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3 U 144/79 - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 29.02.1980
Aktenzeichen: 3 U 144/79
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Rechts- und Haftungsfragen im Verhältnis zwischen Verkäufern, Käufern, Fracht- und Unterfrachtführern sowie Umschlagsfirmen und, Empfängern einer Ware, wenn beim Umschlag ein zur Beförderung eingesetztes Schiff beschädigt wird.

Urteil des Oberlandesgerichts - Schiffahrtsobergericht in Köln

vom 29. Februar 1980

3 U 144/79

(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Die Beklagte hatte bei der Fa. N. 127 Stück Coils gekauft, die von Antwerpen bis Dortmund per Binnenschiff und von dort „franko Hagen" per Lkw befördert werden sollten. Zu diesem Zweck gab die Fa. N. der Fa. U. in Antwerpen, Streithelferin der Beklagten, einen entsprechenden Auftrag. Firma U. schaltete als Unterfrachtführerin die Fa. Nav. und diese ihrerseits den Schiffseigner W. ein, der mit seinem MS S die Güter nach Dortmund beförderte. Dort erfolgte im Auftrag der Fa. U. der Umschlag vom Schiff auf Kai und Lkw durch die Fa. L., die auch die Weiterbeförderung nach Hagen übernommen hatte. Beim Löschen des Schiffes rutschte ein Coil ab und fiel aus einer Höhe von 60 bis 100 cm in das Schiff zurück, das erheblich beschädigt wurde.

Die Klägerin, die sich als Kaskoversicherin alle Schadensansprüche des Eigners W. hat abtreten lassen, verlangt von der Beklagten Ersatz des erstatteten Schadensbetrages von ca. 16500,- DM mit der Behauptung, daß die Beklagte nach Maßgabe der dem Transportauftrag zugrundeliegenden Konnossementsbedingungen für das Verschulden der Bediensteten der Fa. L. hafte, die den C-förmigen Entladehaken nicht weit genug in die CoilRolle hineingeschoben hätten.
Die Beklagte hält sich nicht für schadensersatzpflichtig, insbesondere da sie beim Umschlag in Dortmund nicht als Empfängerin des Ladegutes habe angesehen werden können.
Das Schiffahrtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

„...

Das Schiffahrtsgericht hat mit Recht angenommen, daß die Beklagte der Klägerin aus positiver Vertragsverletzung nach den §§ 26, 56 BSchG, 435, 436, 446 ff HGB, 242, 249, 278, 398 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist.

I.

Unzweifelhaft sind unmittelbar zwischen dem Schiffseigner W. und der Beklagten keine Rechtsbeziehungen geknüpft worden. Daran hat weder der Hauptfrachtvertrag noch der Unterfrachtvertrag zwischen der Firma Nav. und W. zunächst etwas geändert. Zwar waren diese Verträge ihrem Inhalt nach Verträge zu Gunsten eines Dritten, hier der Beklagten, im Sinne des § 328 BGB. Durch diese Frachtverträge konnte aber die Beklagte nicht selbst belastet werden, da Verträge zu Lasten Dritter im geltenden Recht nicht möglich sind.

II.

