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Leitsätze:
1) Ist in behördlichen Beitragsbescheiden zum Abwrackfonds ein Teil der im jeweils gleichen Veranlagungszeitraum erbrachten Verkehrsleistungen mangels der vorgeschriebenen Meldung nicht berücksichtigt worden, so ist ein Nachtragsbescheid rechtlich zulässig, ohne dass es zuvor der Aufhebung der früheren Bescheide für den fraglichen Veranlagungszeitraum bedarf.
2) Die Gütereinlagerung in Schuten ist nur dann nicht als den Vorschriften des Binnenschiffsverkehrsgesetzes unterliegende Verkehrsleistung anzusehen, wenn das Einlagern von Gütern in Binnenschiffe oder deren Nutzung als Lagerkähne ohne jede Verbindung mit einer vorherigen oder anschließenden Beförderung erfolgt.
3) Die Forderung auf Zahlung von Abwrackbeiträgen verjährt in 30 Jahren.
Verwaltungsgericht Münster
Urteil
vom 25. September 1986
Zum Tatbestand:
Die Beklagte hatte als Prüfungsbehörde bei einer Betriebsprüfung im Mai/Juni 1983 beanstandet, dass die Klägerin nicht unerhebliche, gemäß § 32 a Abs. 2 BSchVerkG beitragspflichtige Transportentgelte, Eiskostenzuschläge, Schleppleistungen und Lagerungsvorgänge für die Jahre 1978 bis 1981 nicht oder zu niedrig in den dreimonatlichen Meldungen angegeben habe. Nachdem von der durch Bescheid der Beklagten auferlegten Nachforderung von über 131500,- DM ein Teil von der Klägerin getilgt und ein weiterer Teil berichtigt bzw. als in der Hauptsache erledigt erklärt worden war, ging es im letzten Stadium des von der Klägerin erhobenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreits nur noch um Beitragspflichten in Höhe von ca. 55950,- DM, die von der Beklagten ausschließlich mit der Einlagerung von Gütern in Schuten begründet wurden. Die Klägerin begründet ihren Anspruch auf Aufhebung der Bescheide der Beklagten u. a. damit, dass der Nachbelastungsbescheid rechtswidrig gewesen sei, weil für den Zeitraum der Nachbelastung noch bestandskräftige Bescheide bestünden und diese zunächst hätten zurückgenommen werden müssen. Bezüglich der Nachbelastungen für die Jahre 1978 und 1979 sei auch Verjährung eingetreten. Außerdem handele es sich um Kosten für langfristige Einlagerungen in Schuten, was nicht als Verkehrsleistung und auch nicht als mit der Schiffsbeförderung zusammenhängende Nebenleistung im Sinne des § 21 BSchVerkG anzusehen sei. Die Beklagte meint, dass sich die Bestandskraft der alten Bescheide nicht auf die überhaupt nicht angemeldeten Verkehrsleistungen erstrecke. Die Verjährung laufe über 30 Jahre. Die Nachforderung beziehe sich auf Verkehrsleistungen der Klägerin, da die Lagerungen die nach der bisherigen Praxis maßgebliche Grenze von 18 Tagen mangels entgegenstehenden Beweises nicht überschritten hätten, die Klägerin ausdrücklich „Liegegelder" berechnet habe und für die Abrechnung der Leistungen „Lagergeld" nach dem einschlägigen Tarif berechnet worden sei.
