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3 U 35/85 - Oberlandesgericht (Moselschiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 24.05.1985
Aktenzeichen: 3 U 35/85
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Moselschiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Zu den Voraussetzungen einer ungefährdeten Vorbeifahrt eines Binnenschiffes an einem im Vorkanal einer Schleuse gerade festmachenden, aber noch nicht an Kopf und Achterschiff am Dalben befestigten Schiff.

Urteil des Oberlandesgerichts - Moselschiffahrtsobergericht in Köln

vom 24. Mai 1985

3 U 35/85

(Moselschiffahrtsgericht St. Goar)


Zum Tatbestand:

Nach Übernachtung bei Piesport war das dem Beklagten zu 1 gehörende, vom Beklagten zu 2 geführte MS C Ende Januar 1983 gegen 6.45 Uhr moselabwärts weitergefahren, gefolgt von dem der Klägerin gehörenden MTS R. Vor der Einfahrt in die Schleuse Wintrich hatten sich die Schiffsführer beider Schiffe über Funk verständigt, daß MS C im Vorkanal der Schleuse anhalten und an ihm MTS R vorbeifahren sollte. Als MS „Carl Claussen" mit dem Kopf an dem Dalben festgemacht hatte, stieß MTS R gegen sein Heck. An beiden Fahrzeugen entstanden Schäden. Die Klägerin verlangt Ersatz ihres Schadens von ca. 21500,- DM mit der Behauptung, bei der Annäherung ihres Schiffes sei MS C plötzlich mit dem Heck nach Steuerbord abgegangen, so daß es in eine starke Schräglage und in den Kurs des Tankers geraten sei.
Die Beklagten behaupten, daß MTS R, als MS C bereits mit dem Kopf voll am Dalben gelegen habe, mit seinem Vorschiff Backbordseite in das Achterschiff Steuerbordseite des Stilliegers gelaufen sei, ehe dessen Hinterschiff habe beigefahren werden können. Das Moselschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Moselschiffahrtsobergericht hat die Berufung zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

„...Nach dem Ergebnis der vor dem Moselschiffahrtsgericht durchgeführten Beweisaufnahme und den Ausführungen in der Berufungsbegründung muß davon ausgegangen werden, daß die beteiligten Schiffsführer über Kanal 10 abgesprochen hatten, daß MS C im Vorkanal der Schleuse anhalten und MTS R vorbeifahren und als erstes Schiff in die offene Schleuse hineinfahren lassen wollte. Sollte aber das Motortankschiff vorfahren, mußte man zur Vermeidung gegenseitiger Gefährdungen warten, bis MS C stillag. Dazu genügte weder, daß man die Fahrt aus dem Schiff genommen, noch den Kopf des Fahrzeugs an einem Dalben befestigt hatte. MS C mußte vielmehr in geeigneter Weise an den im Vorhafen stehenden Dalben so sicher befestigt werden, daß das Fahrzeug bei der in Schleusenvorhäfen ohnehin nur geringen Geschwindigkeit anderer Fahrzeuge nicht schwoien konnte. Das Fahrzeug mußte also am Kopf und am Achterschiff befestigt sein, ehe man das in dem recht engen Vorhafen riskante Manöver einer Vorbeifahrt unternehmen durfte. Wie die Besatzungsmitglieder des MS C übereinstimmend angegeben haben und im übrigen aus dem Verfallen des Achterschiffs folgt, bestand nur eine Befestigung am Kopf dieses Schiffes, nicht aber zusätzlich mittschiffs oder am Achterschiff. Mithin war das Schiff noch nicht genügend befestigt und lag daher noch nicht still. MTS R hätte deshalb noch nicht vorbeifahren dürfen. Die Fahrweise des MS C ist nach der Überzeugung des Senats nicht zu beanstanden. Dieses Schiff konnte oder brauchte nicht sofort gestreckt an den Dalben zu kommen. Man konnte durchaus mit dem Kopf, wenn auch vorsichtig an dem Dalben ankommen, was der Zeuge H. von MTS R auch akustisch wahrgenommen hat. Aus einer leichten Schräglage nach Backbord konnte das Motorschiff durch entsprechende Ruderlegung und Maschineneinsatz das Achterschiff beifahren. Danach mußte das Achterschiff befestigt werden. Näherte sich bis zu dieser Zeit bereits das Motortankschiff, das dazu noch seine Maschinenkraft verstärkte, um Fahrt in das Schiff zu bekommen, mußte die vorauslaufende Bugwelle und das von dem Schiff geschobene Wasser, wie dem Senat aus eigenen Erfahrungen bekannt ist, und was mit den Parteien erörtert worden ist, Druck auf das noch nicht am Achterschiff befestigte C ausüben. Der Druck des Wassers zwischen der Vorhafenwand und dem etwas schräg liegenden Motorschiff mußte zu einem Drehmoment führen und die Steuerbordbewegung des Achterschiffs auslösen, wie das die erstinstanzlich vernommenen Zeugen auch beobachtet haben.

...

Der Unfall beruht auf einer Verletzung der nautischen Sorgfalt durch Schiffsführer R. vom MTS R, der nicht bedacht hat, daß sein Schiff einen unzulässigen Druck ausübte, solange nicht das andere Motorschiff, an dem er in dem engen Vorhafen vorbeifahren wollte, stillag und sicher befestigt war. Er hätte sich entweder überzeugen müssen, daß C ordnungsgemäß an Kopf und Achterschiff befestigt war, oder aber er hätte über Kanal 10 anfragen müssen, ob eine Vorbeifahrt ungefährdet für beide Fahrzeuge möglich sei.

...“.