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Leitsätze:
1. Eine Parteivereinbarung über einen Gerichtsstand inkludiert keine von der Regelung des Art. 40 EGBGB abweichende Rechtswahl.
2. Die Rechtsfigur „Inbetriebhalter" im ungarischen Recht deckt sich mit der des Ausrüsters und der des Auch-Ausrüsters nach deutschem Recht.
3. Eine Personengleichheit in der Funktion des Geschäftsführers mehrerer zu einer Reedereigruppe gehörenden Schifffahrtsunternehmen schafft keine, eine Ausrüster- Eigenschaft grundsätzlich ausschließende rechtliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit zwischen diesen Unternehmen. Dies gilt ebenso wenig für einen Internetauftritt einer Reederei, in dem sie mit der Zugehörigkeit von Fahrzeugen verschiedener operativ tätiger Gesellschaften der Firmengruppe zu ihrer Flotte wirbt.
4. Die Stellung als Auch-Ausrüster eines Schiffes kann nur inne haben, wer die Voraussetzungen der Ausrüster-Eigenschaft erfüllt.
(Von der Schriftleitung formulierte Leitsätze)
Urteil des Oberlandesgerichts Köln (Schifffahrtsobergericht)
vom 18.01.2005
3 U 117/04
Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung im vorliegenden Rechtsstreit steht die Frage, ob die Beklagte und Berufungsbeklagte als Ausrüster anzusehen ist und deshalb auf Ersatz des Schadens, der bei einer Schiffskollision entstanden ist, in Anspruch genommen werden kann.
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
I.
Die Klägerin - Versicherer des MS „V." - macht Schadensersatzansprüche in Höhe von rd. € 82.000,— aus einem Zusammenstoß dieses Schiffes mit dem Koppelverband „KV" - bestehend aus dem TMS „K." und dem Schubleichter „E." - geltend. Zu dieser Kollision war es im Oktober 2002 auf der Donau in Komärom (Ungarn) im Begegnungsverkehr bei Nebel gekommen. Die Klägerin nimmt die Beklagte als Ausrüster - jedenfalls als Auch-Ausrüster - des TMS „K." in Anspruch, weil der Schiffsführer des TMS „K." als Bergfahrer die Kollision verschuldet habe. Das Schifffahrtsgericht hat die Beklagte weder als Schiffseigner noch als Ausrüster angesehen und die Klage daher abgewiesen. Die Klägerin sucht mit der Berufung eine Bestätigung ihrer Auffassung, dass die Beklagte Ausrüster des TMS „K." sei und damit für den Schaden verantwortlich gestellt werden müsse.
Zur Begründung verweist die Klägerin auf die Haltung der Streithelferin „E.-T." - ein ungarisches Unternehmen -, die zwar Ausrüster sei, aber auf Verantwortlichstellungen durch die Klägerseite nicht reagiert und ihre Behauptung, sie stelle das Schiffspersonal, nicht konkretisiert und nicht unter Beweis gestellt habe. Die Beklagte sei insoweit ihrer Prozessförderungspflicht nicht nachgekommen.
Die Klägerin hält dem Gericht 1. Instanz vor, diese Zusammenhänge nicht aufgeklärt zu haben. Das Schifffahrtsgericht hätte ihres Erachtens klären müssen, wer das Schiffspersonal von TMS „K." beschäftigt habe. Die Klägerin beantragt gemäß § 421 ZPO, der Beklagten und der Streithelferin die Vorlage der Arbeitsverträge des Personals, der Befrachtungsnachweise und der Versicherungspolice aufzuerlegen. Nach Auffassung der Klägerin habe die Beklagte das Schiff bereedert, befrachtet und versichert. Die Klägerin vertritt ferner unter Hinweis auf § 18 Abs. 2 HGB die Auffassung, die Reederei X. müsse mit der Beklagten gleichgesetzt werden, da sie TMS „K." über einen Internetauftritt vermarkte. Im übrigen habe eine langjährige Mitarbeiterin der Beklagten diese nach der Kollision als Ausrüsterin des TMS „K." bezeichnet. Darüber hätte das Schifffahrtsgericht nach Auffassung der Beklagten Beweis erheben müssen.
