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Urteil des Oberlandesgerichts – Schiffahrtsobergericht – Köln
vom 22.10.1999
– 3 U 147/98 Bsch –
Tatbestand:
Die Beklagte ist Ausrüsterin des Fahrgastkabinenschiffes MS P. Eigentümerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus B und S.
Mit Vertrag vom 18. Mai 1996 (Bl. 6 ff. d., A.) vercharterte die Beklagte das Fahrgastschiff der Fa. C mit Sitz in Luxemburg, und zwar dergestalt, dass die Fa. als Ausrüsterin zu bewerten war. Zwischenzeitlich ist die Fa. C in Konkurs gegangen, die Vertragsbeziehung zur Beklagten ist beendet.
Die Klägerin belieferte das Fahrgastschiff im Auftrag der Fa. C regelmäßig mit Lebensmitteln, Getränken, Tabakwaren und mistigen Dingen des täglichen Bedarfs. Seit Mitte Mai 1997 bezahlte die C die Rechnungen dafür nicht mehr. Es entstand ein Saldo von 255.20.8,53 hfl.
Im September 1997 gab die Beklagte eine eigenständige Bestellung im eigenen Namen auf und leistete hierfür vor Lieferung eine Akontozahlung in Höhe von 16.000,00 hfl. Die Rechnung der Klägerin lautete lediglich über 13.546,41 hfl. Hinsichtlich eines der Beklagten insofern zustehenden über 2.453,59 hfl erklärte die Klägerin die Aufrechnung mit ihrer noch offenen Forderung gegen die C.
Die Klägerin hat vorgetragen, hinsichtlich ihrer noch offenen Forderung gegenüber der C habe sie ein Schiffsgläubigerrecht an dem Fahrgastschiff erworben, weil die Bestellungen durch die Schiffsführung erfolgt seien, während das Schiff auf Fahrt gewesen sei. Das Fahrgastschiff habe durch die Lieferungen erst betrieben werden können. Die Ausführung der Lieferungsverträge gehöre zu den Dienstobliegenheiten des Schiffsführers, wobei unerheblich sei, ob dieser mit Vollmacht der C gehandelt habe
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte, zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung in das Fahrgastkabinenschiff MS P wegen einer Schiffsgläubigerforderung der Klägerin über 252.755,14 hfl nebst 5 % Zinsen seit dem 1. September 1997 zu dulden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klöage abzuweisen, und im Wege der Widerklage die Klägerin zu verurteilen, an sie 2.453,59 hfl nebst 4 % Zinsen ab Zustellung der Widerklage zu zahlen.
Sie hat die Auffassung vertreten, bereits aus rechtlichen Gründen sei kein Schiffsgläubigerrecht entstanden. Die Bestellung von Lebens- und Genußmitteln könne kein Schiffsgläubigerrecht begründen, weil derartige Gegenstände zum ,,Betreiben" eines Schiffes nicht erforderlich seien. Zudem entstehe kein Schiffsgläubigerrecht, wenn der Schiffsführer das Rechtsgeschäft nicht kraft gesetzlicher Befugnis, sondern aufgrund ihm seitens des Eigners/Ausrüsters erteilter Vollmacht schließe. Die Aufrechnungserklärung der Klägerin gegen Rückzahlungsanspruch der Beklagten wegen, überzahlter 2.453,59 hfl sei daher ins Leere gegangen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Durch Urteil vom 22. Juni 1998 (B1. 75 ff. d. A.), auf das vollinhaltlich Bezug genommen wird, hat das Schifffahrtsgericht die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagten 2.453,59 hfl nebst 4 % Zinsen seit dem 19. Februar 1998 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe weder nach § 102 Nr. 5 Abs. 1 erste Alternative in Verbindung mit Alternative in Verbindung mit § 4 Abs. 1 N 2 BSchG ein Schiffsgläubigerrecht an dem Fahrgastschiff erworben. Die gesetzliche Vertretungsmacht des Schiffsführers aus § 15 Abs. 1 BSchG beschränke sich auf objektiv unerlässlich notwendige Geschäfte. Darunter falle die Verproviantierung des Schiffes auch unter Berücksichtigung dessen, dass es sich um ein Fahrgastschiff handele, nicht. Im Falle der Bestellung der Waren durch die Firma C selbst oder durch den Schiffer namens der Ausrüsterin habe die Klägerin einen unbeschränkten persönlichen Anspruch gegen diese als Vertragspartner mit der Folge, dass kein zusätzliches Schiffsgläubigerrecht entstanden sei. Der Zweck des § 102 BSchG gehe nur dahin, den Gläubiger in den Fällen, in denen der Schiffseigner nur beschränkt mit seinem Schiff und der Fracht, hafte, dinglich zu sichern. Bei einer vollen und persönlichen Haftung des Eigners/Ausrüsters bereits aus dem von ihm mit dem Lieferanten geschlossenen Vertrag sei dies nicht gegeben.
