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3 U 203/76 - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 24.06.1977
Aktenzeichen: 3 U 203/76
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Zur vorschriftsmäßigen Meldung und Voranmeldung der Lade- oder Löschbereitschaft. Die die Voranmeldung regelnde Vorschrift der im Kriege erlassenen Verordnung vom 17. Mai 1943 ist heute noch geltendes Recht.
2) Die Vereinbarung, ein Schiff „sofort" nach Ankunft zu löschen, beinhaltet nur die Verpflichtung, das Schiff möglichst schnell zu löschen.

Urteil des OLG - Schiffahrtsobergericht in Köln

vom 24. Juni 1977

3 U 203/76

(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)


Zum Tatbestand:

Der Kläger beförderte eine Teilladung von ca. 52 t Blechen von Mannheim nach Heilbronn. Er meldete am Freitag, dem 22. August 1975, gegen 17.00 Uhr, bei der Ladestelle der beklagten Empfängerin im Hafen Heilbronn die Löschbereitschaft. Die Löschung fand erst am Montag, dem 25. August 1975, statt. Anschließend konnte das Schiff um 9.30 Uhr die Weiterfahrt antreten.
Der Kläger verlangt 2 volle Liegegelder ä 528,- DM = 1056,- DM mit der Behauptung, daß er die Löschbereitschaft schon 2 Stunden vor seiner Ankunft im Löschhafen telefonisch vorangemeldet habe, durch die Meldung der Löschbereitschaft die Löschzeit spätestens am 23. August 1975 begonnen und am gleichen Tage beendet gewesen sei. Außerdem sei der Empfänger nach den dem Transportvertrag zugrundeliegenden Rotterdamer Verlade- und Transportbedingungen verpflichtet gewesen, das Schiff „sofort nach Ankunft" zu löschen.
Die Beklagte bestreitet, daß sich der Kläger telefonisch vorangemeldet habe und daß die Rotterdamer Konnossementsbedingungen zum Inhalt des Frachtvertrages gemacht worden seien. Die Meldung der Löschbereitschaft sei nicht in der im Hafen Heilbronn freitags ortsüblichen Geschäftszeit (7.00 bis 16.00 Uhr) erfolgt. Infolgedessen habe die Löschzeit erst am Montag, dem 25. August 1965, 6.00 Uhr, beginnen können. Die Löschung sei demgemäß vor dem Ende der Löschzeit beendet worden.
Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung war erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Die Löschzeit beginnt nach § 48 Abs. 1 BSchG mit dem auf die Anzeige der Löschbereitschaft folgenden Tag. Da Sonntage und allgemeine Feiertage nicht in Ansatz kommen (§ 48 Abs. 3 Satz 2 BSchG), ist der auf die Anzeige der Löschbereitschaft folgende Werktag gemeint. Die Anzeige selbst hat nach § 47 Abs. 2 BSchG an einem Werktag vor Schluß der ortsüblichen Geschäftsstunden zu erfolgen. Ein später oder an einem Sonntag oder allgemeinen Feiertag erfolgte Anzeige gilt als am nächsten Werktag erfolgt. Unstreitig hat der Kläger seine Löschbereitschaft am Freitag, dem 22. August 1975, gegen 17.00 Uhr bei der Ladestelle der Beklagten im Hafen von Heilbronn angezeigt. Zu dieser Zeit waren die für die Umschlagbetriebe des Hafens festgesetzten und damit ortsüblichen Geschäftsstunden bereits abgelaufen.
...
Die Überschreitung der ortsüblichen Geschäftszeit wäre allerdings für den Kläger unschädlich, wenn er sich rechtzeitig „vorangemeldet", d. h. wenn er seine Absicht, die Anzeige der Löschbereitschaft nach Schluß der Geschäftszeit zu bewirken, innerhalb der ortsüblichen Geschäftszeit der Ladestelle der Beklagten mitgeteilt hätte. Entgegen der in dem angefochtenen Urteil vertretenen Ansicht ist eine solche „Voranmeldung" rechtlich bedeutsam. Sie entspricht nicht bloß einem Schiffahrtsbrauch, sondern findet eine Rechtsgrundlage in § 1 der Verordnung zur vorübergehenden Änderung einiger Vorschriften des Frachtrechts der Binnenschiffahrt vom 17. Mai 1943 (RGBI. 1 S. 311). Dort heißt es:

„Die Ladebereitschaft (§ 28 des Binnenschiffahrtsgesetzes) ist an Werktagen bis 18 Uhr anzuzeigen. Endet die ortsübliche Geschäftszeit vor diesem Zeitpunkt, so hat der Frachtführer seine Absicht, die Anzeige nach Schluß der Geschäftszeit zu bewirken, dem Absender innerhalb der ortsüblichen Geschäftszeit mitzuteilen (Voranmeldung)."