Hilfsweise macht die Klägerin geltend, die Beklagte sei zumindest „Auch-Ausrüster" neben der Streithelferin.
II.
Wie das Berufungsgericht vorab feststellt, unterliegen die von der Klägerin geltend gemachten Ersatzansprüche gem. Art. 40 EGBGB ungarischem Recht. Maßgeblich ist insoweit der Ort des Zusammenstoßes und der Ort des Schadenseintritts an MS „V.". Beide liegen in Ungarn. Art. 40 Abs. 2 EGBGB kommt nicht zur Anwendung; weder die Klägerin noch ihre Versicherungsnehmerin haben Sitz oder Niederlassung in Deutschland. Weiter verneint der erkennende Senat die Voraussetzungen des Art. 41 EGBGB. Er teilt auch nicht die Auffassung der Klägerin, die Parteien hätten sich für die Anwendung deutschen Rechts entschieden. Die Beklagte habe sich lediglich entsprechend dem Angebot der Klägerin mit St. Goar als Gerichtsstand einverstanden erklärt, damit aber keine Rechtswahl getroffen. Eine Verständigung über die Anwendung deutschen Rechts sei auch nicht dadurch zustande gekommen, dass sich die Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs auf die Vorschriften des Binnenschifffahrtsgesetzes berufen habe. Denn Beklagte und Streithelferin hätten wiederholt darauf bestanden, ungarisches Recht anzuwenden.
Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Haftung der Beklagten als Ausrüster oder Auch-Ausrüster von TMS „K." nach ungarischem Recht bestand wegen der diesbezüglichen Übereinstimmung des deutschen mit dem ungarischen Rechts aus Sicht des Senats keine Notwendigkeit. Nach ungarischem Recht hafte der „Inbetriebhalter" ebenso wie nach deutschem Recht der Ausrüster. Die Rechtsfiguren des Ausrüsters und des Auch-Ausrüsters finden sich nach der Überzeugung des Berufungsgerichts im ungarischen Begriff „Inbetriebhalter" wieder.
III.
Ausgehend von dieser Übereinstimmung kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass nach deutschem Recht eine Haftung gem. §§ 2, 3, 92, 92 b) BinSchG nicht besteht. Denn die Beklagte war unstreitig nicht Schiffseigner des TMS „K." (§ 1 BinSchG). Der Senat schließt sich ferner der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts an, dass die Beklagte nach deutschem Recht nicht Ausrüster oder zumindest Auch-Ausrüster des TMS „K." gewesen sei. Die Beklagte habe den ihr obliegenden Beweis für die Umstände, die die Ausrüstereigenschaft begründen, nicht erbracht. Zum Begriff des Ausrüsters führt das Berufungsgericht aus:
„Ausrüster im Sinne von § 2 BinSchG ist jede Person, die ein ihr nicht gehöriges Schiff zur Binnenschifffahrt verwendet und es entweder selbst führt oder die Führung einem Schiffsführer anvertraut. Der Ausrüster muss im eigenen Namen das Schiff als selbständiger Unternehmer nutzen. Wird das Schiff einem Schiffsführer anvertraut, so ist der Schiffsverwender nur dann Ausrüster, wenn der Schiffsführer in seinen Diensten steht, also von ihm abhängig ist und seinem Direktionsrecht unterliegt" (vgl. BGHZ 22, 197. 200; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg VersR 1978, 560 - jeweils für § 510 HGB). Passend zur Behauptung der Beklagten und der Streithelferin, letztere sei Ausrüster von TMS „K.", ist in dem von der Schifffahrtsaufsicht des Zentralen Verkehrsinspektorats in Budapest - Registrierungsbehörde für schwimmende Objekte unter ungarischer Flagge - geführten Register die Streithelferin als „Inbetriebhalter" des Schiffes eingetragen. Dieser Begriff nach ungarischem Recht entspreche unstreitig dem Begriff des Ausrüsters nach deutschem Recht. Die Klägerin stützt ihre Behauptung, die Beklagte sei Ausrüster, im wesentlichen auf den Internetauftritt der Reederei „X.". Diese wirbt darin mit der Zugehörigkeit der beiden Fahrzeuge des Koppelverbandes „KV." zu ihrer Flotte. Die Reederei „X." umfasst als Firmengruppen- Familienunternehmen („X."-Gruppe) eine Vielzahl operativ tätiger Gesellschaften. Dazu zählen die Beklagte und auch die Streithelferin, letztere als von der Beklagten technisch und wirtschaftlich unabhängige ungarische Betriebsgesellschaft (Kommanditgesellschaft mit Sitz in Budapest). Lt. Handelsregisterauszug für beide Firmen ist die Beklagte weder Komplementärin noch Kommanditistin der Streithelferin.
