Rechtsprechungsdatenbank

3 U 213/89 - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 19.10.1990
Aktenzeichen: 3 U 213/89
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Transportgut ist hinreichend zu deklarieren. Insbesondere muß auf etwaige Risiken beim Transport hingewiesen werden. Andererseits obliegt dem Frachtführer eine Nachfrage- oder Untersuchungspflicht.

Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Köln

vom 19. Oktober 1990

3 U 213/89

- rechtskräftig –


(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Die Beklagte diente der Klägerin im Mai 1987 fernmündlich einen Transport von ca. 650 t Paketschrott an. Die Klägerin erklärte sich bereit, den Transport durchzuführen und gab der Beklagten als Beförderungsmittel MS „N" und als Schiffseigner „0" an. In der schriftlichen Auftragsbestätigung der Beklagten ist u. a. folgende Regelung enthalten:
„Das Schiff muß für die übernommene Ladung geeignet sein ... "
„Der Transportdurchführung liegen die Bedingungen des Deutschen Binnenschifffahrtsgesetzes zugrunde, selbst wenn Gegenbestätigungen und Ladescheine andere Bedingungen ausweisen."
Die Klägerin bestätigte noch am gleichen Tage schriftlich den Abschluß des Transportauftrags. Der Transport wurde sodann im Mai/Juni 1987 mit MS „N" ausgeführt. Bei dem Paketschrott handelte es sich um gepreßte Autoteile, aus denen Altöl ausfloß, was zu einem erheblichen Schaden an der Holzstrau des MS „N" führte. In dem Verfahren 5 C 65/87 BSch Schifffahrtsgericht Duisburg Ruhrort = 3 U 138/ 88 Schiffahrtsobergericht Köln hat der Versicherer des Schiffes MS „N" den Strauschaden gegen die jetzige Klägerin geltend gemacht. In jenem Verfahren, in welchem der jetzigen Beklagten der Streit verkündet worden ist, ist die Klägerin in vollem Umfang unterlegen gewesen. Mit der Klage nimmt sie Regreß bei der Beklagten, und zwar wegen des Verurteilungsbetrages in Höhe von 20355 hfl und der Gesamtkosten des Vorprozesses.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, es gehe im Verhältnis der Parteien dieses Rechtsstreits zueinander um eine etwaige Ausgleichungspflicht unter Gesamtschuldnern, wie sie „gegenüber dem Schiffsführer gewesen sein könnte". Diese etwaige Ausgleichungspflicht sei durch Vertrag der Parteien so geregelt, daß die Beklagte der Klägerin auferlegt habe, ein für die Reise geeignetes Schiff vorzulegen, woraus zu folgern sei, daß die Nebenpflicht, wegen deren Verletzung die Klägerin im Vorprozeß zum Schadensersatz verurteilt worden sei, im Innenverhältnis nur sie treffe. Der Schiffsführer „0" habe den Schrott als Autoschrott und seine Verölung gekannt oder doch zumindest mit ihr rechnen müssen. Das Fehlverhalten des Schiffsführers, der gleichwohl sein Schiff habe beladen lassen, müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Die Klägerin habe zudem aus ständigen Autoschrottlieferungen gewußt, daß die Beklagte selbst diese nicht überprüfe. Die Ladung sei richtig deklariert gewesen. Die Klägerin trifft ein Mitverschulden. Sie hätte bezüglich des Paketschrotts durch Rückfrage die Herkunft und Art des Transportgutes näher feststellen müssen, zumal unter der Bezeichnung Paketschrott auch Autoschrott zum Versand kommen konnte. Die diesbezüglichen Nachforschungen waren unschwer möglich. Unterließ die Klägerin gleichwohl vor dem Umschlag des Paketschrotts die erforderliche Rückfrage, so hätte sie sich durch eine stichprobenartige Untersuchung davon vergewissern müssen, daß der Schrott gefahrlos mit einem Holzbodenschiff transportiert werden konnte. Hätte die Klägerin diesen Verpflichtungen genügt, so wäre es zu dem eingetretenen Schaden nicht gekommen. Für ein Verschulden des Schiffsführers „0" hat die Klägerin nicht einzustehen. Soweit die Beklagte behauptet, die Klägerin habe häufig gepreßten Autoschrott verschifft und gewußt, daß die Beklagte die angebotene Fracht nicht untersuche, so vermag dieses Vorbringen den Schuldvorwurf gegen die Klägerin in seinem Gewicht weder zu erschweren noch zu erleichtern. Bei der Abwägung des beiderseitigen Verschuldens wiegt der Schadensbeitrag der Beklagten, die den Schrott nicht hinreichend deklariert hat, ungleich schwerer als die Verletzung der Nachfrage- oder Untersuchungspflicht der Klägerin, die infolge dieses Sorgfaltspflichtverstoßes ein nicht geeignetes Schiff zum Transport ausgewählt hat. Eine Schadensquotierung von %3 zu Lasten der Klägerin 2/ zu Lasten der Beklagten erscheint dem Senat daher angemessen .. .
Das Schiffahrtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung hatte teilweise Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Die Beklagte haftet der Klägerin aus positiver Vertragsverletzung auf Schadensersatz gemäß §§ 425 HGB, 325, 326, 280,286 BGB analog, §242 BGB. Die Beklagte hat der Klägerin einen Transportauftrag erteilt. Auf dieses Vertragsverhältnis finden die ADSP keine Anwendung, weil die Klägerin ihre formularmäßige Geltung durch eine Sondervereinbarung ausgeschlossen hat. Abgesehen hiervon ist die Geltung der ADSP durch Rundschreiben der Klägerin auch der Beklagten gegenüber abgedungen.
Ob auf die Beklagte § 45 BSchG Anwendung findet, ist im Hinblick darauf, daß möglicherweise die „T" GmbH Absenderin der Ladung war, zweifelhaft. Immerhin folgt aber aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag die Nebenverpflichtung der Beklagten, die Ware so deutlich wie möglich zu kennzeichnen und auf etwaige Risiken beim Transport hinzuweisen. Die Beklagte hat den Paketschrott von der Schrotthändlerin „T" GmbH zum Versand nach Belgien erhalten. Sie wußte, daß der Paketschrott aus Autoschrott bestand. Ihr hätte es oblegen, gerade weil bei dieser Art Schrott mit einer Verölung zu rechnen war, auf diese Gefahr hinzuweisen und zwar durch eine entsprechende Deklaration bei Vertragsabschluß oder in sonst geeigneter Weise. Diese Verpflichtung, die aus der Eröffnung des Umgangs mit gefährlichen Stoffen (Altöl) folgt, oblag der Beklagten auch dann gegenüber der Klägerin, wenn diese schon zuvor wiederholt Autoschrott verschifft hatte und auch dann, wenn unter dem Begriff Paketschrott oftmals auch Autoschrott zur Versendung gelangt. Hätte die Beklagte ihre vertragliche Verkehrssicherungspflicht erfüllt, so wäre der Schrott nicht auf ein „Holzbodenschiff" zum Weitertransport verladen worden. Die entstandenen Schäden und Folgeschäden wären nicht eingetreten.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1991 - Nr.8 (Sammlung Seite 1319); ZfB 1991, 1319