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3 U 68/95 - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 19.01.1996
Aktenzeichen: 3 U 68/95
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Bemerkt ein Bergfahrer in einer Entfernung von etwa 100 m den Kollisionskurs mit einem Talfahrer und schaltet er den Bordscheinwerfer ein, ist die Unterlassung des Schallsignals (§ 4.02 RheinSchPV/Anlage 6, „Gefahr eines Zusammenstoßes") nicht als unfallursächlich anzusehen, wenn das Schallsignal nicht zu einer den Zusammenstoß vermeidenden Reaktion hätte veranlassen können.

Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschiffahrtsobergerichts) Köln

vom 19.1.1996

3 U 68/95

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

MTS T, das im Eigentum des Schiffers M steht und von dem Zeugen B geführt wurde, befand sich unbeladen auf der Talfahrt, und zwar auf der rechtsrheinischen Seite der Fahrrinne, als ihm bei Rhein-km 795 das dem Beklagten gehörende und von ihm auf der linksrheinischen Seite der Fahrrinne gesteuerte MS E entgegen kam. Es war „glockenhelles" Wetter mit einer der im August gegen 22.00 Uhr bestehenden Dunkelheit entsprechenden guten Sicht. Beide Schiffe fuhren zunächst in einem klaren Kurs, der eine problemlose Begegnung backbord an Backbord in ausreichendem Seitenabstand ermöglicht hätte. Als die Schiffe noch etwa 100 bis 160 m voneinander entfernt waren, wechselte eines von ihnen den Kurs und es kam zur Kollision. Dabei erlitt MTS T einen Schaden an der zur Steuerbordseite gedrückten Bugspitze, während bei MS E der Schaden am Backbordvorschiff entstand.

Schiffseigner M hat seine Schadensersatzansprüche an die Klägerin, Versicherer des MTS T, abgetreten. Sie hat behauptet, der Beklagte habe die Kollision dadurch verursacht, daß er plötzlich und unerwartet den Kurs gewechselt und in den des weiterhin die rechtsrheinische Seite der Fahrrinne beibehaltenden MTS T gefahren sei. Zudem sei auf MS E gleichzeitig ein greller Scheinwerfer aufgeleuchtet. Der dadurch geblendete Schiffsführer B habe unter Beibehaltung des Kurses die Maschine zurückgesteuert.

Der Beklagte hat behauptet, bei einer Entfernung von etwa 100 m habe MTS T hart nach Backbord gehalten. Er habe seine Maschine gestoppt und versucht, so weit dies möglich gewesen sei, nach Steuerbord auszuweichen. Um den Talfahrer auf sich aufmerksam zu machen, habe er den auf das Lukendach und das Vorschiff gerichteten Bordscheinwerfer eingeschaltet, von dem für MTS T keine Blendwirkung ausgegangen sei.

Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Unfall sei, wie sich insbesondere aus dem Schadensbild an beiden Schiffen ergebe, durch den Schiffsführer B von MS T verursacht worden. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

„...Der neue Klägervortrag, MS E sei mit Backbordkurs in den Kurs von MTS T geraten, wäre zwar geeignet, die Klägerdarstellung über eine rechtsrheinische Kollision in Einklang zu bringen mit den Schadensbildern der Schiffe, die, wie das Rheinschiffahrtsgericht bereits ausgeführt hat, nur eine bestimmte Winkelstellung der Schiffe zulassen.

Jedoch entbehrt die erst im Berufungsverfahren aufgestellte Behauptung jeglicher tatsächlichen Grundlage. Keiner der Beteiligten hat bei der Vernehmung im Verklarungsverfahren oder vor der Wasserschutzpolizei etwas derartiges behauptet.

Für den jetzt behaupteten „Zickzackkurs" von MS E gibt es insbesondere keinerlei Anhaltspunkte aus der eigenen Aussage des Schiffsführers B. Ein derartiger Kurs stünde sogar im Widerspruch zu dessen Aussage, denn bis zu der angeblichen Blendung durch den Scheinwerfer bei einer Entfernung von „zwei Schiffslängen" soll MS E ja mit gestecktem, für eine Backbord an Backbord Begegnung unproblematischen Kurs gefahren sein. Damit unvereinbar ist, daß MS E dann in der relativ kurzen räumlichen und zeitlichen Distanz noch den Kurs von MTS T gekreuzt und dann wieder beim „Rückkreuzen" mit MTS T kollidiert sein soll.

Daß M S E schon geraume Zeit rechtsrheinisch in Kollisionskurs zu MTS T fuhr, kann nicht angenommen werden, da dies zum einen von der Klägerin so nicht vorgetragen worden ist und auch mit den Angaben des Schiffsführers B nicht übereinstimmen würde, bis zum Blenden sei MS E mit gestrecktem, für eine Backbord an Backbord Begegnung unproblematischen Kurs gefahren.

Auch was die Klägerseite sonst noch ins Feld führt, um eine rechtsrheinische Kollision zu belegen, vermag nicht zu überzeugen.

