Rechtsprechungsdatenbank
Leitsatz:
Empfänger einer Ladung ist nicht derjenige, an den das Gut tatsächlich ausgeliefert wird, sondern der sog. Sollempfänger, der vom Absender bestimmt wird. Er haftet nach § 26 BinSchG i.V. m. §§ 435, 436 HGB und § 56 BinSchG i.V.m. §§ 242, 249, 278 BGB für einen bei der Löschung an dem Schiff entstandenen Schaden.
Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Köln
vom 14.11.1997
3 U 56/96 B Sch
(Schiffahrtsgericht St. Goar)
Zum Tatbestand:
Der Kläger ist Mieter und Schiffsführer von MS „B". Er transportierte mit dem Schiff in dem Zeitraum vom 11. August bis 25. November 1994 im Rahmen des Main ausbaus angefallenes Baggergut. Auftraggeber des Klägers war die Streithelferin zu 1), die ihrerseits im Auftrag der Streithelfer zu 2) und 3) tätig war. Die Beklagte verpflichtete sich durch Vertrag vorn 28.06./17.07.1993 in dem Verhältnis zu den Streithelfern zu 2) und 3), das Baggergut mit ihren Geräten zu entladen. Ein weiterer Vertrag in Bezug auf den Ausbau der Fahrrinne wurde zwischen der Beklagten und der Bundesrepublik Deutschland geschlossen.
MS „B" wurde in dem vorbezeichneten Zeitraum sowohl an den Umschlagstellen der Beklagten in B mit Gerät der Beklagten als auch an der Umschlagstelle der Beklagten in F mit einem Bagger der Streithelferin zu 2) gelöscht.
Der Kläger hat behauptet, das Schiff habe vor dem Transport des Baggergutes keinerlei Beschädigungen aufgewiesen. Es sei vor dem Einsatz am Main in einer Werft von einem Dreiraumschiff in ein Einraumschiff umgebaut worden. Danach sei es nur zu 3 Reisen ausgesandt worden, ohne daß hierbei die Strau beschädigt worden sei. Diese sei vielmehr bei dem Einsatz im Rahmen des Mainausbaus schadhaft geworden. MS „B" sei überwiegend mit Fels beladen worden.
Beim Löschen des Ladegutes an der Ladestelle der Beklagten in B habe der von dem Mitarbeiter der Beklagten geführte Bagger des öfteren den Greifer hart abgesetzt und dadurch Einbeulungen in der Strau verursacht. Die Schäden habe der Kläger erst nach der Endreinigung des Schiffes feststellen können; zuvor seien sie von Ladegut bedeckt gewesen.
Der sodann von ihm beauftragte Sachverständige F habe frische Einbeulungen und deutliche Abreibespuren festgestellt. Auch andere zum Transport des Baggermaterials eingesetzte Schiffe hätten Schäden erlitten.
Das Schiffahrtsgericht hat die Schadensersatzklage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Es hat die Voraussetzungen einer vertraglichen und deliktischen Haftung der Beklagten angenommen. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Beklagten liegen vor. Der Kläger ist als Ausrüster im Sinne des § 2 Binnenschiffahrtsgesetz aktivlegitimiert. Er hat MS „B" von der D gemietet und ist nach § 6 des Mietvertrages verpflichtet, die Mietsache auf seine Kosten instandzuhalten und reparieren zu lassen. Unstreitig führt er das Schiff selbst und hat im eigenen Namen mit der Streithelferin zu 1) einen Frachtvertrag abgeschlossen. Damit nutzt der Kläger das Schiff als selbständiger Unternehmer.
Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte findet seinen rechtlichen Grund in § 26 Binnenschiffahrtsgesetz in Verbindung mit §§ 435, 346 HGB und § 56 Binnenschiffahrtsgesetz in Verbindung mit § § 242, 249, 278 BGB. Anerkanntermaßen haftet der Empfänger der Ladung für einen bei der Löschung an dem Schiff entstandenen Schaden (Vortisch-Bemm, Binnenschiffahrtsrecht, 4. Auflage, § 56 Rz. 9).
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist sie und nicht die Streithelfer zu 2) oder 3) als Empfängerin des Baggergutes anzusehen. Empfänger der Ladung ist nicht derjenige, an den das Gut tatsächlich ausgeliefert wird, sondern der sogenannte Sollempfänger, der vom Absender bestimmt wird (Goette, Binnen-schiffahrtsfrachtrecht, § 46 Rz. 5 m.w.N.).