Die Widerklage auf Rückzahlung der überzahlten 2.453,59 hfl sei aus § 812 BGB begründet. Mangels Erwerbes eines Schiffsgläubigerrechts sei die Aufrechnung der Klägerin ins Leere gegangen.
Gegen dieses ihr am 7. Juli 1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6. August 1998 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 6. Oktober 1998 begründet.
Sie macht geltend, die Verproviantierung gehöre zu den Geschäften, die die Ausführung der Reise erforderlich machten. Sie verweist auf § 527 Abs. 1 HGB, in dem die Verproviantierung des Schiffes ausdrücklich genannt ist, und auf § 528 Abs. 1 HGB - Kreditgeschäfte des Kapitäns -, worunter auch die Verproviantierung falle. Im, vorliegenden Fall seien die Bestellungen für die Ausführung der Reise erforderlich gewesen, weil die Fahrgäste an Bord mit Lebens- und Genußmitteln hätten versorgt werden müssen. Eine spezielle Vollmacht habe dem Schiffsführer gefehlt. Jedenfalls sei ein Schiffsgläubigerrecht gemäß § 102 Nr. 5 Abs. 1, zweite Alternative in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 2 BSchG entstanden, und zwar auch 'bei persönlicher Haftung des Schiffseigners. Die zum alten Seerecht vertretenen Meinungen seien inzwischen überholt und auf das Binnenschifffahrtsrecht nicht übertragbar. Heute seien es eher wirtschaftliche Gründe, weshalb bestimmte Forderungen mit einem, Schiffsgläubigerrecht ausgestattet würden.. Inzwischen hafte ein Schiffseigner für die Mehrzahl der in § 102 BSchG genannten Forderungen nicht nur beschränkt dinglich, sondern auch persönlich.
Im übrigen sei eine Mithaftung; der Beklagten für die Forderungen der Klägerin gegen die Fa. C geboten, weil die Fa. C über Chartervertragskonstruktion offenbar von „ausbluten" sollen.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und nach ihren erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich darauf, dass die Lieferungen aufgrund Vertrages zwischen der "Klägerin und der Fa. C erfolgt seien. Die einzelnen Bestellungen aufgrund des abgeschlossenen Rahmenvertrages seien sowohl in der Vorzeit als auch in dem hier fraglichen Zeitraum von Mai bis Ende August 1997 entweder durch den Direktor der Fa. C, Herrn E, oder die bei dieser Firma angestellte Zahlmeisterin Frau En, getätigt worden. Etwaige Bestellungen durch den Schiffsführer seien mit Vollmacht der C erfolgt. Die Verproviantierung gehöre nicht zu den Verpflichtungen eines Schiffsführers im Binnenschifffahrtsrecht, wie ein Vergleich zwischen § 8 BSchG und § 513 HGB zeige. Es handele sich auch nicht um eine dringliche Maßnahme, insbesondere nicht, was die Unterhaltung des Hotelbetriebes angehe. Hinsichtlich der zweiten Alternative des § 102 Nr. 5 Abs. 1 BSchG sei die Klage unter Zugrundelegung des eigenen Vorbringens der Klägerin unschlüssig, da Voraussetzung sei, dass der Schiffseigner den Vertrag selbst geschlossen habe. Zudem sei die Ausführung des Vertrages ''keine Dienstobliegenheit des Schiffers, da es hier um die Bezahlung gehe, die Sache des Eigners/Ausrüsters sei. Im übrigen seien die Voraussetzungen für die Entstehung eines Schiffsgläubigerrechts restriktiv auszulegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst den überreichten Urkunden Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Klägerin hat in der Sache. keinen Erfolg.
Das Schifffahrtsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage zur Erstattung der überzahlten 2.453,59 hfl nebst Zinsen verurteilt; denn sie hat kein Schiffsgläubigerrecht an dem Fahrgastschiff MS P erworben.
1.
Ein Schiffsgläubigerrecht ist nicht, nach § 102 Nr. 5 Abs. 1, erste Alternative in Verbindung mit § 15 Abs. 1 BSchG a.F. (in der vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Haftungsbeschränkung in der Binnenschiffahrt vom 25.08.1998 - BGBl. I S. 2489 geltenden Fassung) entstanden.
