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Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 8. Dezember 1993
298 Z - 20/93
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 26. August 1992 - 5 C 38/91 BSch -)
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Folgen eines Schiffsunfalls, der sich am 13.9.1990 auf dem Rheinstrom linksrheinisch im Bereich von km 726 - Ortslage Stürzelberg - ereignet hat.
Die Klägerin zu 1 ist Eignerin des MTS "RK 111" (80 m lang; 8,20 m breit; 800 PS; 1220,261 t;), das zur Zeit nachbeschriebener Ereignisse von Schiffsführer L geführt worden ist.
Die Klägerin zu 2 ist der Versicherer der von MTS "RK 111" beförderten Ladung von 76658 kg Gasöl.
Die Klägerin zu 3 ist der Haftpflichtversicherer der Klägerin zu 1.
Der Beklagte zu 1 ist der Eigner des MTS "J" (110 m lang; 10,54 m breit; 1200 PS; 2820,121 t).
Der Beklagte zu 2 war zur Unfallzeit verantwortlicher Schiffsführer des MTS "J".
Am 13.9.1990 gegen 7.20 Uhr befanden sich MTS "RK 111" auf der Bergfahrt und das MTS "J" auf der Talfahrt. Beide beladenen Schiffe fuhren wegen des unsichtigen Wetters mit Hilfe von Radar. Sie kollidierten linksrheinisch im Bereich von Rhein-km 726 in Höhe zweier Stillieger. An den kollidierten Schiffen entstand hoher Sachschaden. Durch ausgelaufenes Produkt wurden erhebliche Ölverschmutzungsschäden herbeigeführt.
Die Klägerinnen haben behauptet, MTS "RK 111" sei zunächst rechtsrheinisch gefahren und habe bei Rhein-km 727,3 - 727,4 den Übergang nach linksrheinisch gemacht und sei mit einer Geschwindigkeit von 11 - 13 km/h weiter zu Berg gefahren. Es habe sich dann in der Ortslage von Stürzelberg ein Talfahrer gemeldet, der von MTS "RK 111" eine Begegnung Backbord/Backbord verlangt habe. Als dieser Talfahrer auf dem Radarbild von MTS "RK 111" sichtbar geworden sei, hätten beide Schiffe einen Kurs gehabt, bei dem die geforderte Begegnung problemlos gewesen sei. Das zu Tal fahrende MTS "J" habe im weiteren Verlauf der Annäherung zunächst allmählich und dann immer stärker Kurs nach Backbord genommen und sei, als der Abstand der Schiffe noch etwa 300 - 400 m betragen habe, direkt auf MTS "RK 111" zugefahren. Schiffsführer L habe den Talfahrer sofort angesprochen, es bleibe bei Backbord/Backbord. Der Beklagte zu 2 habe jedoch erwidert, es werde Steuerbord/Steuerbord begegnet. Schiffsführer L habe dann noch versucht, durch Verstärkung des Maschineneinsatzes an den beiden linksrheinischen Stilliegern vorbeizukommen und näher an das linke Ufer heranzufahren. Das sei jedoch nicht mehr gelungen. In Höhe der Ankerlieger seien MTS "RK 111" mit Steuerbordschräglage und MTS "J" mit Backbordschräglage zusammengestoßen. Ursache für den Fahrfehler des Beklagten zu 2 sei möglicherweise seine erhebliche Fahrzeitüberschreitung gewesen.
Die Klägerinnen haben beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner, den Beklagten zu 1 außer dinglich mit MTS "J" im Rahmen des Binnenschiffahrtsgesetzes auch persönlich haftend, zu verurteilen, an die Klägerin zu 1 DM 389.294,57 nebst 5 % Zinsen von DM 342.881,15 seit dem 7.12.1990, von weiteren DM 2.403.70 seit dem 28.2.1991 und von weiteren DM 44.009,72 seit dem 10.4.1991 zu zahlen,
2. die Beklagten als Gesamtschuldner, den Beklagten zu 1 außer dinglich mit MTS "J" im Rahmen des Binnenschiffahrtsgesetzes auch persönlich haftend, zu verurteilen, an die Klägerin zu 2 DM 68.168,98 nebst 5 % Zinsen seit dem 15.3.1991 zu zahlen,
3. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch haftend verpflichtet sind, die Klägerin zu 1 wegen sämtlicher weiteren anlässlich der Kollision zwischen MTS "RK 111" und MTS "J" am 13.9.1991 auf dem Rhein bei Stürzelberg entstandenen Schäden freizustellen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben ausgeführt, vor der Bucht von Stürzelberg habe MTS "J", wie es dort üblich sei, den Übergang nach linkrheinisch gemacht. Zu dieser Zeit sei noch keine Bergfahrt in Sicht gewesen. Dann sei rechtsrheinisch fahrend MTS "RK 111" ins Bild gekommen.
