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Leitsätze:
1) Konnossementsbedingungen regeln nicht das Verhältnis zwischen den einzelnen Frachtführern einer Frachtführerkette, sondern deren Verhältnis zur Ladungsseite. Ein in den Konnossementsbedingungen enthaltenes Verbot der Abtretung von Schadensersatzansprüchen ist generell zulässig, aber gegenüber einem Transportversicherer unwirksam. Dieser kann jedoch die Forderung nicht weiter abtreten.
2) Für das Verhältnis zwischen dem Hauptfrachtführer und dem Absender gelten allein die Bestimmungen des Frachtvertrages. Ist in einem Rahmenvertrag die Geltung der Vorschriften des BinSchG ausdrücklich vereinbart worden, gelten allein die Vorschriften dieses Gesetzes. Ein Hinweis in Geschäftsschreiben oder Bezugnahmen in den Ladescheinen auf Konnossementsbedingungen ändern den Inhalt des Frachtvertrages nicht.
Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Köln
Vom 25.02.1994
3 U 101/93
(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin ist ein Inkassobüro. Sie macht eine Forderung der Versicherung A geltend, die diese aus übergangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin V. ableitet. Der Beklagte zu 1) ist Schiffseigner des MS J. Mit diesem Schiff wurde eine Ladung von 548,4 t südafrikanischer und 564 t australischer Kohle von Rotterdam mit Bestimmungsort Bergkamen befördert. Die Beklagte zu 2) war Hauptfrachtführerin dieses Transportes. Der Transportauftrag war von ihr an die Streithelferin, von dieser an die D. und von letzterer an den Beklagten zu 1) weitergegeben worden. Über die beiden Teilladungen hatte die Beklagte zu 2) unter dem 27. und 28.09.1990 „für den Schiffer" zwei Ladescheine ausgestellt, die folgende Eintragung enthalten: „Für unsere Binnenschiffahrtsgeschäfte gelten unsere Übernahme- und Konnossementsbedingungen."
Nach Abschluß der Beladung verließ MS J am 28.09.1990 gegen 16.00 Uhr Rotterdam. Gegen 18.00 Uhr, als das Schiff vom Hartel-Kanal in die Oude Maas einfuhr, wurde Wassereinbruch im Vorschiff festgestellt. Der Schiffsführer des MS J setzte das Schiff auf die Böschung. Obwohl es von MS K weiter auf Land gedrückt wurde, sank es bei einsetzendem Hochwasser.
Die Klägerin hat behauptet, Ursache des Sinkens des MS J sei ein Abriß der Obergangsplatte in der Bergplatte unterhalb der Schweißnaht dieses Schiffes gewesen, wo sich eine Öffnung von ca. 45 cm. Länge und maximal 5 cm Breite befunden habe, die zur Zeit des fraglichen Transportes ca. 16 cm über der Wasserlinie des abgeladenen Schiffes gelegen habe. Diese Beschädigung habe bereits im Zeitpunkt des letzten Anstrichs des MS J bestanden, sei also bei Fahrtantritt bereits vorhanden gewesen. Die in den Ladescheinen aufgeführte Empfängerin sei ein mit der V. verbundenes Unternehmen. Es sei ständige Praxis, daß die V. für die Empfängerin sämtliche Versicherungen eindecke und deren sämtliche Schäden abwickle. Die V. reguliere im Wege der Generalabtretung im eigenen Namen sämtliche Schäden der Empfängerin. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, für den Transport hätten die Bedingungen des Binnenschiffahrtsgesetzes gegolten.