Der Umstand, daß MTS T nach der Kollision über Backbord im Strom gewendet hat, besagt nichts über den Kollisionsort. MTS T löste sich nach der Kollision Richtung Steuerbord von MS E.
Dadurch gelangte MTS T zwangsläufig wieder auf die andere, rechtsrheinische Flußseite und konnte dann das besagte Manöver durchführen.

Bezeichnenderweise hat auch der Schiffseigner M, der das Ruder kurz nach dem Zusammenstoß übernommen hatte, im Verklarungsverfahren keineswegs angegeben, die Kollision habe sich rechtsrheinisch ereignet.

Vielmehr sprechen die von ihm gewählten Formulierungen („Daraus, daß ich über Backbord anschließend gedreht habe, schließe ich, daß ich über die Strommitte hinaus war, ...") eher für einen linksrheinischen Kollisionsort, denn die Darstellung „über die Strommitte hinaus" setzt ja voraus, daß man vorher auf der anderen Seite der Strommitte war.

Was den Vorwurf angeht, der Schiffsführer B sei geblendet worden, könnte sich hieraus zwar die Schlußfolgerung ergeben, deshalb sei dieser aus dem Kurs geraten. Diese Überlegung bleibt jedoch theoretischer Natur und bedarf keiner weiteren Erörterung, weil eine Unfallursächlichkeit durch Blenden ausscheidet, da die Klägerseite betont, der Schiffsführer B habe seinen Kurs stets beibehalten.

Nicht unfallursächlich auf den Unfall hat sich auch der Umstand ausgewirkt, daß die Schiffsführung von MS E kein Schallsignal (4.02 RhSchPolVO/Anlage 6, „Gefahr eines Zusammenstoßes") gegeben hat.

Es ist schon wenig wahrscheinlich, daß der Beklagte, als er - seinen Angaben zufolge -in einer Entfernung von etwa 100 m den Kollisionskurs bemerkte und den Bordscheinwerfer einschaltete, den Schiffsführer B vom MTS T durch ein Schallsignal noch zu einer den Zusammenstoß vermeidenden Reaktion hätte veranlassen können.

Zum einen ergibt sich bei einer Entfernung von 100 m beziehungsweise 160 m (folgt man den Angaben des Schiffsführers B von etwa zwei Schiffslängen) und einer Annäherungsgeschwindigkeit von 35 km/h (MTS T 22 - 23 km/h, MS „Elunda" 12 km/h) eine zur Verfügung stehende Reaktionszeit von ca. 10 bzw. 16 Sekunden, die zu kurz erscheint für ein Ausweichmanöver, mit dem MTS T die Kollision hätte vermeiden können.

Zum anderen kann ein Schallsignal nur dann von Bedeutung sein, wenn es auch gehört wird. Der Senat hegt aufgrund anläßlich einer Bereisung durchgeführter Versuche mit Schallsignalen, die ergeben haben, daß bei klarem Wetter und geöffnetem Fenster Schallsignale auf eine Entfernung von 400 m nicht vernommen werden konnten, grundsätzliche Zweifel an der Verläßlichkeit von Schallsignalen (vgl. 3 U 179/94 OLG Köln).

Ob ein Schallsignal von Schiffsführer B hätte vernommen werden können, bedarf jedoch keiner weiteren Untersuchung. Der Umstand, daß der Schiffsführer B trotz der Warnung durch das Anschalten des Scheinwerfers auf MS E keine erfolgreiche Ausweichreaktion vorgenommen hat, läßt nämlich den Schluß zu, daß er bei einem Schallsignal gleichfalls nicht mehr reagiert hätte.

Daß der Schiffsführer B durch den Scheinwerfer geblendet worden sein will, hält der Senat für eine Schutzbehauptung, mit der das eigene Fehlverhalten entschuldigt werden soll. Dafür spricht bereits, daß der Schiffseigner M, der unmittelbar nach dem Zusammenstoß das Ruder von dem Schiffsführer B übernommen hat, selber keine Blendwirkung bemerkt hat.

Zudem gibt es keine verläßlichen Anhaltspunkte dafür, daß auf MS E zum Unfallzeitpunkt - sieht man von Positionslichtern ab - neben dem auf dem hinteren Teil des Steuerhauses montierten, nur relativ schwachen 24 Volt-Scheinwerfer, von dem, wie der Vorderrichter überprüft hat, eine Blendwirkung nicht ausgeht, weitere Scheinwerfer vorhanden waren. Daß bei der Besichtigung durch das Gericht weitere stärkere Scheinwerfer vorgefunden worden sind, bedeutet nicht, daß zum Unfallzeitpunkt diese bereits vorhanden waren. Der Beklagte hat seinen Vortrag, diese seien später angebracht worden, durch entsprechende Rechnungen belegen können, die alle zeitlich nach dem Unfalldatum liegen...."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1999 - Nr.7 (Sammlung Seite 1746 f.); ZfB 1999, 1746 f.