Dieser Bergfahrer habe sich nicht gemeldet. Auf einen Abstand der Schiffe von etwa 400 - 500 m habe der Beklagte zu 2 dann gefragt, was denn nun sei, ob die Begegnung Steuerbord an Steuerbord stattfinden solle. Eine Antwort habe er nicht erhalten. Nachdem er diese Frage nochmals vergeblich wiederholt habe, habe MTS "RK 111" plötzlich Kurs nach Steuerbord genommen und habe eine Begegnung Backbord/Backbord verlangt. Der Beklagte zu 2 habe nur noch antworten können, dass es dazu zu spät sei. Er habe dann das Ruder nach Steuerbord ausgedreht, die Kollision sei aber nicht mehr zu verhindern gewesen. "J" habe bei der Kollision noch ziemlich gestreckt gelegen.
Die Fahrzeitüberschreitung seitens des Beklagten zu 2 sei nicht unfallursächlich gewesen. Der Beklagte zu 2 habe in der Nacht zuvor ausreichend geschlafen. Die Polizei habe nach dem Unfall auch keine Übermüdung festgestellt.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat nach Beiziehung der Verklarungsakten 5 II 12/90 Schiffahrtsgericht Duisburg/Ruhrort durch Grundurteil vom 26.8.1992 die Klage - unter deren Abweisung im übrigen - dem Grunde nach zur Hälfte für gerechtfertigt erklärt.
Zur näheren Begründung seines Urteils hat das Rheinschiffahrtsgericht folgendes ausgeführt:
Die Kurse der beteiligten Schiffe vor dem Unfall und ein darauf beruhendes Verschulden der Schiffsführer könnten nicht festgestellt werden.
Aus den Aussagen der als Zeugen vernommenen beiden Polizeibeamten B und Sz ergebe sich aber, dass MTS "RK 111" kurze Zeit vor dem Unfall von der Talfahrt eine Begegnung Backbord/Backbord verlangt habe. Wenn man diese Aussage auf dem dem Bergfahrer folgenden Polizeiboot gehört habe, hätte man diese Durchsage auch auf dem nicht weiter als 3 km entfernt zu Tal kommenden MTS "J" bei der im Nebel von einem Talfahrer zu fordernden Aufmerksamkeit hören und sich darauf einstellen müssen, dass die Durchsage "J" galt. Solange nicht klar gewesen sei, ob die Durchsage "J" galt, hätte man entweder eine Klärung herbeiführen oder, wenn dies nicht gelungen sei, die Geschwindigkeit aus dem Schiff nehmen müssen und nicht erst in die Bucht einfahren dürfen, zumal man sich auf Kollisionskurs befunden habe. Auf diesem schuldhaften Unterlassen des Beklagten zu 2 beruhe der Unfall.
Auch Schiffsführer L von MTS "RK 111" treffe ein unfallursächliches Verschulden. Nach seiner eigenen Aussage habe er eine Kursweisung erteilt, als "J" noch nicht in Sicht gewesen sei und habe keine Bestätigung erhalten. Aus seiner Sicht habe deshalb eine nicht eindeutige Situation bestanden, die noch dadurch verstärkt worden sei, weil er selbst einen im Unfallrevier nicht üblichen Kurs gefahren sei. Auch wenn die beiderseitigen Kurse eine Begegnung mit einem Abstand von 2 Schiffsbreiten erlaubt hätten, könne nicht von einer eindeutigen Situation gesprochen werden. Unter diesen Umständen wäre es erforderlich gewesen, die Kursweisung zu wiederholen und sich bestätigen zu lassen. Das hätte zur Verhinderung des Unfalls beitragen können.
Das Verschulden beider beteiligten Schiffsführer wiege gleich schwer. Beide hätten nicht für klare Verhältnisse bei ihrer Begegnung gesorgt.
Die Klägerinnen verfolgen mit ihrer Berufung den abgewiesenen Teil der Klage weiter. Die Beklagten erstreben mit ihrer Berufung die vollständige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen beider Parteien sind unbegründet.
Beide beteiligten Schiffsführer haben den Unfall gleichermaßen verschuldet, ohne dass ein überwiegendes Verschulden der einen oder anderen Seite festgestellt werden kann.
