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3 U 11/86 - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 30.05.1986
Aktenzeichen: 3 U 11/86
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Zur rechtlichen Bedeutung von Dispositionsmaßnahmen eines Verlademeisters bei der Schiffsbeladung.

2) Zum Kündigungsrecht des Frachtführers gemäß § 34 BSchG.

Urteil des Oberlandesgerichts - Schiffahrtsobergericht in Köln

vom 30. Mai 1986

3 U 11/86

(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Das MS V der Klägerin war noch vor Ablauf der Ladezeit von der Ladestelle bei der Firma Bayer in Uerdingen abgefahren, weil der Lademeister erklärt hatte, „eher fiele der Himmel ein", als daß das Schiff bis zum Ablauf der Ladezeit, dem 8.6.1985, beladen sei. Das Schiff habe vielmehr die Ladestelle zu räumen, da seine Beladung zunächst nicht vorgesehen sei. Die Klägerin verlangt aufgrund des Frachtvertrages in entsprechender Anwendung des § 34 BSchG Fehlfracht. Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Schiffahrtsobergericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

„.....
Ergaben sich Schwierigkeiten an der Ladestelle und wurde dem Schiffer, wie die Klägerin behauptet, die Beladung innerhalb der vereinbarten Ladezeit verweigert, durfte der Schiffer seine Dispositionen überhaupt nur dann von den Erklärungen des Lademeisters abhängig machen, wenn dieser die notwendige Kompetenz hatte, verbindliche Erklärungen abzugeben, und deshalb als feststehend zu erachten war, daß eine Beladung innerhalb der vereinbarten Ladezeit unmöglich war. Aufgrund der Umstände des Falles kann das hier nicht angenommen werden. Grundsätzlich ist ein Lademeister nicht mit öffentlich-rechtlichen Funktionen beliehen., vielmehr Bediensteter des Hafeneigentümers. Als solcher ist er von den Weisungen seiner Vorgesetzten abhängig. In allen Dispositionen des Lade- oder Verlademeisters können seine Vorgesetzten eingreifen, ohne ihm dafür Rechenschaft zu schulden. Ob von derartigen Direktionsbefugnissen Gebrauch gemacht wird, ist eine Frage des Einzelfalles und auch von kaufmännischen Erwägungen abhängig. Wenn in der Vergangenheit derartige Weisungen unterblieben sein sollten, besagt das nicht, daß später einmal Weisungen ergehen können, wenn das dem Hafeneigentümer erforderlich erscheint. So gesehen waren alle Erklärungen des Lademeisters jedenfalls nicht das letzte verbindliche Wort in dieser Sache. Daß auch der Schiffer und mit ihm die Klägerin die Erklärungen des Lademeisters nicht als das letzte Wort verstanden haben, folgt daraus, daß der Schiffer die Klägerin von dem Vorfall verständigt hat und die Klägerin dann ihrerseits mit der Beklagten fernschriftlich und fernmündlich Kontakt aufgenommen hat. Alles das wäre unnötig gewesen, wenn man der Auffassung gewesen wäre, daß keine Möglichkeit mehr bestanden hätte, auch entgegen den Erklärungen des Lademeisters noch die fristgerechte Beladung des Schiffs zu erreichen.
Daß auch über den Kopf des Lademeisters der Firma Bayer hinweg auf einer höheren Ebene ermöglicht werden konnte, die Beladung des MS V zu erreichen, ist zwar zwischen den Parteien umstritten. Alle Zweifel gehen aber insoweit zu Lasten der Klägerin, weil sie sich darauf beruft, es habe ein Kündigungsrecht vor dem Ablauf der vereinbarten Ladezeit bestanden und ein Abwarten des Fristablaufs sei sinnlos gewesen. Die Klägerin hätte deshalb behaupten und beweisen müssen, daß keine Möglichkeit bestanden hat, eine Beladung des Schiffes vor dem Ablauf der Ladezeit herbeizuführen. Daran fehlt es. Der Senat ist unter diesen Umständen der Überzeugung, daß der Beklagten bis zum Ende der Ladezeit Gelegenheit gegeben werden mußte, die aufgetretenen Schwierigkeiten zu beheben. Wenn aber MS V davonfuhr und die Beklagte keine Mitteilung über die Einnahme einer Warteposition erhielt, entstand zwangsläufig der Eindruck, das Schiff stehe fortan zur Beladung und Ausführung des Transports entsprechend dem Frachtvertrag nicht mehr zur Verfügung. Die Beklagte brauchte bei dieser Sachlage zumutbarerweise keine Bemühungen mehr zu unternehmen, auf höherer Ebene die Beladung des Schiffes zu erreichen. Ist aber, wie festgestellt, der Schiffer eigenmächtig vor dem Ablauf der vereinbarten Ladezeit abgefahren, liegen die Voraussetzungen einer Auflösung des Frachtvertrages durch Kündigung in entsprechender Anwendung des § 34 BSchG nicht vor. Ein Anspruch auf Fehlfracht ist daher nicht entstanden. Das Schiffahrtsgericht hat deshalb die Klage mit Recht abgewiesen.
.....“.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1988 - Nr.2 (Sammlung Seite 1223); ZfB 1988, 1223