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Leitsatz:
Keine Verpflichtung der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung, Fehltiefen und Fehlbreiten zu kennzeichnen, wenn es sich über keine neue Gefahrenstelle handelt, auf die vielmehr schon in den jeweiligen amtlichen Bekanntmachungen regelmäßig hingewiesen wurde.
Urteil des Oberlandesgerichts in Köln
Rheinschifffahrtsobergericht vom 1. Juli 1988
3 U 22/88
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Am 1.3.1985 kam der Koppelverband der Klägerin, bestehend aus MS M (Tiefgang 2,60 m) und SL S (Tiefgang 2,70 m) auf der Bergfahrt in Höhe der Verladestelle der Streithelferin K. der Beklagten (etwa bei Rhein-km 668) fest. An MS M, das geleichtert werden mußte, entstanden Bodenschäden und sonstige, im einzelnen von der Klägerin spezifizierte Schäden. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, der Eigentümerin und verkehrssicherungspflichtigen Bundesrepublik, fast 60000,-- DM Schadensersatz mit der Behauptung, daß es sich bei der Unfallstelle um eine Untiefe handele, welche von der Beklagten pflichtwidrig nicht beseitigt und auch nicht - trotz früherer Festfahrungen an dieser Stelle - durch ein Wahrschaufloß gekennzeichnet gewesen sei. Die Beklagte vertritt die Auffassung, daß eine Pflicht zur Beseitigung von Fehltiefen nur im Bereich der eigentlichen Fahrrinne, nicht aber für den übrigen Bereich des Fahrwassers, bestehe. Die linke Fahrrinnengrenze verlaufe an der Unfallstelle in einer Entfernung von 170 m vom linksrheinischen Ufer. Dort bestehe zwar eine Fehlbreite bis zu 10 m, die ständig überprüft und auf die laufend in den Schiffahrtsnachrichten hingewiesen werde. Hier habe sich der Unfall auch nicht ereignet. Der Koppelverband der Klägerin müsse nur etwa 140 m und nicht, wie von ihr behauptet, 180 m auf dem linken Ufer festgekommen sein. Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung der Klägerin wurde vom Rheinschiffahrtsobergericht zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Beklagte ist als Eigentümerin des Rheinstroms aufgrund öffentlich-rechtlicher Bindungen verpflichtet, die Fahrrinne des Rheinstroms und sein Fahrwasser, d. h. den nach dem jeweiligen Wasserstand für die durchgehende Schiffahrt bestimmten Teil des Stromes außerhalb der Fahrrinne, zu unterhalten, wobei die zu erfüllenden Pflichten und Sorgfaltsanforderungen abgestuft sind, je nachdem, ob es sich um die Fahrrinne oder das Fahrwasser handelt. Im Fahrwasser hat die Beklagte in aller Regel nur bekannte Hindernisse für die Schiffahrt zu kennzeichnen und die Schiffahrt vor ihnen zu warnen. Sie ist grundsätzlich nicht gehalten, das Fahrwasser zu vertiefen oder die Fahrrinne in das Fahrwasser hinein zu verbreitern, sondern kann es jedem Schiffer selbst überlassen, im Rahmen der von ihr gegebenen Warnungen den Kurs seines Schiffes in der Fahrrinne oder außerhalb derselben zu steuern (vgl. BGHZ 37, 72’). Strengeren Anforderungen muß die Beklagte hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit in der Fahrrinne genügen. Über die Kennzeichnung ihr bekannter Gefahrenstellen hinaus hat sie hier in regelmäßigen Abständen Kontrollen durchzuführen, um Schiffahrtshindernisse aufzuspüren und ferner muß sie in zeitlich und personell zumutbaren Grenzen diese Gefahrenstellen versuchen zu beheben (vgl. BGHZ 37, 721).
