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3 U 171/59 - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 19.05.1960
Aktenzeichen: 3 U 171/59
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Muß im Hinblick auf die Art der Beladung eines Schiffes bei der Löschung mittels Greifers mit einer Beschädigung des Schiffes gerechnet werden, so darf die Einwilligung des Schiffseigners mit einer solchen Schadenszufügung keinesfalls vorausgesetzt werden. Notfalls ist eine andere Art der Entladung, gegebenenfalls auch „von Hand", zu wählen. Wenn sich eine Umschlagfirma der Einrichtungen einer städtischen Hafenanlage bedient, bleibt erstere für die sachgemäße Umschlagleistung, für die Stellung ausreichenden und sachkundigen Personals und für die ordnungsgemäße Leitung des Umschlagvorganges verantwortlich. Die Verantwortung des Schiffers nach § 8 Abs. 2 BSchG betrifft nur die „gehörige", d. h. nach allgemeinem Brauch sachgemäße Stauung der Ladung, umfaßt aber nicht die Verpflichtung, eine bestimmte Art der Löschung vorzubereiten oder zu erleichtern.

 

Urteil des Oberlandesgerichts Köln

 Schiffahrtsobergericht

vom 19. Mai 1960

3 U 171/59


Zum Tatbestand:

Mit einem Kahn des Schiffseigners A war eine für den Empfänger B bestimmte Partie Papierholzknüppel von Rotterdam nach dem Hafen C befördert worden. Die Beklagte zu 1) hatte die Löschung übernommen: der Beklagte zu 2) war Kranführer im Dienste der Städtischen Hafenverwaltung C - Nebenintervenientin -, deren Krananlage zum Umschlag benutzt wurde.

Der Kläger verlangt als Versicherer des Schiffseigners A Ersatz des Schadens, der durch den beim Umschlag verwendeten Greiferkahn am Kahn entstanden ist. Unstreitig waren Lukenbretter, Merklinge und Scherstöcke mit Holzknüppeln fest zugepackt. Der Kläger behauptet, daß die Löschung nicht mit der nötigen Sorgfalt durchgeführt sei, da durch das Aufsetzen des Greifers Lukenbretter, Merklinge, verschiedene Winkel und an einer Stelle das feste Deck beschädigt worden seien. Unter den gegebenen Umständen hätten die mit Knüppeln überstauten Luken und Merklinge von Hand frei gemacht, die Hölzer für den Greifer zurechtgelegt und der Greifer entsprechend dirigiert werden müssen.
Die Beklagte zu 1) bestreitet jedes Verschulden und behauptet, keinen Einfluß auf die Art der Löschung mittels der Umschlagseinrichtungen gehabt zu haben.
Außerdem trage der Schiffseigner Schuld an der schlechten Verstauung der Ladung.
Der Beklagte zu 2) lehnt eine Haftung u. a. deshalb ab, weil er wegen schlechter Sicht nur nach den Weisungen des Entladepersonals habe arbeiten können.
Die Nebenintervenientin betrachtet sich lediglich als Erfüllungsgehilfen der Beklagten zu 1). Ihren bewährten Kranführer, den Beklagten zu 2), treffe kein Verschulden.
Das Schiffahrtsgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 1) dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. gegen den Beklagten zu 2) dagegen abgewiesen,
Die Beklagte zu 1) hat - unter Ausschließung der Nebenintervenientin - Berufung eingelegt, die jedoch erfolglos war.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Entladung der M ist, wie nicht zweifelhaft sein kann, durchgeführt worden, obwohl bei allen Beteiligten Klarheit darüber bestand, daß unter den gegebenen Umständen Schäden am Schiff nicht zu vermeiden waren. Diese Schäden sind dem Fahrzeug nicht nur fahrlässig, sondern sogar mit mindestens bedingtem Vorsatz zugefügt worden.
Die Verantwortung dafür dem geschädigten Schiffseigner gegenüber trug in erster Linie die Beklagte zu 1). Sie war es, die von der Empfängerin der Ladung den Auftrag zur Entladung des Kahns erhalten hatte. Der Schiffer seinerseits war von der Empfängerin im Rahmen der ihr gemäß § 435 HGB gegenüber dem Frachtführer zustehenden Rechte angewiesen worden, bei der Beklagten zu 1) den Kahn vorzulegen. Ob zwischen dem Schiffseigner und der Beklagten zu 1) als Entladungsfirma sogar vertragliche Beziehungen irgendwelcher Art bestanden haben, wie die Klägerin annimmt, mag dahinstehen, denn auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Eigentumsschädigung durch unerlaubte Handlung gemäß § 823 BGB trug die Beklagte zu 1) dem Schiffseigner gegenüber die entscheidende Verantwortung und bediente sich ihrerseits der Nebenintervenientin und ihrer Leute als Verrichtungsgehilfen im Sinne des § 831 BGB.
Es kann durchaus keine Rede davon sein, daß die Nebenintervenientin den Löschauftrag von der Beklagten zu 1) zur selbständigen und eigenverantwortlichen Erledigung übernommen gehabt hätte. Gemäß § 13 Ziff. d) der Hafenordnung der Stadt C blieb die Verantwortung für die Durchführung des Verladegeschäftes ganz eindeutig bei der Beklagten zu 1) als Verladefirma; sie hatte dafür zu sorgen, daß der Umschlag sachgemäß durchgeführt wurde, daß eine ausreichende Anzahl von sachkundigen Arbeitern für Anschlag und Abnahme der Güter, sowie für die Leitung des Umschlaggeschäftes vorhanden war und daß das Anschlagen und Abnehmen ordnungsgemäß ausgeführt wurde.
Die Beklagte kann ihre Unterlassung auch nicht mit dem Hinweis auf die objektiv für die vorgesehene Art der Entladung mittels Greifers sicherlich unzweckmäßige Verstauung der Ladung rechtfertigen. Man hätte vielmehr Anweisung geben müssen, den nun einmal gegebenen Stauungsverhältnissen Rechnung zu tragen und die Knüppel vor dem jeweiligen Einsatz des Greifers „von Hand" entsprechend bereitzulegen, auch den Greifer so zu dirigieren, daß empfindliche und nicht ausreichend geschützte Teile des Schiffes durch denselben nicht in Mitleidenschaft gezogen werden konnten. Wenn dadurch ein höherer Arbeits- und Zeitaufwand erforderlich geworden wäre, so hätte man der Empfängerin später die dafür angemessenen Mehrkosten in Rechnung stellen können. Notfalls hätte man überhaupt zu einer anderen Art von Entladung als derjenigen mittels Greifer übergehen können und müssen.
Ob eine so veränderte Arbeitsweise „einen Rückschritt ins vergangene Jahrhundert" bedeutet haben würde, wie die Beklagte zu 1) in 1. Instanz vorgetragen hat, ist unerheblich. Bereits in der Sache 3 U 52/58 (veröff. ZfB 1959 S. 336) hat der Senat ausgeführt, daß grundsätzlich niemand berechtigt ist, anderen ohne deren Einwilligung aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und des technischen Fortschritts Schäden an ihrem Eigentum zuzufügen. Nach dem Beweisergebnis hat aber im vorliegenden Falle ein Einverständnis des Schiffers mit den vorauszusehenden Schädigungen seines Kahns durch den Greifer der Nebenintervenientin keineswegs vorgelegen.

