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3 - 4/91 - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 06.03.1992
Aktenzeichen: 3 - 4/91
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Bei der Befüllung der Ladetanks von Tankschiffen müssen über die Bestimmungen des ADNR hinaus die physikalischen Gesetzmäßigkeiten zum Druckausgleich für den höchstzulässigen Füllungsgrad beachtet werden.

Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Köln

vom 6. 3. 1992

3 - 4/91

(Schiffahrtsgericht St. Goar)

Zum Tatbestand:

Der Angeklagte ist Schiffsführer des TMS „P". das am 15. 11. 1990 mit dem vorgekoppelten TSL „PI" auf dem Rhein zu Berg fuhr. Der Koppelverband war mit Gasöl beladen. Bei Stromkilometer 534,4 linksrheinisch verfiel das TMS infolge Ruderversagens und bekam Grundberührung. Der Leichter „PI" erhielt dadurch in Höhe des vordersten Ladetanks steuerbord ein Leck. Dieser Ladetank, der knapp 118 0001 faßt, war beladen mit ca. 1110001. Infolge der Leckage liefen ca. 108001 Gasöl in den Rhein aus.

Das Schiffahrtsgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Gewässerverunreinigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Schiffahrtsobergericht hat ihn freigesprochen.

Aus den Entscheidungsgründen:

„ .. Hinsichtlich der Gewässerverunreinigung kann dem Angeklagten ein Verschuldensvorwurf nicht gemacht werden.

1. Allerdings ist die Verteilung der Schiffsladung auf die einzelnen Tanks des Leichters „PI", so wie der Angeklagte sie hat vor nehmen lassen, als fehlerhaft zu beanstanden.

a) Tank 1 steuerbord, bei dem es zum Austritt von Gasöl gekommen ist, hat ein Fassungsvermögen von 117 9751. Nach Anlage B zur ADNR, Rdnr. 131421 darf bei Tankschiffen vom Typ V der Füllungsgrad 98 % nicht übersteigen; das sind hier 115615,51. Daran hat sich der Angeklagte gehalten; in Tank 1 steuerbord waren nur ca. 1110001 Gasöl vorhanden, was einer Füllhöhe von 2,90m entspricht.

b) Gleichwohl war die so vorgenommene Befüllung des Tanks fehlerhaft. Der Angeklagte hätte, um der Gefahr des Austritts von Gasöl vorzubeugen, die vorderen beiden Tanks der TSL „PI" nur soweit befüllen dürfen, daß der Druck in den Tanks geringfügig niedriger war als der Druck des umgebenden Wassers.

aa) Wieder Sachverständige Dipl.-Ing. S in der Hauptverhandlung ausgeführt hat, ergibt sich eine Füllhöhe, bei der der Austritt von Gasöl ins Wasser vermieden wird, wenn man den Tiefgang des Schiffes (gemessen in Metern) durch das spezifische Gewicht der in die Tanks eingefüllten Flüssigkeit teilt. Formelhaft läßt sich das wie folgt ausdrücken:

Tiefgang (in m) 
spezifisches Gewicht = Füllhöhe.

Diese Ausführungen sind einleuchtend; sie beruhen auf physikalischen Gesetzmäßigkeiten. Druckausgleich hätte danach beim Schiff des Klägers bestanden, wenn eine Füllhöhe von

2,04 m
0,823         = 2,48 m

eingehalten worden wäre. Der Wert von 0,823 stellt hier das spezifische Gewicht des vom Angeklagten beförderten Gasöls dar. Wäre die Füllhöhe von 2,48 m geringfügig unterschritten worden, so hätte bereits Überdruck des umgebenden Wassers bestanden, so daß im Fall einer Leckage auch durch die Sogwirkung des Wassers 01 nicht hätte austreten können.

