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Leitsätze:
1) Der Anspruch auf Zahlung des Unterschiedsbetrages gemäß § 31 Abs. 3 BiSchVG im Falle von Abweichungen von den Festfrachtvorschriften ist eine zivilrechtliche Forderung.
2) Sonderleistungen, die im Verhältnis Hauptfrachtführer/Unterfrachtführer nicht bereits durch Abschluss- und Abfertigungsprovision abgegolten sind, dürfen nicht in festen Prozentsätzen von der tariflich festgesetzten Fracht vergütet werden.
3) Zu den subjektiven Voraussetzungen des Anspruchs auf Zahlung des Unterschiedsbetrages nach § 31 Abs. 3 BiSchVG.
Urteil des Landgerichts Hamburg
vom 12. Oktober 1973
Zum Tatbestand:
Die beklagte Reederei hatte als Hauptfrachtführerin von den Frachteinnahmen der von ihr beschäftigten Hauspartikuliere außer den nach FTB zulässigen Spediteur-, Abschluss- und Abfertigungsprovisionen eine weitere Bereederungsprovision von 5 % für die mit der Bereederung der Hausschiffer verbundenen Unkosten einbehalten.
Der Bund, vertreten durch eine Wasser- und Schifffahrtsdirektion, verlangt Zahlung dieser Beträge an sich. Nach einem Urteil des OLG Hamburg vom 15. 2. 1973 - 6 U 16/ 72 - bedeute die pauschalierte Erhebung von Bereederungskosten in Form fester Prozentsätze des jeweiligen Frachtbetrages einen Verstoß gegen § 31 BiSchVG mit der Folge der Anwendung des 3. Absatzes dieser Vorschrift.
Die Beklagte bestreitet eine Zahlungspflicht, insbesondere das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen.
Die Beklagte ist antragsgemäß zur Zahlung von ca. 5000,-DM verurteilt worden.
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Zivilrechtsweg ist gemäß § 13 GVG gegeben, da eine zivilrechtliche Forderung im Streit ist. Es handelt sich um einen Frachtzahlungsanspruch für Beförderungsleistungen der Binnenschiffer. Dieser ist nach dem Vortrag der Klägerin gemäß § 31 Absatz 3 BiSchVG auf sie übergegangen mit der Folge, dass sie ohne Veränderung der Rechtsnatur der Forderung in die Gläubigerstellung der als Unterfrachtführer in Höhe des ihnen tariflich zugewiesenen Anteils am Beförderungsentgelt zu beteiligenden, in Anlage 1 namentlich aufgeführten Hausschiffer eingerückt ist (vergleiche BVerWG in BB 1964, 241).
Die Beklagte hat - wie die Klägerin zutreffend beanstandet hat - weder im Verlaufe dieses Rechtsstreits noch im vorausgegangenen Bußgeldverfahren spezifiziert, welche mit der Beförderungsleistung nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Sonderleistungen sie für die beteiligten Hausschiffer erbracht hat, die mit der Bereederungsprovision vergütet sein sollen.
Selbst wenn man aber zugunsten der Beklagten davon ausgeht, dass sie für ihre Hausschiffer einer gesonderten Vergütung zugängliche Betreuungsleistungen erbracht und als Entgelt hierfür die in Rede stehenden Frachtanteile einbehalten hat, stellt sich dieses Vorgehen als ein Verstoß gegen die Festfrachtregelung dar. Wie bereits in den angeführten, von den Parteien in Bezug genommenen Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts überzeugend begründet worden ist, ist es zwar grundsätzlich statthaft, wenn Sonderleistungen, die nicht bereits durch die Abschluss- und Abfertigungsprovision abgegolten sind, gesondert vergütet werden. Wenn dieses Entgelt jedoch, obwohl es gerade nicht im Zusammenhang mit der Beförderungsleistung steht, in festen Prozentsätzen von der tariflich geregelten Fracht entrichtet wird, liegt insoweit eine gemäß § 31 Absatz 1 unzulässige Umgehung des festgesetzten Entgelts vor.
Auch die subjektiven Voraussetzungen für einen Übergang der Frachtdifferenz auf die Klägerin gemäß § 31 Absatz 3 BiSchVG liegen vor. Die Klägerin und ihre Hausschiffer hätten sich bei der bei ihnen als Binnenschifffahrtsgewerbetreibenden vorauszusetzenden Kenntnis des Festfrachtsystems darüber im klaren sein müssen, dass ein über die festgesetzten Spediteur- und Hauptfrachtführerprovisionen hinausgehender im Tarifsystem nicht vorgesehener Abzug von weiteren 5 % die dem Binnenschiffer zugewiesene Anteilfracht in unzulässiger Weise schmälert.