1. Ohne Erfolg wenden sich beide Parteien gegen die Beweiswürdigung in dem angefochtenen Urteil.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte zu 2 bei der Annäherung an die spätere Unfallstelle rechtzeitig Ansagen über Kanal 10 gemacht hat, wie er das im Verklarungsverfahren behauptet hat. Denn hiervon haben weder die Besatzungsmitglieder des zu Berg fahrenden MTS "RK 111", noch die Besatzung des diesem Bergfahrer folgenden Polizeibootes, noch die Zeugen, die sich auf den beiden Stilliegern in Höhe der Unfallstelle aufgehalten haben, etwas gehört, was nach Meinung der Berufungskammer dafür spricht, dass die angeblichen Durchsagen nicht erfolgt sind.
Als ungeklärt müssen ferner die Kurse beider unfallbeteiligter Schiffe kurz vor der Kollision erachtet werden. Das Rheinschiffahrtsgericht hat mit Recht angenommen, dass sich die Aussagen beider beteiligten Schiffsführer und ihrer Matrosen W und Wy unvereinbar miteinander gegenüberstehen und die unbeteiligten Zeugen zu dieser Frage keine Wahrnehmungen gemacht haben. dass aus den Aussagen der Zeugen P und D im Gegensatz zu den Angaben des Beklagten zu 2 im Verklarungsverfahren geschlossen werden muss, dass MTS "J" nicht die blaue Seitentafel mit dem gekoppelten Blinklicht gezeigt hat, lässt sichere Rückschlüsse auf den Kurs des Talfahrers nicht zu. Es ist nicht auszuschließen, dass MTS "J" zunächst bei der Annäherung der Schiffe im Strommitte gefahren und erst später bei der weiteren Annäherung nach linksrheinisch geraten ist, wie das Schiffsführer L und sein Matrose W ausgesagt haben, und eine Zeichengebung zunächst überhaupt nicht in Erwägung gezogen hat. dass MTS "RK 111" im Zeitpunkte der Kollision einen hart nach linksrheinisch gerichteten Kurs gesteuert hat, muss nicht sicher darauf deuten, dass dieses Schiff zuvor einen Übergang von rechts- nach linksrheinisch gemacht hat. Die diesbezüglichen Beobachtungen der Zeugen P und D schließen nicht aus, dass Schiffsführer L durch einen Kurs nach Steuerbord die Anfahrung verhindern wollte, wie er es ausgesagt hat. Denn den Kurs des Bergfahrers bei der Annäherung an ihre stilliegenden Schiffe haben die Zeugen P und D nach ihren Bekundungen nicht gesehen.
2. Der Beklagte zu 2 hätte als Radartalfahrer § 6.32 Nr. 4 RheinSchPV beachten müssen. Nach dieser Vorschrift muss ein Fahrzeug in der Radarfahrt zu Tal, sobald es auf dem Radarschirm ein Fahrzeug bemerkt, dessen Standort oder Kurs eine Gefahrenlage verursachen kann, oder wenn es sich einer Strecke nähert, in der sich auf dem Radarschirm noch nicht wahrzunehmende Fahrzeuge befinden können, das Dreitonzeichen nach § 4.06 Nr. 1 Buchstaben c geben und dieses Schallzeichen so oft wie notwendig wiederholen. Ferner muss unter diesen Umständen der Talfahrer seine Geschwindigkeit vermindern und, falls nötig, Bug zu Tal anhalten oder aufdrehen.
Nach seinen eigenen Bekundungen im Verklarungsverfahren hat der Beklagte zu 2 bei der Annäherung an die Unfallstelle keinerlei Schallzeichen gegeben. Er hat auch dann Schallzeichen unterlassen, als er MTS "RK 111" auf dem Radarschirm sah. Spätestens jetzt musste sich ihm aufdrängen, dass die beiderseitigen Kurse eine Gefahrenlage nicht ausschlossen, vielmehr die Situation ungeklärt war. Denn er hatte nach seinen eigenen Angaben im Verklarungsverfahren von dem Bergfahrer keine Ansage über Kanal 10 über die Kursweisung empfangen. Solange aus seiner Sicht keine Kursweisung für die bevorstehende Begegnung mit dem Bergfahrer mitgeteilt und von ihm nach § 6.32 Nr. 5 Abs. 2 RheinSchPV bestätigt und von ihm mitgeteilt worden war, nach welcher Seite hin er ausweichen wollte, konnte er nicht davon ausgehen, dass die Begegnung gefahrlos durchgeführt werden konnte. Unter diesen Umständen hätte er das nach § 6.32 Nr. 4 RheinSchPV vorgeschriebene Schallzeichen geben und sofort die Geschwindigkeit vermindern müssen.
