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3 U 27/97 BSchMo - Oberlandesgericht (Moselschiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 29.09.1998
Aktenzeichen: 3 U 27/97 BSchMo
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Moselschiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Ein Schiffsführer, der nach Überschreiten der Hochwassermarke III wegen des gemäß § 10.02 Abs. 3 Mosel SchPVO bestehenden Verbots der Schiffahrt sein Schiff an der nächsten geeigneten Stelle festmachen muß, kann auf die generelle Eignung eines behördlich ausgewiesenen Liegeplatzes vertrauen. Wird das längsseitige Festmachen eines anderen Schiffs gestattet, ist dies nautisch richtig, schiffahrtsüblich und vertretbar, wenn sich daraus keine größere Gefährdung ergibt.

 

Urteil des Oberlandesgerichts (Moselschiffahrtsobergerichts) Köln

vom 29. September 1998

3 U 27/97 BSchMo

(Moselschiffahrtsgericht St. Goar)

Zum Tatbestand:

Der Beklagte fuhr am 19.12.1993 mit dem ihm gehörenden GMS P auf der Mosel zu Berg. Als er sich zwischen den Schleusen Wintrich und Detzem befand, wurde die Hochwassermarke III erreicht. Er suchte deshalb den Schiffsliegeplatz in Piesport auf, wo er sein Schiff ca. 100 - 150 m unter der dort über die Mosel führenden Brücke festmachte. Noch im Laufe des Tages legte sich das ebenfalls zu Berg fahrende GMS J bei GMS P auf Seite. Bis zum 22.12.1993 stieg das Hochwasser, gemessen am Unterpegel der Schleuse Detzem, bis auf 11,97 m an. Bereits bei 7,05 m war die Hochwassermarke III überschritten.
Infolge der starken Strömung gerieten die Motorschiffe ins Treiben, und sie wurden über die Uferbefestigung hinaus auf’s Land gedrückt. Dabei wurden die Ufermauer, ein Stahlgeländer sowie Bäume und Strahlerlampen beschädigt.
Das Schiffahrtsgericht hat der Schadensersatzklage der Klägerin, die Eigentümerin der Uferpromenade ist, stattgegeben. Die Berufung hatte Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Ein Verschulden des beklagten Schiffsführers kann nicht daraus hergeleitet werden, daß er an der streitgegenständlichen Stelle im Hang MS P befestigte. Nach dem Überschreiten der Hochwassermarke 111 am 19.12.1993 war nach § 10.02 Abs. 3 MoselSchPVO die Schiffahrt auf der Mosel verboten. Der Beklagte war daher verpflichtet, sein Schiff an der nächsten geeigneten Stelle festzumachen. Bei der von dem Beklagten gewählten Stelle handelt es sich um einen Liegeplatz mit an Land befindlichen Pollern, die generell eine sichere Befestigung zuließen. Weiterhin diente - wie der Sachverständige in seinem Gutachten nachvollziehbar ausgeführt hat - der linke Wasserpfeiler der etwa 110,0 m oberhalb der Liegestelle befindlichen Straßenbrücke Piesport als Energievernichter. Dadurch wurde die enorme Fließgeschwindigkeit der Mosel erheblich vermindert, so daß die beiden unterhalb liegenden Fahrzeuge nicht direkt in der im Prallhang auftretenden Strömung lagen, sondern sich teilweise in deren Neertmg befanden. Zudem war der Liegeplatz behördlich aus solcher ausgewiesen, so daß der Beklagte auf dessen generelle Eignung für die Schiffahrt vertrauen durfte.
Das von der Klägerin vorgeschlagene Halten des Schiffs im Fluß mit Motorkraft ohne eine Befestigung an Land wäre - wie der Sachverständige nachvollziehbar in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erläutert hat - bei der extremen Hochwassersituation viel gefährlicher gewesen.
Es kann somit dahingestellt bleiben, inwieweit am 19.12.1993 zwischen den Schleusen Wintrich und Detzem noch andere freie Liegeplätze zur Verfügung standen, und ob dem Beklagten durch den Zeugen B eine ausdrückliche Weisung erteilt worden war, den Liegeplatz auf der linken Moselseite in Piesport zu benutzen.
Dem Schiffsführer kann auch nicht eine fehlerhafte Befestigung des Schiffs an der betreffenden Stelle schuldhaft vorgeworfen werden. Aufgrund des insoweit mit der Berufung nicht angegriffenen Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme geht auch der Senat davon aus (§ 543 Abs. 1 ZPO), daß MS „Petra" an Bug und Heck mit jeweils zwei Drähten befestigt war und zusätzlich die beiden Buganker gesetzt hatte. Diese getroffenen Maßnahmen waren im vorliegenden Fall ausreichend.