Den gesamten Umständen nach dienen die Regie- oder Bereederungsleistungen vielmehr lediglich als formales Argument zur Begründung gesetzwidriger Abzüge von der Festfracht, welche es der Beklagten ihrerseits ermöglicht haben, die gleichfalls 5 % betragende Abfertigungsprovision an die Spediteurfirma D. weiterzugeben, um sich auf diese Weise einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil vor der Konkurrenz zu verschaffen.
Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Vorgehen der Klägerin mit einer jahrelang unbeanstandet gebliebenen Praxis gebrochen habe. Wenn die Klägerin erst durch die Neufassung des BiSchVG und die Schaffung der Verordnung über die Überwachung der festgesetzten Entgelte für Verkehrsleistungen in den Stand gesetzt worden ist, wirksam derartigen Tarifverstößen nachzugehen, kann dieser Umstand - wie keiner näheren Darlegung bedarf - die Beklagte nicht entlasten.
Ebenso wenig vermag die Beteiligten zu entschuldigen, dass die Klägerin sie nicht zuvor darauf aufmerksam gemacht hat, dass die von ihnen geübte Abrechnungsweise eine gemäß § 31 Abs. 1, 42 a der Neufassung des BiSchVG unzulässige Umgehung der Festfrachtregelung darstellt. Zum einen ist in diesen Vorschriften - von der Erleichterung der der Klägerin obliegenden Darlegungs- und Beweislast einmal abgesehen - hinsichtlich der Nichtigkeit von Gesetzesumgehungen nur konkretisiert worden, was sich schon auf Grund allgemeiner bürgerlich rechtlicher Vorschriften ergibt, zum anderen ist es Sache der Beteiligten als Binnenschifffahrtsgewerbetreibenden, sich über Änderungen der ihr Gewerbe betreffenden Rechtsvorschriften auf dem laufenden zu halten, zumal dann, wenn es sich um ein für die Ausübung ihres Gewerbes grundlegendes Gesetzeswerk wie das BiSchVG handelt.
Wenn der Frachtenausschuss Hamburg einen Antrag der Beklagten auf Festsetzung von Bewirtschaftungsgebühren mit der Begründung abgelehnt hat, dass diese von § 21 BiSchVG nicht erfasst seien und lediglich den Schiffer selbst etwas angingen, durfte die Beklagte aus dieser Ablehnung nicht herleiten, dass sie dazu berechtigt wäre, ihrerseits feste Prozentanteile von der Fracht als Bewirtschaftungsentgelt festzusetzen und einzubehalten.
Darüber hinaus weist der von der Beklagten gestellte Antrag auf Festsetzung einer 5 %igen Bereederungsprovision darauf hin, dass sie sich darüber im klaren war, dass prozentuale Abzüge von den an die Hausschiffer auszukehrenden Anteilfrachten der Parteivereinbarung entzogen sind .
Hinsichtlich der beteiligten Hausschiffer ist allerdings, wie von der Beklagten geltend gemacht wird, denkbar, dass diese - allein auf die Gesetzeskunde und Gesetzestreue der Beklagten vertrauend - dieser ausschließlich die Frachtenabrechnung nach den jeweils geltenden Tarifen und die Umlegung der Bewirtschaftungskosten übertragen haben, ohne insoweit eigene Erwägungen anzustellen. In diese Richtung weist auch die Begründung des Amtsgerichts in der dem auch hier beteiligten Hausschiffer betreffenden Bußgeldsache, wenn dort dem Beschuldigten zugute gehalten worden ist, dass er auf die Zuverlässigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Betriebskostenrechnung als Grundlage für die Ermittlung der Bereederungsprovision vertraut haben mag. Auch bei einer solchen, möglicherweise ein Verschulden der beteiligten Hausschiffer im strafrechtlichen Sinne ausschließenden Fallgestaltung wäre nach der hier anzustellenden zivilrechtlichen Betrachtungsweise der subjektive Tatbestand des § 31 Absatz 3 BiSchVG gegeben. In diesem Falle hätten sich die Hausschiffer der Hilfe der Beklagten zur Erfüllung der ihnen als Binnenschifffahrtsgewerbetreibenden obliegenden Pflicht, ihr Gewerbe im Einklang mit den jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften auszuüben, bedient. Das wiederum hätte zur Folge, dass sie sich in entsprechender Anwendung des § 166 BGB das - wie oben dargelegt - grobe Verschulden der Beklagten bei der tarifwidrigen Abrechnung der von ihnen erbrachten Beförderungsleistungen zurechnen lassen müssten (vergleiche Palandt-Heinrich 5 zu § 166 BGB; Richardi „die Wissensvertretung" in AcP 169, 385 folgende - 397, 403 -; Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 10. Mai 1972 - 6 U 160/161/72) -.
Nach allem sind Frachtzahlungsansprüche der Hausschiffer in Höhe der Klageforderung auf die Klägerin übergegangen.