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290 Z - 13/93 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 16.08.1993
Aktenzeichen: 290 Z - 13/93
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 16. August 1993

290 Z - 13/93

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 7. Juli 1992 - 5 C 5/91 BSch -)

Tatbestand:

Die Parteien streiten um den Ersatz von Schäden aus der am 30.11.1989 auf dem Rhein bei Düsseldorf erfolgten Kollision zwischen MS "B" und TMS "D".

Das von der Klägerin kaskoversicherte MS "B" (110 m lang; 11,40 m breit; 2 x 900 PS; 3.255 t; beladen mit 82 Containern) verließ am 30.11.1989 gegen 19.35 den Düsseldorfer Hafen zu einer Talreise auf dem Rhein. Kurz danach stieß es mit dem zu Berg kommenden TMS "D" (100 m lang; 9 m breit, 1.100 PS; 1.809 t; beladen mit 839 t Heizöl) des Beklagten zu 1 zusammen. Dieses Fahrzeug hatte unmittelbar vor der Kollision rechtsrheinisch das 62 m lange MS "G" auf dessen Steuerbordseite überholt. Beide Bergfahrer hatten das weiße Funkellicht eingeschaltet und die blaue Seitenflagge gesetzt. MS "B" zeigte ebenfalls diese Zeichen. Bei dem Zusammenstoss kam der Steuerbordbug des TMS "D" gegen die Steuerbordseite des MS "B". An beiden Schiffen entstanden Schäden.

Die Klägerin verlangt aus übergegangenem Recht von den Beklagten - der Beklagte zu 2 stand zur Unfallzeit am Ruder des TMS "D" - Schadensersatz. Nach ihrem Vortrag hat der Schiffsführer des MS "B" sich vor der Ausfahrt seines Schiffes aus dem Hafen über Kanal 10 erkundigt, ob Talfahrt komme, was verneint worden sei. Nach dem Verlassen des Hafens habe er das linke Ufer angehalten. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich die beiden Bergfahrer hart rechtsrheinisch unterhalb der Düsseldorfer Kniebrücke befunden. Im Zuge des Überholmanövers des TMS "D" habe dieses Schiff plötzlich den Kurs nach Steuerbord geändert. Sodann sei es linksrheinisch gegen die Steuerbordseite - hinterer Bereich - des bereits aufgestreckten MS "B" geraten.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner, den Beklagten zu 1 außer dinglich mit TMS "D" im Rahmen des Binnenschiffahrtsgesetzes auch persönlich haftend, zur Zahlung von 45.049,97 hfl nebst Zinsen zu verurteilen.

Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt. Nach ihrem Vorbringen hat TMS "D" vor der Kniebrücke (Rhein-km 743,57) zum Überholen des MS "G" angesetzt. Als sich MS "B" angeschickt habe, den Düsseldorfer Hafen (Rhein-km 743,1 bis 743,2) zu verlassen, habe die Entfernung zu TMS "D" allenfalls noch 200 bis maximal 300 m betragen. Angesichts dieser geringen Entfernung, der Dunkelheit, der ohne Signalabgabe erfolgenden Ausfahrt des MS "B" und dem Kurs dieses Schiffs zum linksrheinischen Ufer hin sei für TMS "D", dem MS "B" durch seine Querfahrt den Weg versperrt habe, eine Kollision nicht zu vermeiden gewesen. Nautisch richtig habe deshalb der Beklagte zu 2 die Maschine sofort auf vollan zurückgestellt. Durch dieses Manöver sei alsdann MS "D" in eine leichte Steuerbordschräglage geraten und anschließend, wenn auch in stark abgeschwächter Form, gegen die Steuerbordseite des eine Backbordschräglage einnehmenden MS "B" gekommen.

Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage - unter Abweisung des weitergehenden Anspruchs - dem Grunde nach zur Hälfte für gerechtfertigt erklärt. Seine Entscheidung hat es im Wesentlichen wie folgt begründet:

An der Kollision treffe sowohl den Beklagten zu 2 als auch den Schiffsführer des MS "B" ein - gleich zu bewertendes - Verschulden. Nach dem Beweisergebnis sei TMS "D" noch 600 m entfernt gewesen, als MS "B" mit Blinklicht und Kurs zum linken Ufer aus dem Hafen gefahren sei. Der Beklagte zu 2 hätte deshalb seinen rechtsrheinischen Kurs beibehalten müssen anstatt mit Steuerbordkurs praktisch auf MS "B" zuzufahren. Dessen Führung sei hingegen vorzuwerfen, dass ein Abstand von maximal 600 m für eine Hafenausfahrt mit kreuzendem Kurs vor dem Bergfahrer reichlich knapp gewesen sei, zumal MS "B" vor der Ausfahrt weder Schallzeichen gegeben habe noch dessen Schiffsführer habe sicher sein können, dass die Bergfahrt seine Kursdurchsage über Kanal 10 auch mitbekommen habe. Außerdem seien bei Dunkelheit Abstände schlechter einzuschätzen als bei Helligkeit.

Die Klägerin verfolgt mit der Berufung den abgewiesenen Teil der Klage weiter. Die Beklagten erstreben mit ihrer Berufung die vollständige Abweisung der Klage.


Entscheidungsgründe:


Die Berufung der Klägerin ist begründet. Hingegen hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Der Beklagte zu 2 hat den Schiffsunfall allein verschuldet.

1. Das Rheinschiffahrtsgericht hat auf Grund der Aussage des einzigen an dem Unfall unbeteiligten Zeugen vA, Schiffsführer des MS "G", in Verbindung mit den örtlichen Gegebenheiten festgestellt, dass sich TMS "D" etwa zwischen 500 und
600 m, jedenfalls aber nicht mehr als 600 m, von MS "B" entfernt befunden habe, als dieses Schiff aus dem Hafen ausgefahren ist. Außerdem hat sich das Gericht der Einschätzung dieses Zeugen angeschlossen, dass es nicht zu dem Unfall gekommen wäre, wenn TMS "D" seinen rechtsrheinischen Kurs beibehalten hätte, da MS "B" sogleich nach der Ausfahrt "mit Blinklicht" Kurs zum linkrheinischen Ufer genommen habe. Demgegenüber meinen die Beklagten in der Berufungsbegründungsschrift, dass die Entfernung der beiden Schiffe im Zeitpunkt der Ausfahrt des MS "B" allenfalls 200 bis 300 m betragen habe, so dass der Zusammenstoss für den Bergfahrer mit dem das Fahrwasser querenden MS "B" unvermeidbar gewesen sei ; ausgehend von der Aussage des Zeugen vA sei nämlich der Kopf des TMS "D" bereits unter der Kniebrücke (Rhein-km 743,57) gewesen, als MS "B" noch nicht die Mündungslinie der von Rhein-km 743,1 bis 743,2 reichenden Hafenausfahrt zum Strom hin überschritten gehabt habe. Nun ist aber MS "B" nach dem weiteren Vortrag der Beklagten zunächst Mitte Hafenausfahrt gefahren. Diese liegt jedoch auf Höhe von Rhein-km 743,15, also bereits 420 m oberhalb der Kniebrücke. Hinzu kommt, dass der Zeuge vA vor dem Rheinschiffahrtsgericht wörtlich erklärt hat: "Wir beide, also 'D' und ich, waren noch unterhalb der Kniebrücke, als 'B' aus dem Hafen ausfuhr und stark zum linksrheinischen Ufer rüberhielt". Für die Richtigkeit der Behauptung der Beklagten, TMS "D" habe sich nur noch 200 bis 300 m unterhalb befunden, als MS "B" sich angeschickt habe, den Düsseldorfer Hafen zu verlassen, bestehen daher keine ausreichenden Anhaltspunkte. Hat sich aber TMS "D" noch 500 bis 600 m unterhalb von MS "B" befunden, als dieses Schiff den Hafen verlassen hat, so kann von einem plötzlichen Auftauchen des MS "B" in starker Schrägfahrt und in nicht sehr großem Abstand vor dem TMS "D" keine Rede sein. Zudem ist auf Grund der glaubhaften Angaben des Zeugen vA zum Unfallhergang festzustellen, dass TMS "D" im Bereich von Rhein-km 744 das ziemlich nahe am rechtsrheinischen Ufer fahrende MS "G" in einem kurzen seitlichen Abstand überholt hat, beide Schiffe sich bei der Hafenausfahrt des MS "B" mit sofortigem linksrheinischen Kurs noch unterhalb der Kniebrücke befunden haben und die Begegnung zwischen MS "B" und TMS "D" problemlos abgelaufen wäre, wenn der Bergfahrer seinen rechtsrheinischen Kurs beibehalten hätte, also auf gefahrlose Weise die Ausfahrt des MS "B" unterstützt hätte. Dass er das pflichtwidrig unterlassen hat und von seinem rechtsrheinischen Kurs nach Steuerbord abgekommen und gegen die Steuerbordseite des MS "B" geraten ist, gereicht ihm zum Vorwurf.

