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3 U 178/08 BSchMo - Oberlandesgericht (Moselschiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 26.02.2010
Aktenzeichen: 3 U 178/08 BSchMo
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Moselschiffahrtsobergericht

Urteil des Moselschifffahrtsobergericht

vom 26. Februar 2010

In der Moselschifffahrtssache hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Moselschifffahrtsobergericht im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 11.02.2010 eingereicht werden konnten

Für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 04.09.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts St. Goar – Moselschifffahrtsgericht – 4 C 13/07 BSchMo – teilweise abgeändert.

Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.761,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.09.2007 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 87 % und der Beklagte zu 13 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg.

I.

Der Kläger kann für die Beschädigung des ihm gehörenden Ruderbootes am 02.10.2006 in der Schleuse von Müden auf der Mosel von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von weiteren 1.761,68 € verlangen, nachdem die Haftpflichtversicherung des Beklagten bereits 4.798,32 € gezahlt hat. Der Beklagte haftet gemäß §§ 92, 92 b BSchG, weil er den schadensursächlichen Zusammenstoß seiner Motoryacht mit dem Ruderboot des Klägers schuldhaft herbeigeführt hat.

Wenn – wie hier – ein Schiff in einer Schleuse mehrere Ruderboote anfährt und umkippt und erst durch das Anfahren auf ein Motorschiff gestoppt wird, spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein nautisches Fehlverhalten des Schiffsführers. Dieser Anscheinsbeweis zu Lasten des Beklagten wird nicht dadurch entkräftet, dass in Folge eines technischen Versagens beim Umlegen des Steuerhebels in den Rückwärtsgang das Getriebe keine Reaktion zeigte. Denn gegen den Beklagten spricht ferner der Anscheinsbeweis für eine zu schnelle Einfahrt in die Schleuse unter Verstoß gegen § 6.28 Nr. 6 MSchPVO.

Der Beklagte musste bei der Einfahrt seine Geschwindigkeit so vermindern, dass ein sicheres Abstoppen unter allen Umständen möglich war und ein Anprall an die Schleusentore oder Schutzvorrichtungen oder andere Fahrzeuge vermieden wurde. Von der Führung eines Schiffes bei der Einfahrt in eine Schleuse ist zu verlangen, dass sie die äußerste Sorgfalt walten lässt (vgl. BGH MDR 1973, 564), da Einfahrten in eine Schleusenanlage regelmäßig Manöver auf engstem Raum erfordern und es im Falle des Misslingens nicht selten zu Anfahrungen der Schleusenanlage oder anderer Fahrzeuge kommt. Zur äußersten Sorgfalt gehört auch, dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug durch Belegen der Poller oder der Haltekreuze der Kammer mit Tauen oder Trossen auch ohne Maschinenkraft rechtzeitig anhalten kann (vgl. BGH, a.a.O.). Nur dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass technische Versager beim Umsteuern einer Schiffsmaschine nicht vollständig auszuschließen sind und es deshalb nicht immer ungefährlich ist, wenn das Abstoppen eines Fahrzeugs in einer Schleusenkammer den Einsatz der Maschine erfordert, zumal derartige Versager während der kurzen Zeitspanne der Einfahrt nicht rechtzeitig zu beseitigen sind (vgl. BGH, a.a.O.).

Dass der Beklagte diesen Anforderungen an die äußerste Sorgfalt nicht genügt hat, folgt bereits aus dem Umstand, dass er beim Einfahren mit der Steuerbordseite seiner Motoryacht gegen die Schleusenmauer gestoßen ist (nach der schriftlichen Aussage des Zeugen T „sehr unsanft“) und dass er aus diesem Grund den Rückwärtsgang einstellen wollte. Der gegen den Beklagten sprechende Anscheinsbeweis ist auch deshalb nicht entkräftet, weil die meisten der im Ermittlungsverfahren schriftlich angehörten Ruderbootfahrer von einem zu schnellen Einfahren oder auch „sehr rasanten Einfahren“ (so der Zeuge T) gesprochen haben. Der Beklagte hat sich erstinstanzlich mit der Verwertung dieser schriftlichen Zeugenaussagen einverstanden erklärt.

Damit war die Einfahrgeschwindigkeit mitursächlich für das anschließende Unfallgeschehen, das außerdem durch das technische Versagen beim Umlegen des Steuerhebels in den Rückwärtsgang verursacht wurde.

Der Kläger muss sich kein Mitverschulden der Ruderbootfahrer zurechnen lassen. Entgegen dem Vortrag des Beklagten in erster Instanz hatten die Ruderboote von der Schleusenaufsicht die Erlaubnis zur Mitfahrt in der Schleuse erhalten und brauchten deshalb nicht gemäß § 6.26 Nr. 1 MSchPVO durch die Bootsschleuse zu fahren. Sie sind auch entsprechend § 6.29 Nr. 1 b MSchPVO entsprechend der Aufforderung durch die Schleusenaufsicht in die Schleuse eingefahren. Den Beklagten konnten sie nicht vorrangig einfahren lassen, weil er sich erst sehr spät zur Einfahrt entschlossen hatte.