Wohl bestand zum Unfallzeitpunkt Personenidentität bei einem der Geschäftsführer beider
Firmen sowie bei einem weiteren Geschäftsführer der Beklagten und der Komplementärin
der Streithelferin. Ferner waren drei Mitglieder der das Unternehmen tragenden Familie Kommanditistin der Streithelferin. Das Berufungsgericht hält diese Personengleichheit nicht für ausreichend, um daraus eine rechtliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit der Streithelferin von der Beklagten abzuleiten. Ebenso wenig begründe die Werbung der Reederei „X." im Internet mit der auf eigenständige Niederlassungen gestützten „geschlossenen Leistungskette von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer" eine derartige Abhängigkeit. Nichts anderes ergebe sich daraus, dass der Geschäftsführer beider Unternehmen, also der Beklagten und der Streithelferin, in einem in einer Fachzeitschrift veröffentlichten Artikel die Streithelferin als „Tochterunternehmen" bezeichnet habe. Ausweislich der Artikelüberschrift und aufgrund des Textzusammenhangs habe er - wie das Gericht ausführt - die Streithelferin der „X."-Gruppe und nicht der Beklagten zuordnen wollen.
Entgegen der Wertung der Klägerin sieht der Senat die erheblichen Beträge für „in Anspruch genommene Dienstleistungen" wegen Schiffsmiete und Schiffsbesatzung, wie sie in dem von der Klägerin vorgelegten vereinfachten Jahresabschluss 2002 der Streithelferin aufgeführt sind, als wesentliches Indiz für die Richtigkeit des Vortrags der Beklagten und der Streithelferin, dass sie - die Streithelferin - das ihr nicht gehörende TMS „K." zur Binnenschifffahrt verwendet und die Besatzung gestellt hat. Zwar sei sie nicht Arbeitgeberin der Besatzungsmitglieder gewesen; diese seien durch eine crewing agency gestellt worden - eine im Schifffahrtsbereich weit verbreitete Form der Arbeitnehmerüberlassung.
Die Streithelferin habe aber das arbeitsrechtliche Weisungsrecht hinsichtlich der Berufsausübung der Besatzungsmitglieder erlangt und die Weisung gegeben, wie die Besatzungsmitglieder sich auf dem Schiff zu verhalten hätten, von wem, wann, wie und wo gesteuert werde, welche Ladung das Schiff aufnehme und wo gelöscht werde. In der im Jahresabschluss 2002 aufgeführten „Schiffsmiete" sei auch die Chartermietrate für TMS „K." enthalten. Der Senat kommt deshalb zu dem Schluss, dass das Schiff von der Streithelferin befrachtet wird. Die Klägerin hat diesen Vortrag der Beklagten und Streithelferin nicht zu widerlegen vermocht. Der Senat hebt im Gegenteil hervor, dass die Beklagte und die Streithelferin hinreichend substantiiert dargetan hätten, dass der Schiffsführer und die übrige Besatzung in den Diensten der Streithelferin standen und ihrem Direktionsrecht unterlagen.
Unter Hinweis auf § 422 ZPO verschließt sich der Senat den Anträgen der Klägerin gem. § 421 ZPO, der Streithelferin und der Beklagten die Vorlage der Arbeitsverträge des Personals von TMS „K.", die Befrachtungsnachweise und die Versicherungspolice für das Schiff vorzulegen. Ein materiellrechtlicher Anspruch auf Auskunft oder Herausgabe von Urkunden stehe der Klägerin nicht zu. Mit der Benennung der Streithelferin als Ausrüster betrachtet der Senat die Auskunftsansprüche der Klägerin als erfüllt. Aus diesem Grunde sieht der Senat auch von einer Anordnung der Urkundenvorlegung nach § 142 ZPO ab.