Ferner ist dem Beklagten zu 2 vorzuwerfen, dass er es als Radartalfahrer an der gebotenen Aufmerksamkeit (§ 1.04 RheinSchPV) hat fehlen lassen. Ihm ist die Durchsage des Schiffsführers des Bergfahrers zur Kursweisung und über die gewünschte Begegnung entgangen.
dass eine Durchsage von Schiffsführer L zur Kursweisung und über die gewünschte Begegnung über Kanal 10 erfolgt ist, haben die beiden Polizeibeamten B und Sz, die mit einem Polizeiboot MTS "RK 111" folgten, gehört und im Verklarungsverfahren bestätigt. Beide Zeugen wollen die gleiche Stimme wieder erkannt haben, die im letzten Teil des Geschehnisse erneut eine Begegnung Backbord/Backbord verlangte und wobei es sich nach der Sachdarstellung beider Parteien nur um die von Schiffsführer L gehandelt haben kann, weil beide Zeugen auch gehört haben, wie der Beklagte zu 2 entgegnete, dass es nicht mehr gehe. dass diese Zeugen nur an der Stimme erkannt haben wollen, es habe sich jeweils um die gleiche Person gehandelt, berührt nicht die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben, zumal der Zeuge B nach seinen Angaben über ein gutes Gehör für Stimmen verfügt, weil er Amateurfunker ist. Auch wenn sich dieser Zeuge nicht 100%tig sicher war, nimmt das seinen Aussagen nicht den Beweiswert, da es auf eine absolute Sicherheit nicht ankommt. Es besteht hier die hinreichende Sicherheit, dass die Angaben des Zeugen den Tatsachen entsprechen. Die Relativierung seiner eigenen Angaben zeigt indessen, dass der Zeuge seine Angaben sehr vorsichtig und mit der erforderlichen Objektivität gemacht hat. Die Berufungskammer meinte daher, seinen Angaben, die mit denen des Polizeibeamten Sz übereinstimmen, folgen zu können und nimmt daher an, dass eine Durchsage von Schiffsführer L über Kanal 10 in dem beschriebenen Sinne erfolgt ist, mag auch die Durchsage, worauf unten noch einzugehen ist, inhaltlich nur unvollständig der Vorschrift des § 6.32 Nr. 5 RheinSchPV entsprochen haben. Bei gebotener Aufmerksamkeit, die von einem Talfahrer bei der Radarfahrt zu verlangen ist, hätte die Durchsage dem Beklagten zu 2 nicht zu entgehen können, weil sich die Schiffe schon soweit angenähert hatten, dass sich der Talfahrer im Sendebereich des Bergfahrers befand, was die Berufungskammer aus dem von den beiden Polizeibeamten bekundeten zeitlichen Abstand der Durchsagen entnimmt. Wenn der Beklagte zu 2 die Ansage des Bergfahrers nicht gehört hat, kann das nur auf einer schuldhaften Unaufmerksamkeit beruhen. Bei gehöriger Sorgfalt hätte er auch die Durchsage richtig verstehen können. Mindestens hätte er bei Zweifeln über Kanal 10 seinerseits die in § 6.32 Nr. 5 Abs. 2 RheinSchPV vorgeschriebenen Ansagen vornehmen müssen, damit er nach einer ergänzten Ansage des Bergfahrers den gewiesenen Weg bestätigen konnte.
Auf dem aufgezeigten Fehlverhalten des Beklagten zu 2 beruht der Unfall. Bei gehöriger Zeichengebung und Beachtung der Durchsagen über Kanal 10 hätte der Beklagte zu 2 eine Kursverständigung mit dem Bergfahrer erreichen und durch einen Kurs entsprechend der Kursweisung den Unfall vermeiden können. dass sich die Überschreitung der Fahrzeit durch den Beklagten zu 2 am Tage vor dem Unfall unfallursächlich ausgewirkt hat, konnte hingegen nicht festgestellt werden. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beklagte zu 2 zur Unfallzeit übermüdet gewesen ist.
3. Auch Schiffsführer L von MTS "RK 111" trifft der Vorwurf schadensursächlichen Fehlverhaltens.
Nach § 6.32 Nr. 5 RheinSchPV muss ein Bergfahrer, sobald er Fahrzeuge auf dem Bildschirm bemerkt, deren Standort oder Kurs eine Gefahrenlage verursachen kann, oder wenn er sich einer Strecke nähert, in der sich auf dem Radarschirm noch nicht wahrzunehmende Fahrzeuge befinden können, "einen langen Ton" geben, der so oft wie notwendig zu wiederholen ist, und dem entgegenkommenden Fahrzeug über Sprechfunk seine Fahrzeugart, seinen Namen, seine Fahrtrichtung und seinen Standort mitteilen und ansagen, ob er die blaue Tafel oder das weiße Funkellicht zeigt oder nicht.
