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3 U 21/88 - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 18.11.1988
Aktenzeichen: 3 U 21/88
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Zur Frage, ob ein Schiffsversicherer im Falle eines Unfalls des versicherten Schiffes von der Ladungseigentümerin Ersatz der auf die Ladung entfallenden Bergungskosten nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen kann.

Urteil des Oberlandesgerichts in Köln - Schiffahrtsobergericht

vom 18. November 1988

3 U 21/88

(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)


Zum Tatbestand:

Das von der Klägerin versicherte und mit Sulfatschlamm der Beklagten beladene MS S sank im Juni 1985 bei Wesseling nach einer Kollision mit TMS A. Die von der Beklagten mit dem Transport beauftragte LMT hatte die Reederei D. und diese ihrerseits die Schiffseignerin K. des MS S jeweils als Unterfrachtführer eingeschaltet. Der Schiffsführer erhielt beim Beladen des Schiffes die Kopie eines Ladescheins der LMT mit deren allgemeinen
Geschäftsbedingungen.Schiffseignerin K. und die Beklagte wurden vom Wasser- und Schiffahrtsamt zur sofortigen Bergung von Schiff und Ladung aufgefordert. Ihren Widerspruch gegen diese Verfügung nahm die Beklagte zurück, nachdem die Klägerin die Bergung eingeleitet hatte. Später erklärte die Ladungsversicherung das Abandon, die Beklagte die Eigentumsaufgabe.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ersatz der auf die Ladung entfallenden Bergungskosten von etwa 48000,-- DM und die Freistellung von allen von dritter Seite wegen des Weitertransports der Ladung geltend gemachten Kosten. Sie meint, für die Beklagte mit deren Einverständnis tätig gewesen und mindestens nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag anspruchsberechtigt zu sein.
Die Beklagte bestreitet jede Verpflichtung und behauptet, daß der Schiffsführer des MS S den Unfall verursacht habe.
Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Schiffahrtsobergericht hat die Berufung zurückgewiesen.


Aus den Entscheidungsgründen:

Eine Beauftragung der Klägerin mit der Bergung der Ladung läßt sich weder dem an die Wasserschutzpolizei gerichteten Telex, das bereits nach seinem Wortlaut keine entsprechende Auftragserteilung zur Bergung beinhaltet, noch dem Verhalten des für die Ladung vor Ort auftretenden Experten entnehmen.
Der Senat teilt auch die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, da die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht gegeben sind. Die Klägerin hat kein Geschäft der Beklagten geführt. Es liegt nahe, daß sie allein wegen der gegen ihren Versicherungsteilnehmer gerichteten Ordnungsverfügung, die materiell-rechtlich nicht zu beanstanden war, tätig geworden ist, sie also nicht zugleich auch für die Beklagte hat handeln wollen. Dies entsprach bei objektiver Betrachtungsweise der Interessenlage der Beteiligten und der Verpflichtung der Klägerin. Zum einen war die Bergung des Schiffes nicht ohne gleichzeitige Bergung der Ladung möglich. Zum anderen war der Versicherungsnehmer der Klägerin zur Bergung der Ladung verpflichtet, weil er den Unfall verschuldet hatte. In dem Verfahren 5 C 21/87 BSch hat das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort mit Urteil vom 26.1. 1988 nach Ansicht des Senats zutreffend festgestellt, daß den Schiffsführer des MS S ein hälftiges Mitverschulden trifft. Auf die Gründe des den Parteien bekannten Urteils wird Bezug genommen. Von seiner Haftung ist der Schiffsführer auch nicht aufgrund der in dem Ladeschein enthaltenen Klauseln befreit. Zu Lasten der LMT, um deren Allgemeine Geschäftsbedingungen es sich handelt, gelten die Bestimmungen ohnehin nach deren § 1 Nr. 4 nicht. Eine Geltung im Verhältnis zwischen Schiffsführer und der Beklagten kommt nicht in Betracht, weil nicht festgestellt werden kann, daß die Bedingungen auch Gegenstand des von der Beklagten mit der LMT abgeschlossenen Frachtvertrages geworden sind. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, daß ein Original-Ladeschein, was üblich gewesen wäre, der Beklagten ausgehändigt worden ist. Dies kann jedoch auch dahinstehen. Der für das Rechtsverhältnis zwischen Frachtführer und Absender grundsätzlich nicht relevante Ladeschein (§§ 446 HGB, 72BSchG) könnte insoweit nur dann bedeutsam sein, wenn er von der Beklagten als Absenderin gegengezeichnet werden (§ 445 Abs. 3 HGB) u;7d damit zugleich auch der Inhalt des Frachtvertrages dokumentiert worden wäre. Die Kopie des Ladescheins weist jedoch allein die Unterschrift der Schiffsführung von MS S auf.
Der Umstand, daß die Beklagte als Eigentümerin Zustandsstörer gewesen ist, führt auch nicht dazu, die Bergung als Geschäft der Beklagten anzusehen. Zwar ist sie durch Ordnungsverfügung zur Bergung behördlich aufgefordert worden. Dies war jedoch, wie das Schiffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat, in der Sache nicht gerechtfertigt. Zudem war der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der tatsächlich vorgenommenen Bergung nicht bestandskräftig. Der von der Beklagten eingelegte Widerspruch ist von dieser erst zurückgenommen worden, nachdem die Verfügung sich durch die von der Klägerin eingeleiteten Bergungsmaßnahmen erledigt hatte. Daß der Klägerin keine Ausgleichsansprüche aus einer gesamtschuldnerischen Haftung nach § 426 BGB oder § 22 WHG zustehen, ist durch das angefochtene Urteil hinreichend erklärt worden.
Was schließlich den Freistellungsanspruch angeht, so läßt sich eine Verpflichtung der Beklagten auch nicht unter Heranziehung der Vorschriften der §§ 68 ff. BSchG begründen. Die Transportpflicht des Frachtführers ist nicht infolge Erlöschens des Vertrags entfallen, denn die Fortsetzung der Reise ist nicht durch Zufall verhindert worden. Wie bereits oben ausgeführt, trifft den Schiffsführer des MS „Secunda" eine Mitschuld am Untergang des Schiffs, von der er sich aufgrund der Bedingungen des Ladescheins auch nicht gegenüber der Beklagten freizeichnen kann.
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Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1989 - Nr.6 (Sammlung Seite 1271 f.); ZfB 1989, 1271f.