In den weiteren Ausführungen setzt sich das Berufungsgericht mit den von der Klägerin vorgetragenen Indiztatsachen auseinander. Sie bieten für das Berufungsgericht weder einzeln noch in der Gesamtschau einen Ansatz für die Feststellung einer Ausrüstereigenschaft der Beklagten. Es bestand somit für das Gericht kein Grund, die angebotenen Beweise zu erheben. Kein hinrächendes Indiz ist in den Augen des Senats der Umstand, dass ein für Versicherung und Havariebearbeitung zuständiger Angestellter der Beklagten Schadensfälle und Versicherungsangelegenheiten auch für andere Gesellschafter der „X."-Gruppe bearbeitet hat, u.a. im Fall der Anmeldung von Schadensersatzansprüchen einer Tochtergesellschaft gegenüber der Klägerin. Solche Maßnahmen sprechen - ebenso wie die Beauftragung von Schiffsexperten durch Mitarbeiter der Beklagten - im Rahmen des Familienunternehmens „X."- Gruppe nach Auffassung des Senats nicht gegen die rechtliche und wirtschaftliche Eigenständigkeit der einzelnen Gesellschaften. Zur gleichen Bewertung kommt er, soweit es die Versicherung des TMS „K." betrifft.
Außerdem habe die Klägerin für diese Behauptung und die weitere, das Schiff sei unter der Flagge der Beklagten gefahren, keinen geeigneten Beweis angeboten. Der Senat folgt ferner dem Schifffahrtsgericht, dass die von der Klägerin behauptete Äußerung einer nicht vertretungsberechtigten Mitarbeiterin der Beklagten, diese habe den Koppelverband ausgerüstet, die Ausrüstereigenschaft nicht begründen könne und keinen hinreichendes Indiz dafür sei, dass die Beklagte tatsächlich Ausrüster war. Das Berufungsgericht verneint schließlich auch die Möglichkeit, die Beklagte neben der Streithelferin als Auch-Ausrüster des Schiffes anzusehen. Diese Stellung könne nur innehaben, wer die Voraussetzungen der Ausrüster-Eigenschaft erfülle. Wirtschaftlicher Nutzen, den die Beklagte nach dem Vortrag der Klägerin durch die europaweite Vermarktung der X-Flotte durch die X-Reederei habe, reiche für eine derartige Annahme nicht aus.
Das Berufungsgericht teilt auch nicht die Überlegung der Klägerin, unter Hinweis auf § 18 Abs. 2 HGB eine Rechtsscheinhaftung der Beklagten aus dem Internetauftritt der „Reederei X." herzuleiten. Für die Frage einer Haftung des Ausrüsters für eine Schiffskollision spiele dieser Gesichtspunkt keine Rolle. Der Zusammenstoß des Schiffes sei nicht etwa erfolgt, weil die Versicherungsnehmerin der Klägerin darauf vertraut hätte, es mit einem Schiff zu tun zu haben, dessen Ausrüster die Beklagte sei. Den Vorwurf treuwidrigen Verhaltens der Beklagten damit begründen zu wollen, dass sie ihre Ausrüstereigenschaft in diesem Rechtsstreit verneint habe, weist der Senat zurück. Denn der Klägerin sei bereits mehr als ein halbes Jahr vor Klageerhebung durch ein weiteres Unternehmen der „Reederei X.", die Y-Schifffahrtsgesellschaft mbH, mitgeteilt worden, dass Ausrüster von TMS „K." die Streithelferin gewesen sei.
Die unterbliebene Reaktion der Streithelferin auf die außergerichtliche Verantwortlichstellung durch die Klägerin bezeichnet das Berufungsgericht als nicht entscheidungsrelevant.
Die Revision ist nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 3 ZPO nicht
vorliegen.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2006 - Nr.4 (Seite 53 f.); ZfB 2006, 53 f.