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3 U 60/99 BSch - Oberlandesgericht (Schiffahrtsgericht)
Entscheidungsdatum: 14.01.2000
Aktenzeichen: 3 U 60/99 BSch
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Schiffahrtsgericht

Urteil des Oberlandesgerichts – Schiffahrtsgericht – Köln

vom 14.01.2000

– 3 U 60/99 BSch –

Entscheidungsgründe:

Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Schifffahrtsgericht hat die Klage zu Recht dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Schifffahrtsgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
Der Senat teilt insbesondere die Auffassung des Schifffahrtsgerichts, dass der Schleusenbeamte die Schleusung nicht hätte einleiten dürfen, ohne sich zuvor darüber zu vergewissern, dass die Zeugin Schwankt an Bord der Motorjacht blieb und bereit und in der Lage war, die Festmachung zu bedienen.

Allerdings hat der BGH ausgesprochen, dass sich beim Durchschleusen von Schiffen im Neckarfahrwasser das Schleusenpersonal darauf verlassen können muss, dass die Schilffsbesatzung ihre Pflichten erfüllt. Die mit der Bedienung der Schleuse Beauftragten brauchten nicht zu überprüfen, ob während der Durchfahrt durch die Schleuse die Deckmannschaft vollzählig an Bord sei und ob die zum Festlegen des Schiffes benutzten Trossen ordnungsgemäß gefiert und eingeholt würden (vgl. BGH VersR 63, 472 ff.). Entgegen der Auffassung der Beklagten passt diese Entscheidung aber auf den vorliegenden Fall nicht. Sie betrifft die besonders stark in Anspruch genommenen Neckarschleusen. Für den Neckar gilt die Binnenschifffahrtsstraßenordnung, die unter § 6.28 Ziff. 8 weitergehende Anforderungen an den Schiffsführer stellt als § 6.28 Ziff. 7 b Moselschifffahrtspolizeiverordnung. Zudem betrifft das Urteil des BGH die Berufsschifffahrt. Hier aber war die Besonderheit gegeben, dass ein Sportboot eine gebührenpflichtige Einzelschleusung benötigte. Der Zeuge M4 hatte den Kläger persönlich’ zum Schleusengebäude zwecks Bezahlung der Gebühr bestellt. Allein aus dem Umstand, dass er eine weitere erwachsene Person an Bord gesehen hatte, durfte er nicht schließen, dass diese willens und in der Lage sei, die Taue zu fieren. Während in der Berufsschifffahrt davon ausgegangen werden kann, dass die Schiffsbesatzung aus sachkundigem Personal besteht, kann dies für die Freizeitschifffahrt nicht ohne weiteres angenommen werden. Bei einem Sportboot ist häufig der Schiffsführer der einzige, der einen Bootsführerschein besitzt und die Taue bedienen kann; andere an Bord befindliche Personen können Angehörige und Gäste sein, die nicht über die entsprechenden Kenntnisse verfügen. Der Zeuge M der den Kläger per Funk zwecks Bezahlung der Gebühr zum Schleusengebäude bestellt hatte, hätte daher, wenn er denn die Schleusung noch vor Rückkehr des Klägers zu seiner Yacht einleiten wollte, mit diesem abklären müssen, ob die weitere Person, die er an Bord gesehen hatte,in der Lage war, die Taue zu fieren und das Boot aus der Schleusenkammer herauszufahren und außerhalb anzulegen, um dem Kläger ein Wiedereinsteigen zu ermöglichen. Der Zeuge M konnte ohne eine solche Klärung insbesondere nicht erwarten, dass der Kläger nach dem Bezahlen der Gebühr die gefährliche glitschige Schleusenkammerleiter (vgl. die Lichtbilder) hinabstieg, um wieder zu seinem Boot zu gelangen, zumal dieses offenbar nicht im Bereich der Leiter festgemacht war. Die Zeugin S hat diese ihren Bekundungen zufolge dort nicht gesehen. Sie musste, um ihr das Verlassen des an den Leinen hängenden Bootes zu ermöglichen, von dem Kläger unter den Armen gepackt und auf die Mauer gezogen werden. Diese Maßnahme wäre nicht nötig gewesen, wenn die Zeugin eine dort befindliche Leiter hätte benutzen können. Entsprechendes gilt für den Kläger, der nach seiner Darstellung nach dem Abstoppen des Schleusenvorgangs von der Mauerkrone aus auf. das Achterschiff gesprungen ist. Auf die Frage, ob es üblich sei, über die Leiter wieder auf das zu Tal geschleuste Boot zu gelangen, hat der Zeuge M bezeichnenderweise ausweichend geantwortet, sie seien gehalten, für die Berufsschifffahrt keine Wartezeiten entstehen zu lassen; seinerzeit sei die Bergfahrt noch etwa 1000 m von der Schleuse entfernt gewesen. Bei dieser Sachlage war aber genügend Zeit dafür vorhanden, dass der Kläger nach der Bezahlung der Gebühr wieder an Bord ging und erst dann mit der Schleusung begonnen wurde. Hierauf. konnte der Kläger auch vertrauen.
Dem Zeugen M war es zudem völlig entgangen, dass die Zeugin Schäme bei Einleitung des Schleusenvorgangs das Boot verlassen hatte, um Müll zum Mülleimer zu bringen.

Nach alledem hat der Schleusenbeamte M schuldhaft gegen § 21 Nr. 4 Satz 2 der Verwaltungsvorschrift der WSV ffA den Schleusenbetrieb verstoßen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten braucht sich der Kläger ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB nicht anrechnen zu lassen. Ein Verstoß gegen § 6.28 oder § 1.04 Moselschifffahrtspolizeiverordnung ist nicht zu erkennen. Da er nicht damit zu rechnen brauchte, dass der Schleusenbeamte die Schleusung einleiten werde, nachdem er das Boot verlassen hatte, war er auch nicht gehalten, dafür Sorge zu tragen, dass seine Ehefrau zum Fieren der Taue an Bord blieb; ebenso wenig bestand für ihn Veranlassung, selbst an Bord zu bleiben und seine Ehefrau zur Bezahlung der Gebühr zum Schleusengebäude zu schicken. Des weiteren kann dem Kläger nicht angelastet werden, dass die Leinen nach der Rückkehr der Zeugin S auf das Boot nicht mehr gefiert werden konnten; denn dieser Umstand beruht nicht auf einem Bedienungsfehler der Zeugin, sondern darauf, dass die Taue durch die Absenkung des Wasserspiegels bereits rack geworden waren.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer der Beklagten: 4.337,52 DM.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2000 - Nr. 5 (Sammlung Seite 1784 f.); ZfB 2000, 1784 f.