Nach § 5 der Verordnung gilt die zitierte Bestimmung sinngemäß auch für die Anzeige der Löschbereitschaft (§ 47 BschG), wobei an die Stelle des Absenders der Empfänger tritt. Obwohl die Verordnung vom 17. 5. 1943 ersichtlich als vorübergehende Regelung für die Kriegszeit gedacht war, ist sie heute noch geltendes Recht. Sie ist in dem Gesetz zur Aufhebung einiger Verordnungen und Bestimmungen des Binnenschiffahrtsrechts vom 9. 8. 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Nr. 30 vom 25. B. 1949; Öffentlicher Anzeiger vom 27. B. 1949 - Nr. 76 -, S. 3) aufrechterhalten worden.
...
Die entsprechend der Verordnung erfolgte Voranmeldung hat die Wirkung, daß der Absender bzw. Empfänger sich gegenüber der bis 18.00 Uhr eines Werktages abzugebenden Anzeige der Ladebzw. Löschbereitschaft nicht darauf berufen kann, daß diese nach dem Schluß der ortsüblichen Geschäftsstunden eingegangen sei und mithin erst für den nächsten Werktag gelte. Hätte der Kläger sich - wie er behauptet - am Freitag, dem 22. B. 1975, gegen 15.00 Uhr bei der Ladestelle der Beklagten fernmündlich vorangemeldet, so wäre diese Voranmeldung innerhalb der ortsüblichen Geschäftsstunden des Hafens Heilbronn erfolgt, die freitags um 16.00 Uhr enden. Die gegen 17.00 Uhr abgegebene Anzeige der Löschbereitschaft würde dann noch für den 22. B. 1975 gelten. Nach der gesetzlichen Regelung hätte das Schiff des Klägers dann am nächsten Werktag gelöscht werden müssen.
Der auf Freitag, den 22. B. 1975, folgende „nächste Werktag" war nicht etwa Montag, der 25. B. 1975, sondern Sonnabend, der 23.8. 1975. Obwohl der Sonnabend in der gewerblichen Wirtschaft und bei den öffentlichen Dienststellen seit Jahren weitgehend arbeitsfrei ist, hat der Gesetzgeber ihn bislang nicht zum Feiertag erklärt. Zwar ist mit Wirkung vom 1. 10. 1965 ein Gesetz über den Fristablauf am Sonnabend in Kraft getreten (BGBI. 1 S. 753), wonach unter bestimmten Voraussetzungen an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag tritt und der Fristablauf in vielen Fällen durch den Sonnabend unterbrochen wird. Diese Regelung bezieht sich jedoch nicht auf den Verkehrsbereich, insbesondere nicht auf den Straßen-, Schienen- und Binnenschifffahrtsverkehr. Es läßt sich auch nicht feststellen, daß im Laufe der letzten Jahre im Bereich der Binnenschiffahrt ein Gewohnheitsrecht entstanden ist, nach dem der Sonnabend hinsichtlich der für Laden und Löschen geltenden Fristen nicht mehr als „Werktag" angesehen werden kann. In einer dem Senat zugänglich gewordenen Stellungnahme des Bundesverbandes der deutschen Binnenschiffahrt e. V, vom B. 10. 1976 wird die übereinstimmende Auffassung der Organisationen der Binnenschiffahrt vielmehr wie folgt dargelegt:

„An der Berechnung von Fristen im Zusammenhang mit dem Laden und Löschen sowie dem Meldetag am Sonnabend hat sich bisher also nicht das geringste geändert. Der Sonnabend muß nach wie vor als Werktag behandelt werden. Eine Neuordnung müßte mindestens gleichmäßig für alle Verkehrsträger, insbesondere für die Bundesbahn, den Straßenverkehr und die Binnenschiffahrt ohne jede Differenzierung erfolgen. In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, daß der Deutsche Industrie- und Handelstag seinen Verladerfirmen für den gesamten Bereich der Bundesrepublik schon vor einigen Jahren empfohlen hat, an freien Sonnabenden sogenannte ,Notkolonnen' zur Verfügung zu halten, die ein- oder ausgehende Güter abfertigen oder vorliegende Schiffe be- und entladen können ...".
...
Hätte der Kläger sich also zu der von ihm angegebenen Zeit vorangemeldet, so hätte sein Schiff am Sonnabend, dem 23. B. 1975, gelöscht werden müssen.
...
Die Beklagte bestreitet indessen die vom Kläger behauptete Voranmeldung. Aufgrund des Beweisergebnisses läßt sich nicht feststellen, daß die Voranmeldung erfolgt ist.
...
Damit ist der Beweis für die von dem Kläger behauptete Voranmeldung nicht erbracht. Das geht zu Lasten des Klägers, der für die anspruchsbegründenden Tatsachen beweispflichtig ist. Der Umstand, daß die Voranmeldung der Anzeige der Löschbereitschaft in der Binnenschiffahrt weitgehend üblich ist, vermag nicht über den fehlenden Beweis hinwegzuhelfen.
...
Schließlich kann dem Kläger auch nicht gefolgt werden, wenn er meint, die Klage sei ohne Rücksicht auf das Beweisergebnis schon im Hinblick auf seine Verlade- und Transportbedingungen begründet. Einmal ist streitig, ob die Verlade- und Transportbedingungen Vertragsinhalt geworden sind. Zum anderen hat schon das Schiffahrtsgericht mit Recht ausgeführt, daß der hier in Betracht kommende § 7 Abs. 1 der Bedingungen nicht wörtlich ausgelegt werden kann, soweit er den Empfänger verpflichtet, die Ladung „sofort" nach der Ankunft des Schiffes zu löschen. Von dem Empfänger ist billigerweise nicht zu verlangen, daß er zu jeder Tages- und Nachtzeit das Eintreffen des Schiffes erwartet, um „sofort" mit dessen Entladung zu beginnen. Eine verständige Auslegung führt vielmehr zu dem Ergebnis, daß § 7 Abs. 1 der Verlade- und Transportbedingungen lediglich die allgemeine Verpflichtung des Empfängers regelt, das Schiff möglichst schnell zu löschen. Das aber hat die Beklagte getan, wenn man nach dem Beweisergebnis davon ausgeht, daß die vom Kläger behauptete Voranmeldung nicht erfolgt ist.
...“