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Leitsatz:
Bei der Vorbeifahrt an gekennzeichneten Wrackstellen hat die Rheinschiffahrt angesichts gefährlicher Umstände, wie herrschenden Hochwassers und des damit verbundenen Risikos der Lageveränderung von Wahrschaupontons und des durch sie zu sichernden Wracks, einen deutlich größeren Sicherheitsabstand von den Pontons als von 15 m (wie üblich bei Buhnen und Längsbauwerken) einzuhalten.
Urteil des Oberlandesgerichts - Rheinschiffahrtsobergerichts in Köln
vom 1. Juni 1984
3 U 163/83
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Zwischen dem der Beklagten zu 1) gehörenden und vom Beklagten zu 2) geführten MS L und dem der Klägerin gehörenden, gesunkenen Leichter R hatte sich eine Kollision ereignet.
von ca. 7500 hfl mit der Behauptung, daß der Beklagte zu 2) nicht den erforderlichen Sicherheitsabstand von mehr als 15 m zu der Verbindungslinie des zur Kennzeichnung des gesunkenen Leichters ausgelegten Wahrschaupontons eingehalten habe.
Die Beklagten behaupten, MTS L habe bei der Vorbeifahrt einen Sicherheitsabstand von 20-30 m gehabt. Außerdem trage die Klägerin wegen nicht genügender Sicherung des gesunkenen Leichters ein Mitverschulden.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Rheinschiffahrtsobergericht hat ihr auf Berufung der Klägerin stattgegeben.
Aus den Entscheidungsgründen:
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Die Wahrschaupontons dienten nicht dazu, die genaue Lage des gesunkenen Leichters zu kennzeichnen. Dies war wegen meßtechnischer Schwierigkeiten infolge Hochwassers aber auch deshalb nicht möglich, weil sich die Lage des Wracks und der Wahrschaupontons unter dem Einfluß des Hochwassers ändern konnte. Zumindest ein Wahrschauponton hat auch im Verlauf von nur zwei Tagen seine ursprüngliche Position um 5 m zum linken Rheinufer hin verlassen. Die Wahrschaupontons hatten nur die Funktion, die Schiffahrt vor einem Hindernis in der Weise zu warnen, daß es bei Beachtung normaler an die Schiffahrt zu stellender Anforderungen nicht zu einer Kollision mit dem gesunkenen Leichter kommen konnte. Dieser Warnfunktion genügten die Pontons. Bei ihrer Verankerung konnte davon ausgegangen werden, daß die Schiffahrt angesichts des herrschenden Hochwassers und des damit gegebenen Risikos der Lageveränderung von Wahrschauponton und Wrack einen hinreichenden seitlichen Sicherheitsabstand einhalten würde. Dieser Sicherheitsabstand mußte deutlich mehr als 15 m betragen. Nach den amtlichen Empfehlungen ist von der Schiffahrt bei Buhnen und Längsbauwerken ein seitlicher Abstand von 15 m einzuhalten, um ein Auflaufen auszuschließen. Angesichts der vorliegenden gefährlichen Umstände mußte an der Unfallstelle ein weitaus größerer Abstand gewahrt werden, weil jeder Schiffsführer damit rechnen mußte, daß sich die Lage der Wahrschaupontons verändern konnte, weil Hochwasser herrschte, weil eine genaue Abstandsschätzung nicht möglich ist, sondern stets mit erheblichen Risiken belastet ist und weil Schiffe, insbesondere von der Größe von MTS L, auf der Reise nicht metergenau gefahren werden können, wenn sie eine Geschwindigkeit von 11 km/h haben. Bei Einhaltung des danach allgemein zu wahrenden Sicherheitsabstandes von den Wahrschaupontons und der zwischen ihnen zu denkenden Verbindungslinie war eine Kollision mit dem gesunkenen Leichter ausgeschlossen.
Soweit die Beklagten behaupten, MTS L habe einen seitlichen Sicherheitsabstand von 20 m von dem unteren Wahrschauponton lind von 25 bis 30 m vom oberen Wahrschauponton eingehalten, ist ihr Vorbringen widerlegt. Der gesunkene Schubleichter ragte zunächst nur 9 m, später ca. 14 m bis 15 m über die Verbindungslinie der Wahrschaupontons hinaus. Wenn MTS L gleichwohl auf das Wrack auflief, so konnte dies nur geschehen, wenn der erforderliche Sicherheitsabstand von mehr als 15 m nicht gewahrt war. Eine erhebliche Kurskorrektur während der Vorbeifahrt an den Pontons, die zu einer Annäherung von MTS L an die Verbindungslinie der Pontons geführt haben könnte, haben die Beklagten jedenfalls in Abrede gestellt, so daß danach als einzige Erklärung für die Kollision die Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes bleibt. Der Beklagte zu 2) hat fahrlässig gehandelt. Er hätte wissen müssen, daß die Vorbeifahrt an den Wahrschaupontons einen deutlich größeren Abstand erfordert als 15 m. Sofern der Beklagte zu 2) von einer diesbezüglichen Verpflichtung ausgegangen sein sollte, wäre ihm zum Vorwurf zu machen, daß er in vermeidbarer Weise die Pontons zu nah angesteuert hat oder fahrlässig die eingehaltene Entfernung von den Pontons überschätzt hat.
Die Beklagte zu 1) haftet für den eingetretenen Schaden gemäß § 114 BSchG.
Die Klägerin muß sich kein Mitverschulden entgegenhalten lassen. Für die Sicherung des gesunkenen Leichters war sie, nachdem die Nebenintervenientin die Bundesrepublik Deutschland, sich eingeschaltet hatte und die Aufgaben der Verkehrssicherung wahrnahm, nicht mehr verpflichtet. Es ist auch kein Rechtsgrund ersichtlich, aus dem sich die Klägerin einen Fehler der Bundesrepublik Deutschland bei der Sicherung des gesunkenen Leichters entgegenhalten lassen muß. Ferner ist es auch nicht dargetan, daß die Klägerin schuldhaft den Untergang ihres Leichters R herbeigeführt hat oder doch für ein Verschulden insoweit einzustehen hätte.
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