Auch daraus, daß der Schiffer sich schließlich einer Fortsetzung der Entladung nicht weiter widersetzt hat, kann nach der ganzen Sachlage keine stillschweigende Einwilligung in die sich ergebenden Folgen entnommen werden.

Die Beklagte zu 1) kann sich auch weder hinsichtlich ihres eigenen Verladepersonals noch hinsichtlich der Nebenintervenientin als Verrichtungsgehilfin gemäß § 831 BGB entlasten. Mit Recht hat der Vorderrichter darauf hingewiesen, daß die Beklagte schon über die Verteilung der Verantwortlichkeit im Verhältnis zur Nebenintervenientin und über die Zusammenarbeit der beiderseitigen Arbeitskräfte beim eigentlichen Verladungsvorgang fahrlässig falsche Vorstellungen gehabt hat. Darüber hinaus hat sie es auch offensichtlich an einer eigenen verantwortlichen Leitung bei der Entladung überhaupt fehlen lassen.
Schließlich kann auch ein mitwirkendes Verschulden des Schiffers insoweit, als er nicht schon bei der Stauung der Ladung in Rotterdam für eine bessere Sicherung der Schiffsteile gesorgt hat, nicht festgestellt werden.
Es war Sache der Absenderin und der von ihr beauftragten Verladefirma, die Ladung so stauen zu lassen, daß die vorgesehene besondere Art der späteren Entladung möglichst sachgerecht und bequem vonstatten gehen konnte. Die Verantwortung des Schiffers im Rahmen des § 8 Abs. 2 BSchG. betraf grundsätzlich nur die „gehörige", d.h. nach allgemeinem Brauch sachgemäße Stauung der Ladung. Es ist nicht ersichtlich, daß er seitens der Absenderin angewiesen worden ist, auch seinerseits eine bestimmte Art der Löschung besonders vorzubereiten und zu erleichtern.