Nach § 26 BSchG in Verbindung mit den §§ 435, 435, 436, 446 ff HGB entstehen zwischen dem (Unter-) Frachtführer und dem Empfänger des Gutes spätestens mit der Annahme des Gutes und des Frachtbriefes oder des Ladescheins vertragliche Beziehungen (Vortisch-Zschucke, Binnenschiffahrtsund Flößereirecht, 3. Aufl., § 56 Anm. 3).
Derartige vertragliche Beziehungen sind hier nach der Sachlage anzunehmen. Es kann dahingestellt bleiben, ob dem „Originalkonnossement" der Firma Nav., das für Kapitän W. gezeichnet worden ist, die Bedeutung eines Ladescheins oder lediglich eines Frachtbriefes zukommt, denn beide Urkunden sind im Rahmen des § 436 HGB gleichzustellen. Es kommt daher lediglich darauf an, daß die Beklagte das „Originalkonnossement" überhaupt erhalten hat. Daran aber kann nach dem beiderseitigen Vorbringen kein Zweifel bestehen (wird ausgeführt).
Das Verlangen des Schiffseigners W. nach Rückgabe des Originalkonnossements steht nicht dem Merkmal „Annahme des Frachtbriefs" im Sinne des § 436 HGB entgegen, wie die Beklagte meint. Denn nach § 448 HGB ist ein Frachtführer zur Ablieferung des Gutes nur gegen Rückgabe des Ladescheins, auf dem die Ablieferung des Gutes bescheinigt ist, verpflichtet. Nur das aber kann hier Schiffseigner W. gewollt haben. Denn auf dem Originalkonnossement befindet sich eine entsprechende Bescheinigung der Firma L.
Die Beklagte hat auch die Coils angenommen.
Es unterliegt an sich keinen Zweifeln, daß der Gesamttransport der Ladung von Antwerpen bis Hagen zu den Kunden der Beklagten ausschließlich Sache der Firma N. gewesen ist und so auch verfahren wurde. Denn die Beklagte ihrerseits hat weder eine Fracht- noch einen Umschlagauftrag erteilt. Darauf kann es aber letztlich nicht ankommen, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat. Für die Beurteilung der Rechte des Unterfrachtführers zum Empfänger kommt es nicht auf Abreden an, die außerhalb des Unterfrachtvertrages und ohne Mitwirkung des Unterfrachtführers getroffen worden sind. Maßgebend können alleine die Abreden sein, die im Rahmen des Unterfrachtvertrages getroffen sind und wie aus dieser Sicht sich das Verhalten der Beteiligten unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben im redlichen Verkehr darstellt. Aus dieser Sicht mußte die Beklagte als Empfängerin angesehen werden.
Nach dem „Originalkonnossement" war die Beklagte die Empfängerin der Ladung. Denn Empfänger ist der, an den das Gut nach dem Frachtvertrag auszuliefern ist (BaumbachDuden, HGB, 23. Aufl., § 434, Anm. 1 B.).
...
Nachdem ihr das Originalkonnossement - gleichviel von wem - übersandt worden war, hat die Beklagte zu keiner Zeit gegen ihre Bezeichnung als Empfängerin Einwendungen erhoben, vielmehr auf Verlangen des Schiffseigners W. hat die Beklagte keine Bedenken gehabt, das Originalkonnossement der Firma L. auszuhändigen, damit entsprechend § 436 HGB verfahren werden konnte. Da keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, daß Schiffseigner W. die internen Abreden über den Transport bekannt waren, mußte aus seiner Sicht die Beklagte entsprechend den unwidersprochen gebliebenen Angaben in dem Originalkonnossent als Empfängerin schon in Dortmund erscheinen, wo im Auftrag der Beklagten aus der Sicht vom Schiffseigner W. die Firma L. als Umschlagunternehmer tätig wurde. Aus Gründen des Verkehrsschutzes muß sich die Beklagte die sich aus ihrem Verhalten ergebenden gesetzlichen Folgen, nämlich das Entstehen vertraglicher Beziehungen aufgrund einer Annahme des Gutes hinnehmen, wenn sie nicht sofort vor der Auslieferung des Gutes an die Firma L. gegenüber dem Schiffseigner/Schiffsführer klarstellte, daß sie nicht Empfängerin sei und die Firma L. als Empfangsspediteur für die N. oder für die Streithelferin der Beklagten handele.
War aber die Beklagte nach der hier maßgebenden Sicht des Schiffseigners W. Empfängerin des Gutes, so hatte sie nach § 56 BSchG die gepackten Güter auf dem Schiff abzunehmen und die weitere Entladung zu bewirken. Bei der Erfüllung der ihr als Empfängerin nach dem Frachtvertrag obliegenden Verpflichtung hat die Firma L. als Erfüllungsgehilfin der Beklagten im Sinne des § 278 BGB mitgewirkt.
Zwar hat die Beklagte der Firma L. keinerlei Auftrag erteilt, wie zwischen den Parteien unstreitig ist. Darauf kommt es aber nicht an. Denn Erfüllungsgehilfe ist, wer nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird.
Die Art der zwischen dem Schuldner und der Hilfsperson bestehenden rechtlichen Beziehungen ist unerheblich. Es kann eine rein tatsächliche Zusammenarbeit bestehen. Ohne Bedeutung ist es deshalb auch, ob die Hilfsperson eine eigene Verbindlichkeit erfüllen will und ob sie überhaupt weiß, daß sie durch ihre Tätigkeit eine Verpflichtung des Schuldners erfüllt (BGHZ 13, 114; BGH Vers. R. 1969, 1108).
...
Es kann auf sich beruhen, ob ein Verschulden der Bediensteten der Firma L. nach den Regeln des Anscheinsbeweises anzunehmen ist, denn jedenfalls hätte die Beklagte nach § 282 BGB, der auch auf Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung anwendbar ist, beweisen müssen, daß der Schaden nicht auf ihrem Verschulden oder dem ihrer Erfüllungsgehilfen beruht. Durch die Beweisaufnahme in dem Rechtsstreit 5 C 129/77 BSch Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort, hat die Beklagte diesen Beweis entgegen der Ansicht ihrer Streithelferin nicht geführt. Denn weder durch die Bekundungen der dort vernommenen Zeugen noch durch richterlichen Augenschein ist geklärt worden, weshalb es zu dem Abrutschen eines Coils vom Haken gekommen ist und ob insbesondere dieser Umstand auf Gründen beruht, die die Beklagte bzw. die Firma L. nicht zu vertreten hat. Diese Ungewißheit geht zu Lasten der Beklagten.

III.

Zu Unrecht meint die Streithelferin, daß die Beklagte sich auf eine Freizeichnung in den Allgemeinen Umschlagbedingungen der Firma L. berufen können. Dabei verkennt sie, daß eine Schutzwirkung für Dritte rechtliche Beziehungen voraussetzt, die die Einbeziehung eines Dritten in den Schutz vertraglicher Abreden als ein Gebot von Treu und Glauben erscheinen lassen. Beziehungen, wie sie hier zwischen der Beklagten und der Firma L. nach dem Gesetz bestanden, reichen dazu nicht aus.
...“