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Leitsätze:
1) Für die von ihm behauptete Ladungsuntüchtigkeit eines Schiffs ist der Ladungsbeteiligte beweispflichtig.
2) Ein Anspruch auf Fehlfracht setzt die Einhaltung der Wartezeit gemäß §§ 33, 34 BinSchG nicht voraus, wenn sie in den vereinbarten Transportbedingungen zulässigerweise abbedungen worden ist. Ohnehin kann einem Frachtführer nicht entgegen gehalten werden, das Schiff vor Ablauf der Wartezeit von der Ladestelle abgezogen zu haben, wenn die Beladung zuvor ausdrücklich und endgültig abgelehnt worden ist.
3) Auch die Höhe der Fehlfracht richtet sich nach den vereinbarten Transportbedingungen.
Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Köln
vom 21.3.1997
3 U 71/96 B Sch
(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin, Unterfrachtführerin der Speditionsgesellschaft S, übernahm in Ausführung eines zwischen der S und der Beklagten bestehenden Rahmenvertrags die Beförderung von Quarzsand und diente dazu ihr MS „L" am 16.3.1995 um 6.00 Uhr der Beklagten ladebereit an. Diese lehnte die Beladung mit der Begründung ab, die Laderäume seien nicht sauber genug. Dabei blieb die Beklagte auch am 17.3.1995, obwohl der Laderaum in der Nacht von der Schiffsbesatzung gereinigt worden war und S angeboten hatte, das Schiff auf Risiko der Klägerin zu beladen. Da die Beklagte weiterhin die Beladung ablehnte, legte MS „L" am 17.3.1995 um 17.00 Uhr ab.
Die Klägerin verlangt aus seitens der S abgetretenem Recht Fehlfracht in Höhe der Hälfte der vereinbarten Fracht.
Die Beklagte trägt vor, die Wände des Laderaums seien rostig gewesen, woran auch die Reinigung in der Nacht zum 17.3.1995 nichts geändert habe. Außerdem habe die Klägerin die Wartezeit nach § 34 BinSchG nicht eingehalten, und deren Transportbedingungen seien nicht Vertragsgegenstand geworden.
Das Schiffahrtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Das Schiffahrtsgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Fehlfracht gemäß § 34 BSchG i. V m. § 11 ihrer Transportbedingungen in Höhe von 11.212,50 DM nebst Zinsen bejaht. Der Senat teilt die Auffassung des Schiffahrtsgerichts, daß die Beklagte den ihr obliegenden Beweis der Ladeuntüchtigkeit des Schiffes nicht erbracht hat.
Wen die Darlegungs- und Beweislast für die anfängliche Fahr- und Ladeuntüchtigkeit eines Schiffes trifft, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Die hierzu ergangene Rechtsprechung betrifft § 8 BSchG. Nach Auffassung des Reichsgerichts (RGZ 125, 422 (424)) hat der Ladungsbeteiligte im Falle des § 8 Abs. 4 BSchG die anfängliche Ladungsuntüchtigkeit des Schiffes zu beweisen, weil er hier im Gegensatz zu § 58 BSchG einen Anspruch auf vollen Schadensersatz erlangt. Das OLG Hamburg (VersR 83, 952) hat demgegenüber dem Schiffseigner die Beweislast für die Ladungstüchtigkeit des Schiffes mit der Begründung auferlegt, die Beweislast sei nach Gefahrenbereichen zu verteilen; der Schiffer sei „näher daran", den Sachverhalt aufzuklären und die Folgen einer nicht vollständigen Aufklärung zu tragen, weil es sich um einen Umstand aus seinem Herrschafts- oder Organisationsbereich handele, während diesbezüglich für den Ladungseigentümer oft ein Beweisnotstand vorliege. Der BGH (VersR 83, 1029) hat diese Entscheidung aufgehoben und die Auffassung vertreten, der Ladungsbeteiligte sei für die anfängliche Ladungsuntüchtigkeit beweispflichtig; für eine Verteilung der Beweislast nach Gefahrenbereichen sei kein Raum, da beim Schiffer - anders als beim Beförderungs- oder Schiffahrtsunternehmer selbst - von keinem in seiner alleinigen Verantwortung stehenden Herrschafts- und Organisationsbereich die Rede sein könne. Wie sich aus den weiteren Ausführungen des BGH ergibt, sieht er die von ihm vorgenommene Beweislastverteilung offenbar als Korrektiv zu der