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3 U 106/90 - Landgericht (Rheinschiffahrtsgericht)
Entscheidungsdatum: 18.01.1991
Aktenzeichen: 3 U 106/90
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Landgericht Köln
Abteilung: Rheinschiffahrtsgericht

Leitsatz:

Durch Kursweisung festgelegte gefahrlose Kurse dürfen grundsätzlich nicht mehr geändert werden.

Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschiffahrtsgerichts) Köln

vom 18.1. 1991

3 U 106/90

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

- rechtskräftig -

Zum Tatbestand:

Der zu Tal fahrende Schubverband der Klägerin kollidierte mit dem entgegen kommenden MS der Beklagten am 23.1. 1987 auf dem Rhein zwischen dem Düsseldorfer Hafen und der Kniebrücke.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat der Schadensersatzklage stattgegeben. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

„ .. Unstreitig war ausreichend Fahrwasser für eine Begegnung vorhanden. Über Kanal 10 war ausdrücklich die Vorbeifahrt Steuerbord an Steuerbord vereinbart worden.
Der Bergfahrer hat in eigener Verantwortung zu prüfen, welchen Raum der Gegenkommer benötigt und hat, wenn er das nicht mit Sicherheit feststellen kann, pflichtgemäß soweit Platz zu machen, daß der Talfahrer in jedem Fall ungehindert passieren kann. Bei der Begegnung muß dem Gegenfahrer ein objektiv geeigneter Weg freigelassen werden. Insbesondere ist einem Schubverband zur Vermeidung von nautischen Schwierigkeiten ein möglichst weiter Begegnungsraum einzuräumen (vgl. Bemm/ Kortendick, RheinSchPV 1983, 2. Aufl., §6.04 Rdnr. 13-15). Im Hinblick auf die starke Linkskrümmung des Rheins im Bereich der Düsseldorfer Kniebrücke war zu berücksichtigen, daß der talfahrende Schubverband eine nicht unerhebliche Schräglage mit dem Kopf zum linksrheinischen Ufer hin einnehmen mußte, um problemlos durch die Kurve zu kommen. Diese Lage der Schubverbände in dem genannten Bereich ist in der Schiffahrt hinlänglich bekannt. Der Schiffsführer des MS hätte sie einkalkulieren und dem talfahrenden Schubverband dementsprechend genügend Raum lassen müssen.
Dies hat er jedoch nicht getan. Vielmehr hat er den Kurs des MS zu weit nach Steuerbord zur Strommitte hin verlegt. Dies ergibt sich aus der detaillierten und in sich widerspruchsfreien Aussage des Zeugen „S", wonach sich die Kollision zwischen Strommitte und linksrheinischem Ufer ereignet hat. Widersprüche zu der polizeilichen Aussage des Zeugen sind nicht erkennbar. Wenn er dort angegeben hat, der Schubverband sei „quer im Strom" gewesen, so steht dies nicht im Gegensatz zu seiner Bekundung vor dem Rheinschiffahrtsgericht, der Schubverband habe eine Schräglage mit dem linksrheinischen Ufer und mit dem Heck zur Strommitte hin gehabt. Mit dem Ausdruck „quer im Strom" hat der Zeuge unzweifelhaft nicht gemeint, daß sich der Schubverband genau in einem Winkel von 90 Grad zur Fließrichtung des Stroms befunden hätte; vielmehr war - wie sich aus dem Zusammenhang der Zeugenaussage ergibt - darunter lediglich zu verstehen, daß der Kurs des Schubverbandes in Richtung zum linksrheinischen Ufer zu einer Schrägstellung geführt hatte. Daß sich der Schubverband mit seinem Achterschiff weit über die Strommitte hinaus in der rechtsrheinischen Fahrwasserhälfte befunden hätte, kann auch nicht aus der Skizze des Zeugen hergeleitet werden. Diese Skizze ist nicht maßstabsgerecht und eignet sich daher nicht zur genauen Positionsbestimmung. Entscheidend sind die präzisen Angaben des Zeugen vor dem Rheinschifffahrtsgericht, wonach sich das Heck des Schubverbandes nicht über die Strommitte hinaus befand.
Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der Zeuge das Echo auf dem Radarschirm fehlgedeutet haben könnte. Der Zeuge „S" ist ein Schiffsführer mit langjähriger Berufserfahrung. Ausweislich seiner polizeilichen Aussage hat er das Rheinschifferpatent seit 1961. Der Anlaß dafür, daß er auf den Radarschirm sah, war, daß er den Knall eines Zusammenstoßes gehört hatte. Unter diesen Umständen kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, daß der Zeuge genau hingeschaut hat, um festzustellen, an welcher Stelle sich die Kollision ereignet hatte.
Befand sich demnach zur Zeit des Zusammenstoßes der Schubverband in Schräglage mit seinem Kopf in der Nähe des linksrhreinischen Ufers und mit seinem Heck in der Strommitte, so muß der Schiffsführer des MS vom rechtsrheinischen Ufer zur Strommitte gefahren sein. Offensichtlich ist er bei dem Versuch, den Stillieger „V" zu umfahren, zu weit nach Steuerbord geraten. Dies war nautisch fehlerhaft, da er dem talfahrenden Schubverband entgegen §§6.03 und 6.04 RheinschPV keinen hinreichenden Raum für die Vorbeifahrt freiließ. Ferner liegt ein Verstoß gegen §§ 1,04 und 6.30 Nr. 6 RheinSchPV vor, da er von dem abgesprochenen Kurs abgewichen ist, ohne dem Schubverband hiervon über Kanal 10 Mitteilung zu machen. Durch Kursweisung festgelegte gefahrlose Kurse dürfen grundsätzlich nicht mehr geändert werden (vgl. Bemm/Kortendick, § 6.03 Rdnr. 31). Wenn der Schiffsführer des MS gleichwohl eine Kursänderung vornahm, war er auf jeden Fall verpflichtet, den Schubverband hiervon so frühzeitig zu informieren, daß dieser Maßnahmen treffen konnte, um die Gefahr einer Kollision bei der Begegnung zu verhindern. Hieran hat sich der Schiffsführer des MS nicht gehalten. Nachdem er rechtsrheinisch fahrend unterhalb der Kniebrücke mit dem Schubverband über Kanal 10 Kontakt aufgenommen hatte, teilte er diesem unstreitig mit, er habe abgestoppt und warte, bis der Schubverband ihn passiert habe. Diese Absprache hat auch der Zeuge "W" bei seiner polizeilichen Vernehmung bestätigt. Nach dem polizeilichen Vermerk vom 20. 3. 1987 waren die von dem Zeugen "W" wiedergegebenen Durchsagen auch auf den der Polizei zur Verfügung gestellten Tonbandaufzeichnungen zu hören. Der Schiffsführer des MS hätte daher nach der getroffenen Kursabsprache unterhalb gestoppt warten müssen, bis der Schubverband ihn passiert hatte. Nach seiner eigenen Aussage vor dem Rheinschiffahrtsgericht ist er jedoch weitergefahren, hat noch versucht, den Stilllieger zu umfahren, und hat erst kurz vor der Kollision, als er sah, daß es eng wurde, sein Fahrzeug abgestoppt. Nach alledem hat der Schiffsführer des MS die Kollision durch nautisches Fehlverhalten schudhaft herbeigeführt. Ein Mitverschulden der Besatzung des Schubbootes läßt sich nicht feststellen. Daß der Schubverband nach rechtsrheinisch verfallen wäre, ist - wie das Rheinschiffahrtsgericht treffend ausgeführt hat - nicht bewiesen... "

Anmerkung der Redaktion:

Den gefahrlosen Kurs weist die Vorschrift der geregelten Begegnung. Sie dürfte Fehlverhalten, wie es das Rheinschiffahrtsobergericht rügt, ausschließen, sog. Knallzeugen überflüssig machen und vor allem Havarien vermeiden helfen.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1991 - Nr.10 (Seite 434); ZfB 1991, 434