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3 U 109/86 - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 30.01.1987
Aktenzeichen: 3 U 109/86
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Zum beiderseitigen Verschulden der Führungen begegnender Schiffe, wenn der Talfahrer einer Weisung des Bergfahrers zur Steuerbordbegegnung nicht folgt und der Bergfahrer wegen nicht hinreichender Beachtung der Fahrweise des Talfahrers nicht auf die Durchführung der gegebenen Kursweisung verzichtet.

Urteil des Oberlandesgerichts - Rheinschiffahrtsgericht - in Köln

vom 30. Januar 1987

- 3 U 109/86 -

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Das beladene, von der Klägerin versicherte MS L kollidierte mit einer Geschwindigkeit von 17 - 18 km/h, etwa in der Strommitte mit blauer Flagge zu Tal fahrend, bei Rhein-km 710 mit dem der Beklagten zu 1 gehörenden, zu Berg fahrenden und beladenen MTS „Sorpesee", dessen verantwortlicher Rudergänger zur Unfallzeit der Beklagte zu 2 war. MS L ist gesunken. Sein Restwert wurde von den Experten kontradiktorisch auf 10000,- DM festgesetzt, während der Gesamtschaden von der Klägerin mit 851689,- DM beziffert worden ist. Der Wert des MTS S betrug im beschädigten Zustand 400000,- DM, seine Reparaturkosten beliefen sich auf 23 280,90 DM, der Wert der Fracht auf 10000,- DM.
Die Klägerin verlangt den Gesamtbetrag von 433 280,90 DM - als Höchsthaftungssumme - von den Beklagten als Gesamtschuldnern mit der Behauptung, daß der Schiffsführer von MS L nach vorheriger Steuerbordbegegnung mit den Bergfahrern MS I, MS R und MTS Rü einen weiteren Bergfahrer, - wie sich später herausstellte das MTS S - hart linksrheinisch gesehen habe, das die blaue Flagge und das Blinklicht gezeigt habe. Trotz Aufforderung auf Kanal 10 habe sich dieser Bergfahrer nicht gemeldet und auch trotz weiteren Hinweises auf dessen Hissen der blauen Flagge und die zu enge Durchfahrt bei einer Steuerbordbegegnung nicht reagiert. Daher habe der Schiffsführer von MS L seinen noch etwas nach rechtsrheinisch gerichteten Kurs zu einer Backbordbegegnung unter Reduzierung der Maschinendrehzahl beibehalten und bei einer Entfernung von 400 m über Kanal 10 erklärt, daß er wegen der Unmöglichkeit der Stuerbordbegegnung die Blaue Flagge wegnehme. Darauf sei geantwortet worden, „er solle doch machen". Bei einer Entfernung von 150 m habe MTS S plötzlich eine harte Kursänderung nach Backbord vorgenommen, so daß der Unfall unvermeidlich geworden sei. Die Beklagten meinen, für eine Stuerbordbegegnung sei ausreichend Platz gewesen. Als MS L plötzlich nach Steuerbord gegangen sei, habe der Rudergänger von MTS „Sorpesee" mehrmals über Kanal 10 auf die Verpflichtung zur Steuerbordbegegnung gemäß gezeigter blauer Flagge hingewiesen, was jedoch nicht beachtet worden sei. Im Gegenteil sei MS L weiter nach Steurbord gekommen und habe schließlich die Tafel und das Blinklicht weggenommen. Das Rheinschiffahrtsgericht hat der Klage zur Hälfte entsprochen und die Beklagten zur Zahlung von 216 640,45 DM verurteilt. Die Berufung beider Parteien wurde mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage nur dem Grunde nach zu 1/2 bis zum Höchstbetrag von 433 280,90 DM gerechtfertigt ist. Der Rechtsstreit ist daher zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs und die Kosten an das Rheinschiffahrtsgericht zurückverwiesen worden.

Aus den Entscheidungsgründen:

„....
Zutreffend ist das Rheinschiffahrtsgericht davon ausgegangen, daß der Talfahrer MS L die Kollision dadurch verschuldet hat, daß er der Weisung des Bergfahrers MTS S, eine Steuerbord-Steuerbord-Begegnung durchzuführen, nicht nachgekommen ist. Der Schiffsführer von L hat in einer Entfernung von 1000 m - 1200 m den Bergfahrer MTS S und seine Kursweisung erkannt. Die gewünschte Begegnung wäre auch durchführbar gewesen. Die vernommenen Zeugen haben den Vortrag der Klägerin, das Tankschiff S sei ganz weit linksrheinisch gefahren, so daß eine Steuerbordbegegnung ausgeschlossen oder nur unter erheblicher Gefahr möglich gewesen sei, nicht bestätigt.
...
Nach den Angaben der Zeugen war bei einem Abstand von 100 m zum linken Ufer eine Passage Steuerbord an Steuerbord gut möglich. Sie hätte aber auch dann durchgeführt werden können, wenn zugunsten des Talfahrers allein auf die Aussage des Zeugen T. abgestellt und angenommen würde, die Entfernung zwischen MTS S und dem linken Rheinufer habe nur 50 - 60 m betragen. Insoweit wird auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen, die sich der Senat zu eigen macht. Soweit die Klägerin geltend macht, die Steuerbord/Steuerbordbegegnung sei mit erheblichen Gefahren verbunden gewesen, weil sie in einem „Nadelöhr" an der Biegung des Stromes hätte stattfinden müssen, ist ihr Vorbringen durch die Zeugenaussagen und angesichts der guten Motorisierung von MS L widerlegt. Danach wäre es auch in der Strombiegung möglich gewesen, die gewünschte Begegnung herbeizuführen. Aber auch der Beklagte zu 2) hat die Kollision mitverschuldet. Ihm ist anzulasten, daß er die Fahrweise von MS L nicht hinreichend beobachtet und dementsprechend auf die Durchführung der von ihm gegebenen Kursweisung nicht verzichtet hat. Hätte nämlich MTS S seinen Kurs entsprechend dem Stromverlauf fortgesetzt, wäre es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Kollision nicht gekommen.
...
Kursweisung eine Backbord/Backbord-Begegnung durchgeführt werden wollte. Es war deshalb in dieser Situation grob fehlerhaft, auf Backbordkurs zu gehen und damit das Risiko einer Kollision zu schaffen, die ohne das Manöver nicht stattgefunden hätte. Dabei ist zu berücksichtigen, daß wegen der Annäherung der beiden Schiffe die Schiffsführer den Sprechfunk eingeschaltet hatten.
...
Da die Anfragen des Talfahrers an den Bergfahrer von der übrigen Schiffahrt mitangehört und bestätigt worden sind, die Angaben des Beklagten zu 2) über den Gesprächsinhalt aber nicht, kann - selbst wenn die mögliche Einverständniserklärung des Beklagten zu 2) mit der Backbordbegegnung als nicht nachgewiesen unterstellt wird - zumindest angenommen werden, daß er auf die Anfrage in unklarer Fahrtsituation nicht geantwortet und durch dieses Unterlassen eines Widerspruchs den Schiffsführer von MS L in der Annahme bestärkt hat, die über Funk zu hörende Äußerung „er solle schon machen" stamme vom Bergfahrer und stelle eine Einwilligung in die erbetene Änderung der Kursweisung dar.
Bei der Abwägung des beiderseitigen Verschuldens ist eine jeweils hälftige Quotierung der Unfallverantwortlichkeit sachgerecht und angemessen. Die Abweichung des Talfahrers von der Kursweisung des Bergfahrers erscheint unter Berücksichtigung des im Bogen verlaufenden Strombettes und des hierdurch bedingten optischen Versatzes des Bergfahrers zur linken Stromseite nicht schwerer als der - letztlich - gescheiterte Versuch des Bergfahrers, eine Steuerbord/Steuerbord-Begegnung durch Einschlagen eines Backbordkurses auch dann noch zu erzwingen, als er erkannt hatte oder hätte erkennen müssen, daß der Talfahrer eine Backbord/Backbordbegegnung ansteuerte.
Die Beklagten haften aus §§ 823 BGB, 4, 114, BSchG mit Schiff und Ladung, da das Schiff zu neuen Reisen ausgesandt worden ist, auch persönlich. Der Höhe nach ist die Haftung auf den Wert von Schiff und Ladung beschränkt, wobei die Schadensersatzforderung des Schiffseigners gegen den Schädiger an die Stelle des Schiffswertes tritt (§ 115 BSchG). Da diese Forderung nur in Höhe von 1/2 der Reparaturkosten besteht, die andere Hälfte aber durch Kasko gedeckt ist, errechnet sich die Haftungshöchstsumme aus dem Schiffswert von 400000,- DM der Reparaturkosten- und
Kaskoforderung von 23 280,90 DM und dem Wert der Fracht mit 10000,- DM insgesamt 433 280,90 DM.
Die Höhe der Klageforderung, die mit 851689,- DM berechnet worden ist, haben die Beklagten bestritten. Der Rechtsstreit ist zur Höhe noch nicht ausgeschrieben worden. Vielmehr bezog sich das Schwergewicht der bisherigen Verhandlungen auf den Grund des Anspruchs. Im Hinblick hierauf und weil weitere Beweiserhebungen erforderlich sind und um den Parteien nicht eine Instanz zu nehmen, hat der Senat davon abgesehen, in der Sache selbst über die Höhe zu entscheiden, sondern ein Grundurteil erlassen und den Rechtsstreit im übrigen an das erstinstanzliche Gericht. zurückverwiesen (§§ 538 Ziffer 3, 540 ZPO).
...“.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1988 - Nr.4 (Sammlung Seite 1234 f.); ZfB 1988, 1234 f.