unbeschränkt persönlichen Haftung des Schiffseigners gemäß § 8 Abs. 4 BSchG. Bezüglich eines Seeschiffs hatte der BGH demgegenüber die Meinung vertreten, der Ladungsbeteiligte, der Schadensersatz wegen anfänglicher Ladungsuntüchtigkeit geltend mache, müsse nicht beweisen, daß der Mangel schon bei Reiseantritt vorgelegen habe; vielmehr müsse sich der Verfrachter entlasten, weil es sich um einen Umstand aus seinem Herrschafts- und Organisationsbereich handele (MDR 78, 735; - so auch Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht, 3. Auflage HGB § 559 Anm. D '6 und § 567 F 6). Korioth, in: Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, meint in der Kommentierung zu § 8 BSchG Rn. 2, der Schiffseigner müsse dann, wenn er sein Schiff selbst führe, aus dem Gesichtspunkt der Verteilung der Beweislast nach Gefahrenbereichen beweisen, daß ein die Fahr- oder Ladeuntauglichkeit begründender Mangel bei Reiseantritt nicht vorgelegen habe. Unter § 28 BSchG Rn. 2 führt er hingegen aus, dem Absender obliege, wenn der Frachtführer eine ordnungsgemäße Anzeige der Ladebereitschaft beweise, die Beweislast, wenn er das Vorhandensein der Ladebereitschaft bestreite; der Gegenbeweis erstrecke sich darauf, daß das Schiff nicht in einem für die Übernahme der konkreten Ladung tauglichen Zustand (z. B. Verschmutzung der Räume) oder für den Ladevorgang nicht genügend bemannt sei. Nach Vortisch/Bemm, Binnenschiffahrtsrecht, 4. Auflage, § 8 Rn. 22 und § 28 Rn. 14 soll den Ladungsbeteiligten die Beweislast für die anfängliche Fahr- und Ladeuntüchtigkeit treffen, weil er die Ladebereitschaft prüfen kann (ebenso: Goette, Binnenschiffahrtsfrachtrecht, § 28 Rn. 14).
Der Senat hat bisher noch nicht darüber entschieden, wer für die Ladungstauglichkeit oder Ladeuntüchtigkeit eines Schiffes beweispflichtig ist. In seiner Entscheidung vom 16.10.81 (ZfB 82, 946) hat er lediglich ausgeführt, ein Anspruch auf Fehlfracht bestehe nicht, wenn die allgemeinen Anforderungen an die Ladebereitschaft des Schiffes erwiesenermaßen nicht erfüllt seien. Der Senat beantwortet die Frage nach der Beweislastverteilung nunmehr dahin, daß der Ladungsbeteiligte für die von ihm behauptete Ladungsuntüchtigkeit des Schiffes beweispflichtig ist. Grundsätzlich muß der Absender gemäß §§ 34, 36 BSchG für ein Schiff, das sich ladebereit gemeldet hat, Fehlfracht zahlen, wenn er bis zum Ablauf der Wartezeit keine Ladung liefert oder vor Reiseantritt kündigt. Das Kündigungsrecht des Absenders entspricht der Kündigung werkvertraglicher Ansprüche nach § 649 BGB (vgl. Vortisch/Bemm, BSchG § 36 Rn. 1). Im Falle des § 649 BGB entfällt der Vergütungsanspruch nur, wenn der Besteller aus wichtigem Grund zur Kündigung berechtigt war. Die Voraussetzungen des wichtigen Grundes hat er zu beweisen (vgl. Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2. Auflage, § 649 Rn. 1; Palandt/Thomas, BGB, 56. Auflage, § 649 Rn. 4). Es entspricht auch allgemeinen Grundsätzen der Beweislastverteilung, daß derjenige, der sich von seinen Vertragspflichten lösen will, zu beweisen hat, daß die Gründe hierfür im Verantwortungsbereich des Vertragspartners liegen. Ein möglicher Beweisnotstand auf Seiten des Ladungsbeteiligten, der eine Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen gebieten könnte, liegt hier nicht vor. Das Schiff war an der Ladestelle vorgelegt und konnte ohne weiteres von der Beklagten auf seine Ladetüchtigkeit untersucht werden, was auch tatsächlich geschehen ist. Im übrigen erscheint es auch aus sachlichen Gründen gerechtfertigt, dem Ladebeteiligten die Beweislast für eine Ladeuntüchtigkeit des Schiffes aufzubürden; denn er kennt - im Gegensatz zum Schiffer - die genauen physikalischen und chemischen Eigenschaften der Ladung und kann daher besser beurteilen, welche Anforderungen an den Laderaum zu stellen sind.