Im vorliegenden Fall ist ungewiß, ob sich der Unfall innerhalb oder außerhalb der Fahrrinne ereignet hat. Zwar hat der Schiffsführer ausgesagt, er sei mit dem Koppelverband in der Fahrrinne des Rheinstroms in Höhe der Verladestelle der K. etwa 180 m von ihr entfernt fest gekommen. Die Entfernung von der Verladestelle soll der Zeuge nicht lediglich geschätzt, sondern anhand des eingeschalteten Radars und der Radarentfernungsringe festgestellt haben. Dieser Beobachtung des Zeugen steht aber entgegen, daß nach dem Pegelstand für die vom Zeugen umschriebene Unfallstelle unter Berücksichtigung einer geringen Fehltiefe von 10 cm und der zwischen den Parteien unstreitigen Abladetiefe des Verbandes von 2,70 m bzw. 2,60 m genügend Wasser unter dem Kiel zur Verfügung gestanden hat (Wassertiefe mehr als 3 m) und daher eine Festfahrung in der Fahrrinne zweifelhaft, aber nicht unmöglich erscheint.
Eine erhebliche Untiefe in der Fahrrinne des Rheinstromes war der Beklagten vor dem Unfall nicht bekannt. Eine solche ist auch bei den in angemessenen Zeitabständen durchgeführten Prüfungen bis zum Unfall nicht festgestellt worden. Die letzte Prüfung der Fahrrinne hat am 31. Januar 1987, d. h. etwa einen Monat vor dem Unfall, stattgefunden. Diese Überprüfung durch die Wasserbehörden hat keinen Grund zum Einschreiten ergeben. Soweit bereits geraume Zeit die Fehltiefe in einer Breite von 10 m und dem Ausmaß von 10 cm bei Rheinkilometer 668,4 besteht, war die Schiffahrt hierauf in üblicher Weise durch Veröffentlichungen hingewiesen worden. Eine dringende Beseitigung dieser Fehltiefe war nicht angezeigt, weil die Unterschreitung der Solltiefe geringfügig und der Eingriff in das Strombett im Falle einer Abbaggerung erheblich gewesen wäre. Die Geschiebelage auf der Stromsohle hatte sich in dem hier in Betracht kommenden Bereich stabilisiert, und zwar seit einer Reihe von Jahren. Wäre sie angebaggert worden, hätte damit gerechnet werden müssen, daß Verschiebungen innerhalb des Strombetts stattfinden und es zur Untiefenbildung an anderer, nicht bekannter Stelle und mithin zu einer nicht voraussehbaren Gefährdung der Schiffahrt kommen wird. Es war daher sachgerecht und jedenfalls nicht pflichtwidrig, die eingetretene geringe Fehltiefe, deren Lage bekannt und stabil war, weiter zu beobachten und auf ihr Vorhandensein, wie geschehen, in den von der Schiffahrt gehaltenen Veröffentlichungsblättern hinzuweisen.
Auch ein Hinweis auf die Untiefe von nur 10 cm in der Breite von 10 m durch ein Wahrschaufloß war vor dem Unfall nicht erforderlich, weil das Wahrschaufloß nur vor konkreten Einzelgefahren, nicht aber einer leichten Beeinträchtigung, insbesondere einer Unregelmäßigkeit im Verlauf des Strombetts, warnen soll und die Wasserverwaltung für die zahlreichen Fehlstellen dieser Art im Strom nicht in ausreichendem Maße Wahrschauflöße und Mannschaften vorhalten kann, die diese zum Einsatz bringen. Ein derartig übertriebener Aufwand erscheint der Beklagten im Rahmen der Verkehrssicherung auch nicht zumutbar.
Aber selbst wenn von einer Bagger- oder Kennzeichnungspflicht durch Wahrschauflöße bezüglich der Fahrrinne auszugehen wäre, kann eine etwaige Pflichtverletzung der Beklagten nach dem Pegelstand und der erkannten Untiefe nicht die Schadensursache gewesen sein. Vielmehr kommt insoweit nur in Betracht, - daß der Unfall entweder nicht in der Fahrrinne stattgefunden hat oder - daß er auf ein anderes, unbekanntes und bei der Durchführung der Regelkontrolle der Fahrrinne nicht erkanntes Hindernis zurückzuführen ist, eine plötzliche Geschiebeansammlung, Steine oder ähnliches. Sollte dies der Fall sein, hätte die Beklagte daher auch durch die Einhaltung der ihr obliegenden Sorgfaltspflichten (Beseitigung der Fehltiefe von 10 cm Umfang) nicht dazu beitragen können, daß der Unfall vermieden worden wäre.