Der Beklagte hat somit den gesamten infolge der Beschädigung des Ruderbootes entstandenen Schaden zu ersetzen.

Dazu zählen die auf die Reparaturkosten unstreitig zu zahlende Umsatzsteuer in Höhe von 975,55 € (Reparaturkostenrechnung vom 01.10.2008, Bl. 205 d. A.), ferner die ebenfalls unstreitigen Kosten für Abholung und Lieferung gemäß der Reparaturkostenrechnung in Höhe von 336,13 €.

Nach dem Ergebnis des vom Senat eingeholten Sachverständigengutachtens hat das Ruderboot infolge der Beschädigung trotz durchgeführter Reparatur eine merkantile Wertminderung von 450,00 € erlitten. Auf die Begründung und Berechnung des Sachverständigen X in seinem Gutachten vom 20.11.2009 (Seite 4), der sich der Senat anschließt und gegen die vom Beklagten ausdrücklich keine Einwände erhoben werden, wird Bezug genommen. Eine Schätzung der Wertminderung auf einen höheren Betrag (bis 2.500,00 €), wie der Kläger meint, ist nicht möglich. Der Kläger hat keine Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass die Berechnung des Sachverständigen einen Spielraum für die Schätzung eines höheren Wertminderungsbetrages zulässt. Er hat auch im Übrigen keine begründeten Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten erhoben. Dies gilt insbesondere für die Feststellungen des Sachverständigen, wonach eine technische Wertminderung nicht entstanden ist.

Ein Anspruch auf Ersatz von Nutzungsausfall für die Zeit vom 02.10.2006 bis 30.06.2008 ist nicht begründet.
Ein Nutzungsausfallanspruch stünde dem Kläger nur zu, wenn er wegen des zeitweiligen Verlustes der Nutzungsmöglichkeit des Bootes einen Vermögensschaden erlitten hätte. Ein solcher Schaden ist aber nach seinem Vortrag nicht eingetreten. Der Kläger hat keinen wirtschaftlichen Nachteil erlitten.

Der Nutzungsersatz kommt nur für einen der vermögensmehrenden, erwerbswirtschaftlichen Verwendung des Wirtschaftsgutes vergleichbaren eigenwirtschaftlichen, vermögensmäßig erfassbaren Einsatz der betreffenden Sache in Betracht, denn der Ersatz für den Verlust der Möglichkeit zum Gebrauch einer Sache muss grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen die Funktionsstörung sich typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt (BGH NJW-RR 2008, 1198 Rz. 7).

Die Benutzung des Ruderbootes durch die Mitglieder des Klägers oder anderer Rudervereine war jedoch nicht dazu bestimmt und geeignet, dem Kläger einen wirtschaftlichen Vorteil zu bringen. Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein, der keine wirtschaftlichen Vorteile aus dem Einsatz seiner Boote haben darf. Er hat auch nicht dargetan, dass infolge der Beschädigung konkrete Aufwendungen getätigt wurden, wie z. B. Kauf oder Anmietung eines Ersatzbootes. Der von ihm erwähnte Kauf eines neuen Bootes hatte nach seinem eigenen Vortrag nichts mit dem Schaden am streitgegenständlichen Ruderboot zu tun.

Der Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen ist gemäß § 291 BGB begründet.

II.

Der Antrag auf Feststellung, dass der Rechtsstreit in Höhe gezahlter 4.798,32 € erledigt ist, war zurückzuweisen.

Die Erledigung der Hauptsache aufgrund einseitiger Erledigungserklärung setzt voraus, dass die Klage nach Eintritt der Rechtshängigkeit unzulässig oder unbegründet geworden ist. Wenn die Zahlung auf die Klageforderung vor der Zustellung der Klage erfolgt, ist eine Erledigung nicht gegeben und die Klage abzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 08.06.1988 – I ZR 148/86 -). An dieser Rechtslage hat sich durch die Neufassung des § 269 Abs. 3 ZPO nichts geändert.

Eine Erledigung der Hauptsache ist hier nicht eingetreten, da die Zahlung durch den Haftpflichtversicherer des Beklagten vor Rechtshängigkeit erfolgte. Die Klage wurde am 28.09.2007 zugestellt, der Verrechnungsscheck der Versicherung ging am 21.09.2007 beim Kläger ein und wurde am 25.09.2007 mit Wertstellung 27.09.2007 eingelöst.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht nach §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Berufungsstreitwert: bis 14.000,00 €

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2010 - Nr.5(Sammlung Seite 2082 f.); ZfB 2010, 2082 f.