Die Klage ist vom Verwaltungsgericht - rechtskräftig - abgewiesen worden.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Eine Nachveranlagung zu Beiträgen zum Abwrackfonds ist - mangels entgegenstehender Vorschriften - zur vollständigen Ausschöpfung des gesetzlichen Abgabenanspruches grundsätzlich möglich und - im Rahmen der gebundenen Verwaltung - zwecks gleichmäßiger Gesetzesanwendung sogar geboten. Vorliegend stehen dem insbesondere nicht die bestandskräftig gewordenen früheren Heranziehungsbescheide für die Jahre 1978 bis 1981 entgegen. In ihnen ist ausdrücklich auf die von der Beitragspflichtigen eingereichten Frachterklärungen Bezug genommen, so dass lediglich im Hinblick auf die dort erfassten Verkehrsleistungen eine Regelung erfolgen sollte, nicht aber bezüglich nicht angemeldeter Verkehrsleistungen. Eine - einem Verzicht gleichkommende Regelung für nicht angemeldete Verkehrsleistungen dahin, dass für diese keine Beiträge zum Abwrackfonds mehr erhoben werden, lässt sich den Heranziehungsbescheiden gerade nicht entnehmen. Die früheren Heranziehungsbescheide haben vielmehr ausschließlich belastende Wirkung. - Vgl. insoweit zum kommunalen Abgabenrecht: OVG NW, Urteil vom 25. Februar 1982 - 2 A 1503/81 -, KStZ 1983, 172; Urteil vom 22. Oktober 1985 - 3 A 1671/84 .
Zwar können - in Ausnahmefällen - auch solche nur belastenden (früheren) Abgabenbescheide als Gegenstand für ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen einer Nachforderung entge-genstehen. - Vgl. zu einer solchen Konstellation: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15. April 1983 - 8 C 170.81 -, KStZ 1983, 205.
Das kann vorliegend aber schon deshalb nicht der Fall sein, weil es sich bei den Beiträgen zum Abwrackfonds um eine anzumeldende Abgabe handelt und dabei grundsätzlich der Anmeldungspflichtige selbst das Risiko unvollständiger oder unrichtiger Angaben zu tragen hat.
§ 21 Abs. 1 BSchVG bzw. §65 des Hamburgischen Hafengesetzes wie der - im Jahre 1979 an die Stelle dieser Vorschrift getretene - gleichlautende § 2 Nr. 7 des Hamburgischen Hafenverkehrs- und Schifffahrtsgesetzes führen die Einlagerung von Gütern in Wasserfahrzeuge ausdrücklich als Teil der Hafenschifffahrt - also des Verkehrssystems - auf. Bei der Inbezugnahme des Hamburger Rechtes handelt es sich insoweit nicht um eine „dynamische Verweisung", deren verfassungsrechtliche Zuverlässigkeit zweifelhaft sein könnte, vgl. dazu: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 1. März 1978 - 1 BvR 786, 793/70,168/71, 95/73 -, NJW 1968, 1475 - sondern um eine originär vom Bundesgesetzgeber vorgenommene bloße Eingrenzung und Definition des Begriffes „Verkehrsleistung", die - schon wegen des Erfordernisses der „Gleichartigkeit’ im Verhältnis zu Verkehrsleistungen im Sinne des bundes-rechtlichen § 21 Abs. 1 BSchVG - keine Kompetenzübertragung auf den Landesgesetzgeber beinhaltet.
Davon ausgehend werden - entgegen der Auffassung der Klägerin - die dem Transport von Gütern vorangegangenen oder nachfolgenden Einlagerungen in Schuten auch schon von §21 Abs. 1 BSchVG als Verkehrsleistungen erfasst. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der mit der Einlagerung verbundene Transport der Güter in vielen Fällen als unwesentliche Nebenleistung hinter der Verwendung der Schute als festliegender Lagerraum weitgehend zurücktreten mag. Neben den im Katalog des §21 Abs. 1 BSchVG ausdrücklich genannten Beispielen zählen nämlich nach Sinn und Zweck des BSchVG immer schon solche Einlagerungen zu den Verkehrsleistungen, die mit einer Beförderung auf demselben Schiff unmittelbar zusammenhängen. Vgl. Vortisch, BSchVG, 2. Auflage, § 21 Anm. 1 b; Vortisch-Zschucke, Binnenschifffahrts- und Flößereirecht, 3. Auflage, §21 Anm. 1 b m.w.N..
Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang ist gerade auch dann gegeben, wenn sich die Einlagerung an eine Beförderungsleistung in demselben Schiff anschließt. Vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 15. Februar 1973 - 6 U 16/72; Kählitz, Das Recht der Binnenschifffahrt, Band 1 (BSchVG), § 21 Rdnr. 6 oder die Einlagerung einer Beförderungsleistung in demselben Schiff vorausgeht. In welchem Verhältnis jeweils Transport und Lagerung zueinander stehen, kann dabei für die Einordnung auch der Lagerung als Verkehrsleitung nach der Zielsetzung des Gesetzgebers und aus Praktikabilitätsgesichtspunkten heraus keine Rolle spielen. Das Binnenschiffsverkehrsgesetz will mit seinen Regelungen zur Frachtenbildung und zum Abwrackfonds grundsätzlich jeden Schiffsraum erfassen, der die Funktion des Binnenschifffahrtsmarktes beeinflusst. Den Preiswettbewerb bei der Frachtbeförderung beeinflussen aber alle irgendwie zum Transport geeigneten und angebotenen Wasserfahrzeuge, wenn sie nur irgendwie mit einem Gut bewegt werden. Dabei ist unerheblich, in welchem zeitlichen Umfang sie letztlich tatsächlich Beförderungen durchführen oder zwecks Einlagerung des bewegten oder noch zu bewegenden Gutes vorübergehend ruhig liegen. Abgesehen davon, dass eine genauere Aufspaltung in vom Binnenschiffsverkehrsgesetz noch bzw. nicht mehr erfassten Lagerungstatbestände dem Willen des Gesetzgebers widerspräche, würde eine solche Differenzierung die Handhabung des Gesetzes zudem unnötig erschweren oder gar unmöglich machen, da für eine Differenzierung zwischen noch zum Transport gehörenden und schon selbständigen Einlagerungen keinerlei feststehende und praktikable Unterscheidungskriterien ersichtlich sind. Nur das Einlagern von Gütern in Binnenschiffe oder deren sonstige Nutzung als Lagerkähne ohne jede Verbindung mit einer vorherigen oder anschließenden Beförderung zählt - wegen seiner klaren Unterscheidbarkeit und seines eindeutigen Charakters als selbständiger, nicht mit einer Schiffsbeförderung irgendwie zusammenhängender Vorgang - nicht zu den Verkehrsleistungen; insoweit können nach Sinn und Zweck des § 32a Abs. 2 BSchVG nur geringe Veränderungen des Lagerplatzes des Schiffes an Ort und Stelle außer Betracht bleiben. Vgl. Vortisch, a.a.O.; Vortisch-Zschucke, a.a.O; Kählitz, a.a.O.; Bundestags-Drucksache 1/3622, Amtliche Begründung zu §21 des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung.
Die Klägerin kann der - vorstehend dargelegten - weiten Auslegung des Begriffes „Verkehrsleistung" auch nicht die davon (in rechtswidriger Weise) abweichende – nach der Dauer und der tariflichen Einordnung der Einlagerung differenzierende - Praxis der Beklagten entgegenhalten, wie sie in dem Schreiben der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Duisburg vom 13. Oktober 1969 an den Binnenschifffahrtsverband Elbe und in der Nr. 59 der Aufstellung der beitragspflichtigen Verkehrsleistungen als Anlage zum Schreiben der Freien und Hansestadt Hamburg zum Ausdruck kommt. Abgesehen davon, dass sie die von der Beklagten für eine Beitragsfreiheit verlangten Voraussetzungen hinsichtlich der Dauer und des angewandten Tarifes für die Einlagerungen nicht nachgewiesen hat, gibt der Gleichheitssatz des Artikels 3 GG keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die von der Beklagten geltend gemachten Beiträge zum Abwrackfonds auch nicht verjährt. Eine eigene Verjährungsvorschrift enthält das Binnenschiffsverkehrsgesetz insoweit nicht. § 117 Abs. 1 Nr. 1 BSchVG findet keine Anwendung, - so auch: VG Düsseldorf, Urteil vom 19. Februar 1976 - 8 K 455/74 -, ZfB 1977, 483 - weil diese Vorschrift eine abschließende Aufzählung von Abgaben im engeren Sinne enthält, während es sich bei den Beiträgen zum Abwrackfonds um eine andersartige - nämlich wirtschaftslenkende - Abgabe im weiteren Sinne handelt. - Vgl. zu dem vergleichbaren Fall der Frachtenausgleichsabgabe: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19. März 1976 - VII C 67.72 -
Hätte der Gesetzgeber die erst im Jahre 1969 eingeführte Beitragspflicht zum Abwrackfonds der Regelung des § 117 Abs. 1 Nr. 1 BSchVG unterwerfen wollen, so hätte er dies deutlich zum Ausdruck bringen müssen.
