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3 U 234/89 - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 21.02.1992
Aktenzeichen: 3 U 234/89
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Zu der Vorschrift der „geregelten Begegnung" und zur Fahrt mit Radar.

Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschiffahrtsobergerichts) Köln

vom 21.2.1992

3 U 234/89

(Rheinschiffahrtsgericht St. Goar)

Zum Tatbestand:

Die Klägerin ist Eigentümerin des MS D, das am 19.12.1985 auf dem Rhein bei Nierstein in der Bergfahrt mit dem zu Tal fahrenden MS L des Beklagten zu 1) kollidierte, dessen Schiffsführer der Beklagte zu 2) war.
Zur Unfallzeit herrschte Dunst und Nebel; auf beiden Schiffen waren die Radargeräte in Betrieb. Im Unfallbereich gilt die Vorschrift der geregelten Begegnung (§ 9.02 Nr. 1 RheinSchPVO).
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Schadensersatzklage dem Grunde nach zur Hälfte für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung beider Parteien hatte keinen Erfolg.

 

Aus den Entscheidungsgründen:

„...... Mit Recht hat das Rheinschiffahrtsgericht die Klage dem Grunde nach zur Hälfte für berechtigt erklärt. Denn der Schiffsunfall ist auf nautische Fehler beider Beteiligten zurückzuführen, die als gleich schwer zu bewerten sind.

1.) Der Beklagte zu 2) hat sich als Talfahrer im Kurs der Bergfahrt befunden. Er hat bei der Wasserschutzpolizei angegeben, er sei 50 bis 60 m aus dem linkshreinischen Ufer gefahren. Von dieser Angabe ist auszugehen, zumal sie von dem Zeugen Z. (Steuermann auf L) und B. (Steuermann auf MS „Zuidzee") bestätigt wird. In diesem Bereich der Fahrrinne, der einem Bergfahrer vorbehalten ist, durfte sich L als Talfahrer nicht aufhalten. Weniger bedeutsam ist es nach Auffassung des Senates dagegen, daß von der Besatzung des MS L niemand ein Radarpatent hatte. Denn der Beklagte zu 2) hatte immerhin jahrelange Radarerfahrung. Hinzu kommt aber folgendes: Wenn L auf falschem Kurs fuhr und dies mit Radar, dann mußte man reagieren, als sich D im Gegenverkehr näherte. Soweit die Beklagten geltend machen, L habe die Position über Kanal 10 durchgegeben, reicht das nicht aus; man hätte sich mit der Schiffsführung von D verständigen und den Kurs absprechen müssen. Falls das nicht gelang, mußte man die Fahrt einstellen. Diesen Anforderungen ist der Beklagte zu 2) nicht gerecht geworden. Stattdessen hat er zunächst langsam seine Fahrt im Fahrwasser des Gegenverkehrs fortgesetzt und ist erst zu einem späten Zeitpunkt nach Steuerbord ausgewichen. Das war falsch. Dagegen vermag der Senat entgegen der Darstellung der Klägerin nicht davon auszugehen, L sei vor der Kollision auf Grund geraten. Dafür gibt es keinerlei nachvollziehbare Anhaltspunkte.

2.) Auf der anderen Seite sind auch der Schiffsführung von D Fehler unterlaufen. D fuhr allerdings - unstreitig - in dem ihm zugewiesenen Bereich der Fahrrinne. Radar war eingeschaltet. Man hat auch L erkannt. Fehlerhaft war es aber, dieses Schiff als Stillieger anzusehen. Entweder hat sich L über Funk gemeldet, wie das die Beklagten behaupten; dann war alles klar. Oder L hat auf die Funkgespräche von D nicht geantwortet. Dann bestand eine unklare Situation. In einer solchen muß ein Schiffsführer grundsätzlich davon ausgehen, es mit einem in Fahrt befindlichen Schiff zu tun zu haben (Bemm-Kortendick, § 6.32 RheinSchPVO, Rdn. 18). Dann muss die Führung dieses Schiffes eine Gefahr besorgen und deshalb die Fahrt einstellen. Jedenfalls hätte das spätestens in dem Augenblick erfolgen müssen, als sich herausstellte, daß L in Wirklichkeit kein Stillieger, sondern ein langsamer Talfahrer war. Keinesfalls durfte man in diesem  Augenblick nach backbord, also in die gleiche Richtung gehen wie der Talfahrer, weil bei solchem Manöver die Gefahr einer Kollision noch vergrößert wurde.
Bei richtigem Verhalten des Zeugen M. wäre nach Auffassung des Senates der Unfall auch vermieden worden. D war Bergfahrer, zunächst mit 10 km/h unterwegs. Hätte man die Maschine des Schiffes auf „voll zurück" geschaltet, dann wäre das Schiff alsbald ständig geworden, zumal es die Strömung des Rheins gegen sich halt

3.) Mit Recht hat das Rheinschiffahrtsgericht die beiderseitigen Fehler als in etwa gleichwertig angesehen. Zwar ist primäre Unfallursache der falsche Kurs von L. Aber der Schiffsführung von D ist die falsche Auswertung des Radarbildes und dann die falsche Reaktion anzulasten. Das wiegt kaum weniger schwer als der vorerwähnte Umstand ..."


Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1993- Nr.8 (Sammlung Seite 1419); ZfB 1993, 1419