Rechtsprechungsdatenbank

3 U 73/80 - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 31.10.1980
Aktenzeichen: 3 U 73/80
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Zum Umfang des durch Schiffskollision entstandenen entschädigungsfähigen Schadens, insbesondere hinsichtlich der Kosten für Gestellung von Ersatzschiffen, für Ufergelder, Krangebühren, Nässeschäden und Havariegrosse-Beiträge.

Urteil des Oberlandesgerichts - Rheinschiffahrtsobergericht in Köln

vom 31. Oktober 1980

3 U 73/80

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Zwischen dem bei der Klägerin versicherten MS M und dem MS A des Beklagten war es durch Verschulden der Besatzungen zur Kollision gekommen, die ein Leck an dem mit Petrolkoks beladenen MS M und Nässeschäden in diesem Schiff zur Folge hatte. Die Parteien sind einig, daߟ dem Grunde nach von Seiten MS A 30%, von Seiten MS M 70% des Schadens zu tragen sind.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Zahlung von 4699,22 DM aufgrund Übergegangenen und abgetretenen Rechts (auch von Seiten des MS M), ausgehend von einer Aufstellung folgender Beträge:

1. Gestellung eines Ersatzschiffs für die geleichterte Ladung . . . 2603,41 DM
2. Ufergeld, Krangebühren, Kaimiete                                               664,56 DM
3. Nässeschäden der Ladung . .                                                     1500,- DM
4. Havarie-grosse-Beitrag lt. Dispache .                                         8049,42 DM
 

                                                                                                   = 12817,39 DM
abzüglich Gutschrift der Fa. W. .                                                       372,98 DM

                                                                                                  =  12444,41 DM

Restfracht . .                                                                                    3719,95 DM
                                                                                                       16164,06 DM

Unter Berücksichtigung einer Zahlung von 500,- DM verlangt die Klägerin von dem vorgenannten Betrag 30%.
Der Beklagte meint, es handele sich um einen nicht erstattungsfähigen Vermögensschaden. Auߟerdem enthalte die Dispache einen ungerechtfertigten Zinseinschuߟ.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat der Klage in Höhe von 3461,01 DM stattgegeben und dabei den Beitragswert um den beanstandeten Zinseinschuߟ auf 7641,74 DM gekürzt sowie die Restfracht völlig gestrichen. Die Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:
"€ž...

Zur Annahme einer Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB reicht im allgemeinen eine bloߟe Gefährdung nicht aus. Das Eigentum kann aber nicht nur durch eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz, sondern auch durch eine sonstige, die Eigentümerbefugnisse betreffende tatsächliche Einwirkung auf die Sache verletzt werden (BGHZ 55, 153 = ZfB 1972, 17; BGH ZfB 1979, 377). Eine solche Beeinträchtigung ist unter den hier gegebenen Umständen anzunehmen.
Die Parteien haben die vorgenannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs miߟverstanden. Denn der Bundesgerichtshof hatte in jenem Falle ausschließlich darüber zu befinden, ob die Kosten für das Umschlagen einer Heizölladung von dem schuldigen Schädiger verlangt werden können, wenn das Schiff infolge des Unfallschadens die Reise nicht fortsetzen kann, der Ladung aber, die als solche bei dem Unfall unbeschädigt geblieben ist, auch keine Gefahr droht. In einem solchen Falle fehlt es, wie der Bundesgerichtshof mit Recht ausgeführt hat, an jeder tatsächlichen Einwirkung auf das Eigentum. Im zur Entscheidung stehenden Falle aber liegt eine Beeinträchtigung des Eigentums vor, weil das Schiff und die Ladung in eine akute Gefahr gebracht worden sind und weitere Nässeschäden drohten, wenn die Ladung nicht umgeschlagen wurde. Die Kosten der Gestellung des Ersatzschiffs, die Ufergelder, die Krangebühren und die Kaimiete können deshalb entsprechend der vereinbarten Haftungsquote nach den §§ 823 Abs. 1, 249 BGB erstattet verlangt werden.
Im Rahmen der Ersatzpflicht nach § 823 Abs. 1 BGB kann der Beitrag zur Havarie-grosse nicht ohne weiteres von einem schuldigen Schädiger verlangt werden.
Wie der Bundesgerichtshof (ZfB 1979, 377) mit Recht ausgeführt hat, regeln die §§ 78 ff BSchG nur die rechtlichen Beziehungen der Personen, die an der Großen Havarie beteiligt sind. Sie begründen hingegen keine Ansprüche zwischen diesem Personenkreis und einem Dritten, der die gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung schuldhaft herbeigeführt hat (Schaps-Abraham, Seerecht, 4. Aufl., § 702 Rdn. 2 und 5; Prüßmann, Seehandelsrecht, § 702 Anm. C; Schlegelberger/Lieseke, Seehandelsrecht, 2. Aufl., § 702 Anm. 2). Der Klägerin stehen daher aus der besonderen Gefahrengemeinschaft der Havarie-grosse keine unmittelbaren Ansprüche ihres Rechtsvorgängers aus abgetretenem Recht zu.
Wie zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz unstreitig ist, sind der Klägerin aber auch die Ansprüche der Interessenten des MS M abgetreten worden, soweit diese durch den Beitrag der Ladung in Havarie-grosse befriedigt worden sind. Den Interessenten des MS M standen die in der Dispache aufgeführten Unfallschäden zu, die sie zur Havarie-grosse anmelden konnten. Gegen den Beklagten als mitschuldigen Schädiger hatten sie Ansprüche aus den §§ 3, 4, 92c BSchG, § 823 Abs. 1 BGB. Dieser Anspruch ist nicht dadurch erloschen, daߟ eine teilweise Vergütung in Havarie-grosse erfolgt ist, vielmehr hat die beitragspflichtige Ladung einen Anspruch darauf, daߟ ihr in Höhe ihres Beitrags dieser Anspruch, wie das auch geschehen ist, zum Zwecke des Regresses gegen den mitschuldigen Schädiger abgetreten wird. Die Klägerin kann daher aus abgetretenem Recht der Interessenten des MS M die dem Beitrag der Ladung zur Havarie-grosse zugrunde liegenden Schäden aus der Verletzung des Eigentums an MS M entsprechend der vereinbarten Haftungsquote verlangen. Das entspricht dem vom Rheinschiffahrtsgericht zuerkannten Betrag.
Die mit der Klage geltend gemachten und vom Rheinschifffahrtsgericht zuerkannten Beträge - ausgenommen Schäden an MS M - kann die Klägerin aus abgetretenem Recht auch nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff BGB) als Aufwendungen (§ 683 BGB) ersetzt verlangen. Der Beklagte hat durch den Unfall das MS M mitbeschädigt und zugleich auch die Ladung gefährdet. Denn die Ladung war dem Verderb oder dem totalen Verlust ausgesetzt, wenn sie nicht aus dem havarierten Schiff geborgen wurde. Dem Beklagten als Unfall(mit)verursacher oblag es, die durch den Unfall gefährdete Ladung zu bergen, weil derjenige, der eine Gefahr verursacht, für deren Beseitigung zu sorgen hat. Wenn das statt seiner ein anderer besorgte, hat dieser Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Dabei kommt es nicht darauf an, ob auch eigene Interessen bei der Geschäftsführung verfolgt werden. Für einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag genügt, daß neben dem eigenen Interesse auch fremde Interessen wahrgenommen werden. Das aber trifft zu, wenn wie hier die Folgen einer Kollision durch geeignete Bergungsarbeiten im Rahmen des Möglichen abgewendet oder gemindert werden.
...