Der Beklagte konnte durch weitere Maßnahmen insbesondere nicht verhindern, daß die beiden Anker unter Einfluß des gewachsenen Hochwassers durchgingen und so die Schiffe gegen Land gedrückt wurden. Eine mittschiffig ausgebrachte Befestigung hätte gegenüber den Festmachern vorn und hinten keine zusätzliche Stabilität gebracht. Beide Fahrzeuge wurden nicht durch die erhebliche Strömung der Mosel abgerissen, sondern sie wurden lediglich mit dem Vorschiff infolge grasender Anker beigedrückt. Ein zusätzlich gesetzter Heckanker hätte MS P gegen die von vorn kommende Strömung nicht sichern, sondern allenfalls das Achterschiff von der Böschung freihalten können. Zudem wäre hierdurch bei dem stilliegenden Fahrzeug die Gefahrensituation erhöht worden, da bei Hochwasser mit erhöhter Wahrscheinlichkeit eines Drahtbruches bzw. eines Ausbrechens eines Pollers bei aufgeweichtem Fundament zu rechnen ist.
Ebenfalls ist dem Beklagten auch eine schuldhafte Verletzung der im Verkehrs erforderlichen Sorgfalt nicht deswegen anzulasten, weil er ein längsseitiges Festmachen von MS J gestattete. Dieses Verhalten des Beklagten war nautisch richtig, schiffahrtsüblich und vertretbar. hierdurch ergab sich für MS P keine größere Gefährdung. Es ist zwar nicht auszuschließen, daß bei einer extremen Hochwassersituation sich durch das Längsseitsgehen von MS J bei MS P der seitliche Druck auf das an Land liegende Fahrzeug verstärkt hat; dieser Druck kann jedoch in der Regel durch die seitlich und voraus abstehenden Buganker aufgefangen werden.
Soweit dies vorliegend nicht der Fall war, ist dies dem Beklagten nicht als nautisches Verschulden vorzuwerfen, da er nicht damit rechnen mußte, daß die Schiffe durch eine in diesem Umfange nicht vorhersehbare Strömung gegen die Uferbefestigung gedrückt wurden. Soweit sich an dem Verband im stärkeren Maße Treibgut sammeln konnte, führte dies nur zu einem erhöhten Druck auf die Vorausbefestigung, nicht jedoch dazu, daß hierdurch die befestigten Schiffe gegen die Uferbefestigung gedrückt wurden.
Der Senat folgt insoweit in vollem Umfang den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen E Es bestand für den Senat keine Veranlassung, die gutachterlichen Feststellungen nicht zur Entscheidungsgrundlage zu machen. Die Begutachtung basiert auf der Akte des Amtsgerichts St. Goar und der anläßlich der bei der Ortsbesichtigung am 15.03.1996 gewonnenen Erkenntnisse. Insoweit stand dem Sachverständigen eine ausreichende Grundlage zur Beurteilung der Beweisfrage zu Verfügung.
Das Gutachten vom 26.03.1996 und die ergänzende Stellungnahme vom 08.12.1997 nehmen zu den Beweisfragen umfassend Stellung. Insgesamt sind sie aus sich heraus überzeugend und von Sachkunde getragen. Der Sachverständige hat anläßlich seiner mündlichen Anhörung durch den Senat die hiergegen von der Klägerin erhobenen Einwendungen überzeugend ausgeräumt.
Es bedarf nicht der nunmehr von der Klägerin in dem Termin vom 04.09.1998 beantragten Einholung eines Obergutachtens. Unabhängig von der Frage, ob dieser Antrag nicht als verspätet zurückzuweisen ist, liegen bereits nicht die Voraussetzungen für die Beauftragung eines weiteren Gutachters vor. Gemäß § 412 Abs. 1 ZPO kann das Gericht eine neue Begutachtung durch denselben oder einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet. Bereits an dieser Voraussetzung scheitert es. Es sind nach der sicheren Überzeugung des Senates keine Anhaltspunkte ersichtlich, daß dem Sachverständigen für die Erstellung der in sich geschlossenen und überzeugenden Gutachten die erforderliche Sachkunde fehlt. Zudem ist nicht dargetan, daß ein anderer Sachverständiger etwa über überlegene Erkenntnisquellen verfügen könnte...."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1999 - Nr. 5 (Sammlung Seite 1738 f.); ZfB 1999, 1738 f.