bb) Der Angeklagte hat auch eingeräumt, diese Berechnungsmethode und die ihr zugrundeliegenden Gesetzmäßigkeiten zu kennen. Seine Einlassung, er müsse die vorderen Tanks seines Leichters in höherem Maße beladen, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt. Der Sachverständige S. und der Zeuge H. von der Wasserschutzpolizei haben nach dem Unfall das Tankschiff nebst Leichter in Augenschein genommen. Zu dieser Zeit waren bereits 10 8001 Gasöl ausgetreten und weitere 100001 in andere Tanks umgepumpt worden. Wie der Sachverständige und der Zeuge H. festgestellt haben, hat das Schiff zu dieser Zeit etwa gleichlastig gelegen. Dann muß es aufgrund der höheren Befüllung des Tanks 1 zur Zeit des Unfalls und davor buglastig gelegen haben. Die Ladung mußte also nicht wegen besonderer Gegebenheiten des Schiffes so verteilt werden, wie das geschehen ist.

cc) Nach Auffassung des Senates war der Angeklagte verpflichtet, bei der Verteilung der Ladung auf die einzelnen Tanks so vorzugehen, daß im Fall einer Leckage der Austritt von Gasöl vermieden wurde. Gerade bei Transporten von Gefahrgütern muß die Möglichkeit einer Leckage immer in Rechnung gestellt werden. Auch muß jedem Schiffer vor Augen stehen, daß der Austritt von Öl in ein Gewässer wegen der Folgen für die Umwelt unbedingt zu vermeiden ist. Über die Bestimmungen der ADNR über die höchstzulässige Füllhöhe hinaus müssen deshalb die vorerwähnten physikalischen Gesetzmäßigkeiten bei der Befüllung von Ladetanks beachtet werden. Dem hat der Angeklagte nicht Rechnung getragen.

2. Gleichwohl kann dem Angeklagten ein schuldhaftes Verhalten nicht vorgeworfen werden. Denn er hat sich in einem Verbotsirrtum befunden, den er nicht hat vermeiden können (§ 17 StGB).
Der Angeklagte läßt sich dahin ein, er habe die Bestimmungen der ADNR als allein maßgeblich angesehen. Die Ausführungen des Sachverständigen S. (u. a. veröffentlicht bereits in „Der Fahrensmann", Heft 4/88, Seite 4) habe er, der Angeklagte, nur als unverbindliche Empfehlung angesehen, die im übrigen ihre Bedeutung im wesentlichen für das Verhalten nach einer Leckage habe. Daß letzteres unrichtig ist, zeigen schon die Ausführungen des Sachverständigen S. in der Hauptverhandlung, die denjenigen der Veröffentlichung aus dem Jahre 1988 entsprechen. Gleichwohl ist der dem Angeklagten unterlaufene Irrtum nicht vermeidbar gewesen. Unwiderlegt läßt der Angeklagte sich dahin ein, er habe im Jahre 1990 einen Lehrgang absolviert, in dem die ADNR erläutert worden sei. Die Anforderungen an die Befüllung von Ladetanks entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen S. zum Druckausgleich seien dort nicht angesprochen worden. Wenn es sich hier aber um rechtsverbindliche Regeln handelt, hätte der Angeklagte erwarten dürfen, darauf in einem solchen Lehrgang hingewiesen zu werden.
Der Sachverständige F. hat bekundet, bei einem - anderen - derartigen Lehrgang, den er sich angehört habe, sei ausgeführt worden, die Druckausgleichsregeln hätten ihre Bedeutung für das Verhalten nach einer Leckage. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Angeklagte, selbst wenn etwa er bei einem Sachverständigen nachgefragt hätte, mit Sicherheit die Auskunft erhalten hätte, die Regeln über den Druckausgleich müsse er schon bei der Befüllung der einzelnen Tanks seines Schiffes einhalten.
Unter diesen Umständen hat der Angeklagte freigesprochen werden müssen."


Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1992- Nr.18 (Sammlung Seite 1389 f.); ZfB 1992, 1389 f.