Der Beklagte zu 1) hat behauptet, anfängliche Fahruntüchtigkeit habe nicht vorgelegen. Die Ursache des Wassereintritts sei ungeklärt. Möglicherweise sei eine Leckage der Außenhaut beim Drehen im Strom entstanden. Der Transport sei unter den von ihm vorgelegten „Verlade- und Transbedingungen (Konnossementsbedingungen)" identisch seien. Er hat sich auf die hierin enthaltenen Haftungsausschlüsse und ein Abtretungsverbot berufen. Er hat die Auffassung vertreten, er könne sich selbst im Falle anfänglicher Fahruntüchtigkeit auf den Haftungsausschluß der Konnossementsbedingungen berufen, da das Verbot von Ausschlußklauseln in bestimmten Fällen nur für den Verwender von allgemeinen Geschäftsbedingungen gelte und nicht anwendbar sei, wenn der Auftraggeber selbst Ansprüche gegen den nachfolgenden Frachtführer ausschließe. Auch bei gesetzlichem Forderungsübergang auf die Versicherung A. habe die Forderung des in den Konnossementsbedingungen enthaltenen Abtretungsverbots nicht wirksam an die Klägerin abgetreten werden können.
Das Schiffahrtsgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei aktivlegitimiert und es liege ein Fall verschuldeter ursprünglicher Fahruntüchtigkeit vor. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, daß der Riß im Vorschiff bereits bei Reiseantritt bestanden habe und für das Sinken des Schiffes ursächlich gewesen sei. Die Einbeulung habe eine erkennbare Gefahrenstelle bedeutet, die dem Beklagten zu 1) Anlaß zur Überprüfung der Fahrtauglichkeit des Schiffes hätte geben müssen. Bezüglich der anfänglichen Fahruntüchtigkeit könne sich der Beklagte zu 1) nicht auf die Freizeichnungsklauseln in den Konnossementsbedingungen berufen.
Die Berufung des Beklagten zu 1) hatte Erfolg, die der Beklagten zu 2) nicht.
Aus den Entscheidungsgründen:
....Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 1) gemäß §§ 823 BGB, 3, 4, 8 Abs. 4 BSchG nicht zu. Denn die Klägerin ist im Verhältnis zum Beklagten zu 1) nicht aktivlegitimiert.
Für das Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten zu 1) als Frachtführer und der Empfängerin ist allein der Inhalt der Ladescheine maßgebend. Die Beklagte zu 2) hat die Ladescheine „ für den Schiffer" also als Vertreterin des Beklagten zu 1) gezeichnet. Daß sie hierzu nicht berechtigt gewesen wäre, wird von keiner Seite behauptet. Durch die Bezugnahme auf die „Übernahme- und Konnossementsbedingungen" der Beklagten zu 2) in den Ladescheinen und die Annahme der Ladescheine durch die Empfängerin sind diese Bedingungen in das Verhältnis zwischen ihr und dem Beklagten zu 1) wirksam einbezogen worden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, daß es sich hierbei um die „Verlade- und Transportbedingungen (Konnossementsbedingungen)" der Beklagten zu 2) handelt. Der Zeuge S. , der seinen Angaben zufolge seit 16 Jahren Prokurist bei der Beklagten zu 2) ist, hat glaubhaft bekundet, bei der Beklagten zu 2) werde nur eine Form von Konnossementsbedingungen verwendet. Sie seien schon jahrzehntelang in Gebrauch und jedenfalls in den letzten zehn Jahren nicht geändert worden. Sie seien in den Ladescheinen nur anders bezeichnet worden. Der Senat hat keine Bedenken, diesen Angaben des Zeugen 5 zu folgen. Für das Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten zu 1) und der Empfängerin gelten somit die hier vorgelegten Konnossementsbedingungen der Beklagten zu 2).
Die Konnossementsbedingungen sollen nach ihrem Inhalt nicht das Verhältnis zwischen den einzelnen Frachtführern einer Frachtführerkette regeln, sondern deren Verhältnis zur Ladungsseite. Es ist anerkannt, daß sich der Unterfrachtführer gegenüber dem Ladungsinteressenten, selbst wenn zu diesem keine vertraglichen Beziehungen bestehen, nach den Grundsätzen des Vertrages zugunsten Dritter auf haftungsbeschränkende und fristenverkürzende Klauseln in den AGB des Hauptfrachtführers berufen kann (vgl. Vortisch/Bemm, Binnenschiffahrtsrecht, 4. Aufl., § 3 Rdnr. 34 und § 58 Rdnr. 17; BGH ZfB 77, 325 und 81, 98). Im vorliegenden Fall sind die AGB sogar vom Beklagten zu 1) selbst, vertreten durch die Beklagte zu 2), eingebracht worden. Sie unterliegen daher der Inhaltskontrolle dahin, ob sie die Ladungsinteressenten unangemessen benachteiligen, § 9 AGBG.
