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Leitsatz:
§ 9.07 Nr. 2 RheinSchPVO schützt den Talfahrer. Es ist Sache des Bergfahrers, seine Fahrt so einzurichten, daß er unterhalb des Bettecks tatsächlich anhalten kann.
Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschiffahrtsobergericht) Köln
vom 27. Juli 1990
3 U 256/89
(Rheinschiffahrtsgericht St. Goar)
Zum Tatbestand:
Das der Klägerin gehörende MTS „A" näherte sich am 7.11.1987 gegen 19.00 Uhr leer zu Tal fahrend dem Betteck, als das dem Beklagten zu 1 gehörende und vom Beklagten zu 2 geführte MTS „D" unterhalb des Bettecks beladen zu Berg kam. Die Klägerin hat vorgetragen, die Führungen beider Schiffe hätten über Kanal 10 abgesprochen, daß der Bergfahrer bis zur Vorbeifahrt von MTS „A" unterhalb des Bettecks warten sollte. Gleichwohl sei MTS „D" - und dazu noch recht breit - um das Betteck herumgefahren, so daß der Talfahrer beim Ausweich- und Aufstreckmanöver aus dem Kurs geraten und infolgedessen nach der Begegnung rechtsrheinisch Grundberührung bekommen und sich Schäden an der Hauptruderanlage zugezogen habe. Die Beklagten haben behauptet, der Schiffsführer von MTS „D" habe vor der Begegnung nur erklärt, er wolle versuchen zu stoppen; dieser Versuch sei aber, da sich MTS „D" im Augenblick des Gesprächs nur noch 400 m vom Betteck entfernt befunden habe, wegen des Vorausgangs des Schiffes gescheitert; deshalb sei der Schiffsführer gezwungen gewesen, die Fahrt zu verstärken, um noch um das Betteck herumzukommen. Bei der Begegnung, die 100m oberhalb der Betteckkrümmung stattgefunden habe, habe der Talfahrer 100-120m Platz zur Durchfahrt gehabt. Die Beklagte bestreitet außerdem, daß MTS „A" die behaupteten Schäden im Zusammenhang mit der Begegnung erlitten habe. Zu der behaupteten Grundberührung - so sie sich überhaupt ereignet habe, - sei es nur gekommen, weil der Talfahrer im unbeladenen Zustand bei leergelaufener Düse keinen Ruderdruck mehr gehabt habe und deshalb manövrierunfähig gewesen sei.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
„.....Das Rheinschiffahrtsgericht geht zutreffend davon aus, daß die zur Nachtzeit erfolgte Begegnung zwischen MTS „D" und MTS „A“ sich im Verbotsbereich der Vorschrift des § 9.07 Nr. 2 RhSchPVO ereignet hat. Danach muß der Bergfahrer in der Zeit zwischen einer halben Stunde nach Sonnenuntergang und einer halben Stunde vor Sonnenaufgang seine Fahrt so einrichten, daß er Talfahrern beim Umfahren des Bettecks (km 553,60 bis 553,30) nicht begegnet; er muß, wenn sich die Begegnung nicht vermeiden läßt, unterhalb des Bettecks anhalten, bis der Talfahrer das Betteck umfahren hat. Diesen Bereich hatte MTS „D“ auch nach der Darstellung der eigenen Besatzung noch nicht verlassen, als die Begegnung mit dem Talfahrer stattfand . . . . Diese tat sächliche Feststellung des angefochteten Ur teils, wonach die Begegnung bei km 553,4 erfolgt ist, wird mit der Berufung auch nicht an gegriffen.
Der Senat hat mit dem Rheinschiffahrtsgericht auch keine Zweifel daran, daß MTS „A" in Gefolge dieser Begegnung gegen die rechtsrheinische Uferböschung geraten ist und sich Schäden an Schraube und Ruder zugezogen hat, weil infolge des unerwarteten Auftauchens von „D" zur Vermeidung einer Kollision ein Notmanöver durchgeführt werden mußte und nicht früh genug nach backbord gehalten werden konnte .. .
Der Darstellung der Besatzung von MTS „D" hingegen vermag der Senat nicht zu folgen, die dahin geht, daß man bei der Begegnung mit MTS „A" bereits wieder gestreckt ganz nahe dem linksrheinischen Ufer gefahren sei und dem Talfahrer genügend Platz zum erforderlichen Manövrieren gelassen habe, daß demzufolge die Begegnung auch gefahrlos verlaufen und insbesondere auch die Weiterfahrt des Talfahrers völlig problemlos auf normalem Kurs erfolgt sei .. .
Im übrigen hätten die Beklagten auch dann für den durch die Grundberühung entstandenen Schaden einzustehen, wenn der Begegnungsablauf nicht erklärt werden könnte. Da nämlich feststeht, daß sich die Begegnung im Verbotsbereich des § 9.07 Nr. 2 RhSchPVO ereignet hat und daß die rechtsrheinische Grundberührung im unmittelbaren zeitlichen Anschluß an die Begegnung stattgefunden hat, stünde das unfallursächliche Verschulden des beklagten Schiffsführers nach dem Beweis des ersten Anscheins fest. Die Norm untersagt nämlich gerade wegen der besonderen Gefährlichkeit die Begegnung zur Nachtzeit an der fraglichen Stelle. Läßt der Bergfahrer es gleichwohl zur Begegnung mit einem Talfahrer kommen und erfolgt im unmittelbaren Zusammenhang mit der Begegnung eine Grundberührung, dann spricht die Lebenserfahrung dafür, daß sich eben dieses Risiko, das durch das Verbot unter allen Umständen vermieden werden sollte, realisiert hat.
Daß der beklagte Schiffsführer auf die Durchsage des Talfahrers hin unterhalb des Bettecks rechtzeitig hätte anhalten können, kann gar nicht zweifelhaft sein. Wie der Zeuge „X" glaubhaft bekundet hat, hat sich MTS „D" auf den Anruf des Talfahrers als in Höhe der Loreley befindlich gemeldet. Es war seine Sache, daraufhin seine Fahrt so einzurichten, daß er unterhalb des Bettecks auch tatsächlich anhalten konnte.
Ein Mitverschulden der Besatzung von MTS „A" ist nicht bewiesen. Für einen Ruderschaden vor der Grundberührung finden sich keinerlei Anhaltspunkte. Daß ein leer zu Tal fahrendes Schiff in seiner Manövrierfähigkeit eingeschränkt ist, ergibt sich aus der Natur der Sache. Darauf hat Schiffsführer St. im übrigen auch noch ausdrücklich hingewiesen, als er für sich die freie Durchfahrt durch das Betteck forderte. Der Talfahrer ist gerade derjenige, der wegen der eingeschränkten Manövrierfähigkeit bei der Durchfahrt durch die objektiv gefährliche Stelle geschützt werden muß und der durch die Norm des § 9.07 RhSchPVO vermittels des Begegnungsverbots für Bergfahrer geschützt wird."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1991 - Nr.4 (Sammlung Seite 1310 f.); ZfB 1991, 1310 f.