Wie sich aus den Aussagen der im Verklarungsverfahren vernommenen Zeugen W, POM B und POM Sz ergibt, hat sich Schiffsführer L nicht vorschriftsmäßig gemeldet, sondern zunächst über Kanal 10 angesagt : "Für die Talfahrt bei Stürzelberg, für die Bergfahrt Backbord an Backbord". Bei der Wiederholung der Ansage hat L angesagt: "Für die Talfahrt Backbord an Backbord". Eine solche Ansage kann zu Missverständnissen und zu einer Gefahrenlage führen, weil ohne Namensnennung und Standort unsicher ist, wer die Begegnung wünscht und auf wen sich die Talfahrt einstellen muss. Insbesondere fehlte auch jeglicher Hinweis auf die vorgeschriebenen Zeichen zur Kursweisung nach § 6.04 RheinSchPV. Auf eine solche Ansage kann im Interesse der Verkehrssicherheit nicht verzichtet werden. Wenn es richtig sein sollte, wie der Zeuge B ausgesagt hat, dass die Radarschifffahrt immer mehr dazu übergeht, sich nicht mehr mit dem Namen zu melden, ist dem nach der Überzeugung der Berufungskammer durch die Gerichte entgegenzutreten. Unter den hier gegebenen Umständen kann allerdings nicht hinreichend sicher festgestellt werden, dass sich die unzulässig verkürzte Ansage über Kanal 10 schadensursächlich ausgewirkt hat. Es ist zweifelhaft, ob der Beklagte zu 2 zu einer Zeit, als er noch durch einen entsprechenden Kurs der gewünschten Begegnung Backbord/Backbord hätte entsprechen und hierdurch den Unfall hätte vermeiden können, überhaupt den Ansagen über Kanal 10 Aufmerksamkeit gewidmet hat. Es ist daher nicht hinreichend sicher, ob er bei einer vorschriftsmäßigen Ansage die Kursweisung bestätigt und dann auch befolgt hätte.
Vorzuwerfen ist Schiffsführer L aber, dass er es bei einer ersten Ansage belassen und dann erst seine Ansage wiederholt hat, als sich die Schiffe bereits auf 300 - 400 m genähert hatten. Da er linksrheinisch fuhr, hätte er in Rechnung stellen müssen, dass der Talfahrer in den Hang bei Rhein-km 726 fallen konnte. Auch war es zu keiner Absprache über die bevorstehende Begegnung gekommen. Hieraus hätte er auf eine Gefahrenlage schließen müssen. In § 6.32 Nr. 5 RheinSchPV ist verbindlich vorgeschrieben, dass der Bergfahrer bei einer Gefahrenlage das dort vorgeschriebene Schallzeichen" einen langen Ton" zu geben und seine Ansagen mit dem vorbeschriebenen Inhalt so oft wie notwendig zu wiederholen hat. Davon kann hier bei einer einmaligen und dazu noch unvollständigen Ansage und deren Wiederholung zu einer Zeit, als eine sachgemäße Reaktion seitens des Talfahrers zur Vermeidung des Unfall ausgeschlossen war, nicht die Rede sein.
Durch die festgestellten Verstöße gegen § 6.32 Nr. 5 RheinSchPV hat Schiffsführer L den Unfall mitverschuldet. dass sich vor dem Unfall keine zweite mit Radar vertraute Person im Steuerstuhl aufgehalten hat, obwohl das Schiff nicht für den Einmannbetrieb zugelassen war, kann nicht als unfallursächlich erachtet werden, weil nicht die Ortung der Talfahrer, sondern die mangelhaften und unterbliebenen Ansagen über Kanal 10 unfallursächlich gewesen sind.
4. Im Rahmen der nach den § § 254 BGB, 92 c BinSchG gebotenen Abwägung des Verschuldens der beteiligten Schiffsführer ist die Berufungskammer in Übereinstimmung mit dem Rheinschiffahrtsgericht der Überzeugung, dass das auf jeder Seite obwaltende Verschulden als gleich schwer erscheint; denn beide Schiffsführer haben die für die Fahrt bei unsichtigem Wetter mit Radar erlassenen Vorschriften unbeachtet gelassen und hierdurch in gleichem Umfange zu dem Unfall beigetragen. Ein überwiegendes Verschulden der einen oder anderen Seite lässt sich nicht feststellen.
5. Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
Die Berufungen beider Parteien gegen das Grundurteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 26.8.1992 werden zurückgewiesen.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe der Klageforderung an das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort zurückverwiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.