht den durch die Ladung verursachten Schaden am Schiff.

Ist die Haftung der Beklagten für den dem Kläger entstandenen Schaden somit zu bejahen, steht diesem auch ein entsprechender Feststellungsanspruch zu...."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1999 - Nr. 12 (Sammlung Seite 1765 f.); ZfB 1999, 1765 f.