Es fehlt schon an der ersten Voraussetzung, nämlich dass der Schiffsführer die Bestellungen aufgrund seiner gesetzlichen Vertretungsmacht nach § 15 BSchG und nicht mit Bezug auf eine Vollmacht des Ausrüsters, also der C getätigt hat; Unstreitig hat eine Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und der C bestanden. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten ist von einem Rahmenvertrag auszugehen, der zu Beginn der Geschäftsbeziehung geschlossen worden ist. Auf der Grundlage dieses, Rahmenvertrages sind sodann entsprechend dem Bedarf fortlaufend Einzelbestellungen erfolgt. Es bedarf keiner Aufklärung dazu, ob diese durch den Schiffsführer oder - entsprechend der Behauptung der Beklagten - durch den Direktor der Fa. C , Herrn E oder die bei dieser Firma angestellte Zahlmeisterin Frau En getätigt worden sind. Für letzteres spricht allerdings die von der Klägerin vorgelegte Nachbestellung vom 22. März 1997, die von Frau En unterzeichnet ist. Selbst wenn man den Vortrag der Klägerin zugrundelegen wollte, der Schiffsführer habe die Einzelbestellungen vorgenommen, hätte dieser namens und in Vollmacht der Fa. C gehandelt. Die Rechnungen sind unstreitig stets an die Fa. C gegangen, die diese auch hinsichtlich der Lieferungen für rund 1 Jahr bezahlt hat. Dies lässt sich nur damit erklären, dass der Schiffsführer zur Vornahme der Nachbestellungen seitens der C bevollmächtigt war. Zumindest hat er aufgrund einer Duldungsvollmacht gehandelt; denn der Fa. C war ja bekannt, dass der Schiffsführer über ein Jahr lang die Einzelbestellungen für sie aufgegeben hatte, und das Schiff weiterhin für sie im Einsatz war. Da der Schiffsführer somit, wenn er überhaupt Bestellungen getätigt hat, dabei mit Bezug auf eine Vollmacht der Fa. C und nicht kraft seiner gesetzlichen Vertretungsmacht gemäß § 15 BSchG gehandelt hat, bedarf es keiner Entscheidung dazu, die Verproviantierung im Binnenschifffahrtsrecht, insbesondere auch diejenige der Gäste auf einem Fahrgastschiff, von § 15 BSchG erfasst wird.
2.
Hinsichtlich der zweiten. Alternative von § 1Q2 Nr. 5 Abs.4 BSchG a.F. erweist sich die Klage bereits als unschlüssig, wenn man die Behauptung der Klägerin zugrundelegt, dem Schiffsführer habe eine spezielle Vollmacht gefehlt; denn Anspruch der Klägerin daran, dass die Ausführung der von der Vorschrift werden nur von dem Schiffseigner geschlossene Verträge erfasst. Auf jeden Fall scheitert ein Anspruch der Klägerin daran, das die Ausführung der Verträge nicht zu den Dienstobliegenheiten des Schiffsführers gehört. Dabei kommt es auf die Art der Ausführungshandlung an. Nicht darunter fallen Ausführungshandlungen, die dem Schiffseigner selber oder einer von ihm betrauten anderen Hilfsperson als dem Schiffsführer obliegen (so für das Seerecht Schaps-Abraham, Das Deutsche Seerecht, 3. Auflage, § 486 HGB Anmerkung 23). Hier geht es um die Bezahlung des Kaufpreises für die Lebens- und Genußmittel. Ohne Zweifel ist dies nicht Sache des Schiffsführers-, sondern des Ausrüsters/Eigners, also der Fa. C . Ein Schiffsgläubigerrecht ist daher für die Klägerin nicht entstanden, so dass es auf die Frage, ob im Falle eines unbeschränkten persönlichen Anspruchs gegen den Schiffseigner überhaupt ein Schiffsgläubigerrecht entstehen kann, nicht ankommt (vgl. hierzu Vortisch-Bemm, Binnenschifffahrtsrecht, 4. Auflage, § 102 Rnr. 22 (offengelassen); zum alten Seerecht: OLG Kiel OLG E 22, 69; RGZ 83, 130; Schaps-Abraham a. a. 0. § 486 HGB Rnr. 29 und 754 HGB Anmerkung 26 ff.).
3. Die Klägerin kann die. Forderung auch, nicht aus einem anderen Rechtsgrund herleiten. Für einen Anspruch aus § 826 BGB ist nicht genügend vorgetragen...
Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO...
Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer der Klägerin: 227.208,00 DM.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2000 - Nr. 6 (Sammlung Seite 1787 f.); ZfB 2000, 1787 f.