Das in § 25 der Konnossementsbedingungen enthaltene Abtretungsverbot ist nach Auffassung des Senats jedenfalls wirksam, soweit es die Forderungsabtretung von der Versicherung A. an die Klägerin hindert.
Nach herrschender Meinung ist ein Abtretungsverbot auch in AGB generell zulässig (vgl. Münchener Kommentar-Roth, BGB, 2. Aufl., § 399 Rdnr. 26; PalandtHeinrichs, BGB 52. Aufl., § 399 Rdnr. 8 und 9 ; BGHZ 56, 173 (175); 77, 274 f. und 102,293 (300); BGHNJW 81,117 £).Hiervon werden nur wenige Ausnahmen gemacht, wie etwa im Reisevertragsrecht (BGH NJW 89, 2750) sowie in den hier interessierenden Fällen, bei denen es um den gesetzlichen Übergang oder die Abtretung von Schadensersatzansprüchen an den Transportversicherer geht (BGHZ 65, 365 = NJW 76, 672; BGHZ 82, 162 = NJW 82, 992; Vortisch/Bemm a.a.0. § 3 Rdnr. 33). Zur Begründung hat der BGH ausgeführt, der Frachtführer möge zwar ein Interesse daran haben, daß ihm eine im voraus nicht übersehbare Vielzahl von Gläubigern nicht entgegentrete. Dieses Interesse bestehe aber in der Regel nicht, wenn es sich lediglich um den Übergang eines gegen ihn wegen eines Transportschadens gerichteten Ersatzanspruch auf den Schadensversicherer handele. Hier sei es ihm ohne weiteres nachprüfbar, ob und in welchem Umfang der Anspruch auf den Versicherer übergegangen und dieser zu dessen Geltendmachung berechtigt sei. Jedenfalls müsse das etwaige Interesse des Frachtführers hinter die gegenteiligen Interessen des Versicherungsnehmer/Versicherten zurücktreten, der ansonsten selbst den Schadensersatzanspruch gegen den Schuldner verfolgen und das Erstrittene an den Versicherer auskehren müßte und dabei Gefahr laufe, sich diesem gegenüber schadensersatzpflichtig zu machen.
Das Abtretungsverbot in § 25 der Konnossementsbedingungen erfaßt den gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Übergang einer Schadensersatzforderung auf den Transportversicherer mit. Insofern ist es jedenfalls unwirksam. Der Senat hält es jedoch im Hinblick auf das Verbot geltungserhaltender Reduktion nicht für insgesamt unwirksam(vgl. Palandt-Heinrichs, AGBG, Einführung vor § 8 Rdnr. 9; BGH NJW 82, 180). Wie der BGH bereits mehrfach entschieden hat, ist bei AGB-Klauseln, die ihrem Wortlaut nach für die verschiedenen Arten von Geschäften gelten oder die gegenüber verschiedenen Verkehrskreisen verwendet werden, die Interessenabwägung in den verschiedenen Fallgruppen vorzunehmen, was bezüglich ihrer Zulässigkeit zu gruppentyisch unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Hierin liegt keine unzulässige geltungserhaltende Reduktion (vgl. BGH NJW 85, 320, 326); 86, 2102; 87, 2575 f. und 90, 1601). Dem schließt sich der Senat an. Bei Anwendung dieser Grundsätze erscheint das Abtretungsverbot in § 25 der Konnossementsbedingungen nicht generell unwirksam; vielmehr ist die Unwirksamkeit auf die besondere Fallgruppe des gesetzlichen Übergangs oder der Abtretung einer Schadenersatzforderung an den Transportversicherer beschränkt. Es ist kein berechtigtes Interesse der Versicherung erkennbar, die Schadensersatzforderung zu merkantilisieren und mit ihr Factoring zu betreiben. Hier muß das Interesse des Frachtführers an der Nichtabtretung der Forderung Vorrang haben.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß das Abtretungsverbot zwar nicht den Übergang der Schadensersatzforderung auf die Versicherung A. hinderte; diese konnte die Forderung jedoch nur mit dem Abtretungsverbot behaftet erwerben (vgl. BGH WM 68, 195). Die Weiterabtretung an die Klägerin war somit unwirksam. Nach alledem scheitert die Klage gegen den Beklagten zu 1) bereits an ihrer fehlenden Aktivlegitimation.
Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Beklagten zu2)ii dagegen unbegründet. Die gegen sie gerichtete Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Wie das Schiffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind im Verhältnis zwischen der V. und der Beklagten zu 2) deren Korsossementsbedingungen nicht wirksam einbezogen worden. In dem zwischen ihnen geschlossenen Rahmenfrachtvertrag vom 17.11./14.12.89 ist die Geltung der Vorschriften des Binnenschiffahrtsgesetzes ausdrücklich vereinbart worden. Angesichts dieser Individualabrede konnten durch den auf Seite 1 unter des Anschreibens der Beklagten zu 2) vom 17.11.1989 vorgedruckten Hinweis auf ihre „Übernahme- und Konnossementsbedingungen" diese nicht wirksam einbezogen werden.
Die Konnossementsbedingungen sind ferner nicht durch die Bezugnahme in den Ladescheinen in das Vertragsverhältnis zwischen der V. und der Beklagten zu 2) eingebracht worden; denn sie hat die Ladescheine - wie oben ausgeführt - „für den Schiffer", also als Vertreterin des Beklag ten zu 1), gezeichnet. Ladeschein und Frachtvertrag sind zwei völlig getrennte Rechtsverhältnisse. Für dasjenige zwischen dem (Haupt-) Frachtführer und dem Absender gelten allein die Bestimmungen des Frachtvertrages, § 446 Abs. 2 HGB (vgl. BGHZ 73, 4 (7) sowie Urteil des Senats vom 22.03.91 - 3 U 132/90 - m.w.N.), 1 Durch den Hinweis auf die Konnossementsbedingungen in den Ladescheinen konnte somit der Inhalt des Frachtvertrages nicht geändert werden. Zwischen der Beklagten zu 2) und der V. gelten daher allein die Vorschriften des Binnenschiffahrtsgesetzes.
Die Haftung des Beklagten folgt aus den §§ 58, 26 BSchG, 431, 432, Abs. 1 HGB.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2) geht die Klägerin nicht ausschließlich aus der Rechtsposition der Empfängerin vor; vielmehr hat sie ihre Ansprüche ausdrücklich auch aus dem Frachtvertrag hergeleitet
Die Versicherung A hat ihrerseits mit Urkunde vom 01.03.1991 die Forderung wirksam an die Klägerin abgetreten. Wie oben ausgeführt, gilt das Abtretungsverbot zwischen der V. und der Beklagten zu 2) nicht Nach alledem ist die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2) aktivlegitimiert.
Was den Schadenshergang anbetrifft, teilt der Senat die Auffassung des Schiffahrtsgerichts, daß hier ein Fall verschuldeter ursprünglicher Fahruntüchtigkeit vorgelegen hat. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Schiffahrtsgerichts Bezug genommen. Das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlaß. Insbesondere ist davon auszugehen, daß die Beschädigung am Vorschiff des MS J bei Fahrtantritt vorhanden und einwandfrei erkennbar war, so daß sie Anlaß zur Überprüfung und Reparatur hätte geben müssen. Dies wird durch die von der Klägerin mit der Berufungsserwiderung vorgelegten Lichtbilder noch verdeutlicht. Zu einer etwaigen Entstehung des Lecks nach Fahrtantritt innerhalb der zwei Stunden bis zur Feststellung des Wassereinbruchs hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte zu 2) nichts Näheres vorgetragen. Nach alledem haftet sie für den eingetretenen Schaden ......."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1994 - Nr.14 (Sammlung Seite 1483 ff.); ZfB 1994, 1483 ff.