Der Senat stimmt mit dem Schiffahrtsgericht auch hinsichtlich der von diesem vorgenommenen Beweiswürdigung überein. Der einzige völlig unbeteiligte Zeuge, der das Schiff im Auftrag der Empfängerin kontrolliert hat, hat es seinen Angaben zufolge für geeignet gehalten, die Ladung Quarzsand aufzunehmen ... Jedenfalls ist nicht bewiesen, daß das Schiff noch nach dieser nächtlichen Reinigung ladungsuntauglich gewesen wäre. Zur Durchführung einer weiteren Beweisaufnahme sieht der Senat keine Veranlassung. Insbesondere bedarf es nicht der Einholung des von der Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens, da sich der damalige Zustand der Laderäume von MS „L" durch ein Sachverständigengutachten jetzt nicht mehr aufklären läßt. Nach alledem ist die Beklagte hinsichtlich der behaupteten Ladungsuntüchtigkeit des Schiffes beweisfällig geblieben.
Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt der Anspruch auf Fehlfracht die Einhaltung der Wartezeit gemäß §§ 33, 34 BSchG nicht voraus, da sie in § 11 Abs. 2 der Transportbedingungen der Klägerin zulässigerweise abbedungen worden ist (vgl. Vortisch/Bemm, BSchG § 34 Rn. 12). Die genannten Transportbedingungen sind in den Rahmenfrachtvertrag zwischen der Firma S und der Beklagten durch den Aufdruck S. 1 unten der Vertragsurkunde wirksam einbezogen worden. Ein Widerspruch zwischen den Transportbedingungen der Klägerin und den Bedingungen des Rahmenfrachtvertrages besteht nicht, da letztere keine Vereinbarungen über Fehlfrachtansprüche enthalten. Im kaufmännischen Verkehr setzt die Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht voraus, daß diese dem für den Vertragsschluß maßgeblichen Schreiben beigefügt waren. Kaufleuten ist es zuzumuten, ihnen unbekannte allgemeine Geschäftsbedingungen selbst anzufordern (vgl. Wolf/Horn/Lindacher, AGB Gesetz, 3. Auflage § 2 Rn. 68; Palandt/ Heinrichs AGB-Gesetz § 2 Rn. 23 und 26; BGH NJW 82, 1749). Der Beklagten wäre es auch nicht unzumutbar gewesen, sich entsprechend zu informieren. Die Vertragsbeziehungen zwischen der Firma S und der Beklagten bestanden schon seit vielen Jahren. Es kann davon ausgegangen werden, daß die Firma S immer wieder dieselben Unterfrachtführer eingesetzt hat. Zudem werden in der Binnenschiffahrt im wesentlichen inhaltsgleiche Transportbedingungen verwendet. Dies gilt insbesondere auch für die unter § 11 der Transportbedingungen der Klägerin getroffene Regelung (vgl. Vortisch/Bemm BSchG § 34 Rn. 12, wonach die Höhe der Fehlfracht meist mit der Hälfte der bedungenen Fracht vereinbart wird und es der Einhaltung einer Wartezeit nicht bedarf). Im übrigen ist bei der hier anzunehmenden Branchenüblichkeit von einer konkludenten Einbeziehung der Transportbedingungen auszugehen (vgl. Wolf/ Horn,/Lindacher AGB-Gesetz § 2 Rn. 64).
Die Beklagte kann der Klägerin im vorliegenden Fall ohnehin nicht entgegen halten, daß diese das Schiff vor Ablauf der Wartezeit von der Ladestelle abgezogen hat, weil sie selbst zuvor die Beladung ausdrücklich und endgültig abgelehnt hatte.
Die Höhe der Fehlfracht beläuft sich gemäß § 11 Abs. 1 der Transportbedingungen der Klägerin auf die Hälfte der für die vereinbarte Ladung ausbedungenen Fracht. Insoweit ist der eingeklagte Betrag von 11.212,50 DM unstreitig...."