Die Klägerin hat gegen das obige Urteil Revision eingelegt, die vom Bundesgerichtshof gemäß Beschluß vom 20. Februar 1989 - II ZR 121/88 - nicht angenommen worden ist.
Aus den Gründen:
Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgeht, daß sich der Schubverband auf der Fehltiefe von Strom-km 668,2 bis 668,6 (10 m breit, 10 cm über Solltiefe) am linken Rand der Fahrrinne festgefahren hat, so kann das der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Zwar hat die Beklagte aufgrund ihrer Verkehrssicherungspflicht die Fahrrinne des Rheins turnusmäßig zu prüfen und, je nach dem Ergebnis der Prüfung, das Strombett auszubaggern oder Hindernisse zu beseitigen oder, solange eine Beseitigung nicht möglich ist, zu kennzeichen (BGHZ 37, 69 ff.; vgl. ferner Senatsurt. v. 13. Oktober 1969 - II ZR 78/681), VersR 1969, 1132 f.). Jedoch trifft sie insoweit nicht der Vorwurf einer Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht. Zum einen war ihr nach den rechtsfehlerfreien Ausführungen des Rheinschiffahrtsobergerichts ein Wegbaggern der nur geringen Fehltiefe nicht zumutbar, weil sie dann mit Verschiebungen in der Stromsohle und der Bildung neuer, nicht bekannter Fehltiefen hätte rechnen müssen, wogegen sich die Geschiebelage im Bereich der vorhandenen Fehltiefe stabilisiert hatte. Zum anderen war nach den ebenfalls rechtsfehlerfreien Erörterungen des Rheinschiffahrtsobergerichts die von der Klägerin verlangte Kennzeichnung der Fehltiefe durch ein Wahrschaufloß nicht erforderlich, weil es sich um keine neue Gefahrenstelle gehandelt hat, sondern um eine seit längerem bekannte Einengung der Fahrrinne. Auf sie hat die Beklagte aber, wie den Amtlichen Schiffahrtsnachrichten für das Rheinstromgebiet zu entnehmen ist, in ihren halbjährlichen Bekanntmachungen über die Fehltiefen und Fehlbreiten auf dem Rhein seit Mai 1982 jeweils hingewiesen und für diese insgesamt bemerkt, daß insoweit eine Kenntlichmachung „durch Tonnen o. ä." nicht erfolgt. Damit hat sie die in den Bekanntmachungen jeweils genau bezeichneten Fehltiefen („Stomabschnitte, auf denen die Solltiefe auf der gesamten Fahrrinnenbreite oder überwiegend in der Mitte der Fahrrinne nicht erreicht wird") und Fehlbreiten („Stromabschnitte, auf denen die Sollbreite der Fahrrinne durch Fehltiefen am Rand der Fahrrinne eingeschränkt ist") hinreichend bekannt gemacht, so daß diese einer nochmaligen Kennzeichnung an Ort und Stelle nicht bedurften, zumal es zu den Sorgfaltspflichten eines Schiffsführers gehört, sich laufend und genau über den Inhalt von Hinweisen, Bekanntmachungen oder Anordnungen der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung für die Fahrt auf der von ihm zu befahrenden Schifffahrtsstraße zu unterrichten und sie sorgsam zu beachten (vgl. auch Senatsurt. v. 19. November 1973 - II ZR 96/722), LM BinnSchStrO 1966 Nr. 4).
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1989 - Nr.6 (Sammlung Seite 1272 f.); ZfB 1989, 1272 f.