Es findet sich für die Beitragspflicht zum Abwrackfonds auch keine Verweisung auf die Verjährungsvorschriften anderer Gesetze. Insbesondere kann insoweit das - von dem Landesgesetzgeber für kommunale Abgaben im klassischen Sinne geschaffene - KAG NW, über dessen § 12 die Abgabenordnung Anwendung findet, keinerlei Rechtswirkungen für eine vom Bundesgesetzgeber geschaffene und bundeseinheitlich geltende Abgabe entfalten, die in einem weiteren - wirtschaftslenkende Zwecke mitumfassenden - Sinne zu verstehen ist.
Der Maßgeblichkeit der Abgabenordnung steht schon die ausdrückliche Verweisung in § 32 a Abs. 7 BSchVG auf das Vollstreckungsrecht nach der Abgabenordnung als deutlicher Hinweis dafür entgegen, dass der Gesetzgeber im übrigen - also auch hinsichtlich der Verjährung - die Anwendung der Vorschriften der Abgabenordnung gerade nicht gewollt hat. Abgesehen davon widerspricht einer Anwendung der Verjährungsvorschriften der Abgabenordnung auf die Beiträge zum Abwrackfonds auch deren Rechtsnatur. Während es sich nämlich bei den - von der Abgabenordnung jedenfalls über Verweisungsvorschriften eindeutig erfassten - Steuern, Gebühren und Beiträgen um Abgaben zur Deckung des Finanzbedarfs der öffentlichen Hand handelt, dienen die Beiträge zum Abwrackfonds nicht in erster Linie einer effekti¬ven Einnahmeerzielung der öffentlichen Hand, sondern der Durchführung marktlenkender Maßnahmen im Wirtschaftsleben. - Vgl. zum Rechtscharakter der Beiträge zum Abwrackfonds: Bundestagsdrucksache V/2494, S. 36 zu Artikel 1 Nr. 16; BGH, Urteil vom 27. Oktober 1983 - 111 ZR 126/82 -, NJW 1984, 2220 - Mangels nach allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts anwendbarer Sonderregelungen finden nach alledem die Verjährungsvorschriften des BGB Anwendung. - Vgl. Knapp, VwVfG, 2. Auflage, vor § 53 Rdnr. 3; Dörr in DÖV 1984, 12 (15) m.w.N. - Dabei kommt allerdings nicht die Regelung des § 197 BGB, nach der ebenfalls eine vierjährige Verjährungsfrist gelten würde, in Betracht. Es handelt sich hier nämlich nicht um regelmäßig wiederkehrende Leistungen im Sinne dieser Vorschrift, weil dann die Abgabe nach Zeiteinheiten berechnet und nach bestimmten Zeitabschnitten fällig werden, die Fälligkeit also von vornherein hinsichtlich der Zeit feststehen muss. Das ist jedoch bei den Beiträgen zum Abwrackfonds nicht der Fall. - So auch zu den Frachtenausgleichsabgaben: Bundesverwaltungsgericht, a.a.O. -