Die Empfängereigenschaft der Beklagten folgt aus dem von ihr und der Firma Sch mit der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Vertrag vom 21.04.1992. Darin haben sich die Beklagte und die Firma Sch verpflichtet, das bei dem Ausbau der Fahrrinne anfallende Baggermaterial abzunehmen. Die Beklagte und die Firma Sch waren befugt, das Baggermaterial als Wirtschaftsgut weiterzuverwenden. Sie stellten hierfür Lagerflächen zur Verfügung und erhielten für die Abnahme des Baggergutes ein Entgelt.
Der von der Beklagten mit den Streithelfern zu 2) und 3) geschlossene Vertrag ist für die Beantwortung der Frage, wer als Empfänger anzusehen ist, unergiebig. In ihm sind lediglich die Modalitäten des Umschlags geregelt. Der von der Beklagten mit der Bundesrepublik Deutschland geschlossene Vertrag wurde tatsächlich den Regelungen entsprechend durchgeführt. Der Zeuge St hat dazu bekundet, das Material sei wiederverwendet oder auf in dem Eigentum der Beklagten stehende Lager genommen worden.
Die Streithelfer zu 2) und 3) hätten auf die Verwertung des Baggergutes keinen Einfluß gehabt. Angesichts dieser klaren vertraglichen Regelung ist die Behauptung der Beklagten in der Berufungsbegründung, die von dem Zeugen St gerade nicht bestätigt worden ist, das Baggergut sei von ihr nur umzuschlagen gewesen, ins Blaue hinein aufgestellt, widersprüchlich und damit unschlüssig....
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senates fest, daß die Strau von MS „B" bei dem Löschen durch die Beklagte beschädigt worden ist. Das Schiff wies vor dem 10.08.1994 keine Beschädigungen der Strau, wie sie hier in Rede stehen, auf. Der Zeuge T hat das Schiff, das zu diesem Zeitpunkt auf Helling lag, am 01.07.1994 überprüft. Er vermochte an dem Schiffsboden keine nennenswerten Schäden festzustellen.
Die Aussage des Zeugen deckt sich mit dem Attest der SUK Magdeburg vom 07.07.1994.
In dem Mängelbericht finden Schäden am Boden des Laderaums keine Erwähnung. Den Bekundungen des sachverständigen Zeugen F zufolge wäre das Attest nicht erteilt worden, wenn derart gravierende Beschädigungen am Boden des Laderaums bereits seinerzeit vorhanden gewesen wären. Nach dem Werftaufenthalt ist das Schiff nur zu 3 Reisen ausgesandt worden.... Der Zeuge M.... hat ausgesagt, daß während dieser Reisen keine Schadensmeldungen erfolgt seien. Auch die.... Bekundung der Zeugin H, wonach beim Löschen der Felsladungen der Bagger mehrfach abgerutscht und auf die Strau gelangt ist, ist glaubhaft. Sie wird durch Indiztatsachen belegt. Auch an dem Schiff des Zeugen D sind.... durch das Löschen Schäden entstanden.
Gleiches gilt für das Schiff des Zeugen M. Der Zeuge hat anschaulich geschildert, daß der Greifer des Baggers mit einer solchen Wucht in den Laderaum fiel, daß der Kaffee aus der Tasse schwappte, und auch MS „S" unmittelbar danach Löcher im Boden des Laderaums aufwies. Die Strau von MS „B" und MS „K" wurden ebenfalls bei den Entladevorgängen beschädigt...
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht schließlich fest, daß die vom Kläger geltend gemachten Schäden an der Strau seines Schiffes an der Entladestelle der Beklagten in B und nicht durch die Streithelferin zu 2) verursacht worden sind. Keiner der vom Schiffahrtsgericht vernommenen Zeugen hat bekundet, daß es beim Löschen an der Entladestelle in F zu Schwierigkeiten gekommen ist. Es steht vielmehr zur Überzeugung des Senates fest, daß in B entgegen der vertraglichen Vereinbarung zwischen der Beklagten und den Streithelfern zu 2) und 3) nicht nur Sandkiesgemisch, sondern in großem Umfang auch Fels gelöscht worden ist.
Der Zeuge St hat bekundet, daß die Anweisung zur Art des Baggermaterials dahin aufgelockert worden sei, daß in B auch Fels entladen werden durfte. Nach den Bekundungen des Zeugen R hat der Kläger viel Fels transportiert, der von dem über 7 Tonnen schweren Greifer des Baggers der Beklagten gelöscht wurde....
Die Beklagte hat schuldhaft gehandelt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht fest, daß die Baggerführer die ihnen obliegende Sorgfalt stets haben walten lassen. Dies folgt aus den Aussagen der Zeugen......., wonach der Greifer des Baggers des öfteren hart aufgesetzt hat....
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1998 - Nr.8 (Sammlung Seite 1685 f.); ZfB 1998, 1685 f.