2. Demgegenüber trifft den Schiffsführer des MS "B" kein Verschulden an dem Zusammenstoss zwischen seinem Fahrzeug und TMS "D". Insoweit hat allerdings das Rheinschiffahrtsgericht die Ansicht vertreten, dass MS "B" den Hafen nicht vor dem Passieren des TMS "D" hätte verlassen dürfen, weil seine Führung bei den besonderen Umständen des Falles mit einem fehlerhaften Ausweichen nach Steuerbord seitens des Bergfahrers hätte rechnen müssen. So sei ein Abstand von maximal 600 m reichlich knapp, wenn das ausfahrende Fahrzeug den Kurs eines durchfahrenden Fahrzeugs kreuzen müsse. Auch habe der Schiffsführer des MS "B" weder ein Ausfahrtsignal gegeben noch sicher sein können, dass die Bergfahrt seine - von dem Zeugen vA bestätigte - Ankündigung über Kanal 10, MS "B" käme aus dem Hafen Düsseldorf und gehe anschließend in die Talfahrt, mitbekommen habe. Weiter seien bei Dunkelheit Abstände schlechter abzuschätzen als bei Helligkeit. Endlich liege es nicht fern, dass ein auf dem Strom fahrendes Schiff, vor dem plötzlich ein, einen Hafen verlassendes Fahrzeug in jedenfalls nicht sehr großem Abstand und in mindestens starker Schräglage auftauche, "fehlerhaft reagiert und nach Steuerbord auszuweichen versucht". Dem ist entgegenzuhalten:

 Der Schiffsführer des MS "B" durfte sich grundsätzlich darauf verlassen, dass die durchgehende Schifffahrt die Ausfahrt seines Fahrzeugs unterstützen werde
(vgl. Bemm/Kortendick, Rheinschiffahrtspolizeiverordnung 1983, 2. Aufl. Rn. 29). Da hier TMS "D" (wie übrigens auch MS "G") keine Kurs- oder Maschinenmanöver zur Unterstützung der Ausfahrt des MS "B" vorzunehmen brauchten, sondern hierzu lediglich ihren rechtsrheinischen Kurs beizubehalten hatten, musste der Schiffsführer des MS "B" die Ausfahrt nicht durch ein Schallzeichen nach § 6.16 Nr. 2 Abs. 1 RheinSchPV ankündigen. Auch gab er durch Zeigen des weißen Funkellichts und durch den Kurs seines Fahrzeugs zum linken Ufer hin deutlich zu erkennen, dass er die Weisung der - ebenfalls das weiße Funkellicht zeigenden - beiden Bergfahrer für die Talfahrt, an der Steuerbordseite vorbeizufahren (vgl. § 6.04 Nr. 3 a RheinSchPOV), auch auf sich bezog und sich danach richten werde. Nicht feststellen lässt sich, dass MS "B" plötzlich, in starker Schräglage und in nicht sehr großem Abstand vor TMS "D" aufgetaucht ist, nachdem der Abstand der beiden Fahrzeuge bei der Ausfahrt des MS "B" noch 500 bis 600 m betragen hat.

 Dann brauchte man auf MS "B" aber auch nicht mit einem Kursfehler des TMS "D" infolge der Ausfahrt zu rechnen. Da Außerdem die Voraussetzungen des § 6.16 Nr. 1 RheinSchPV für ein Ausfahrverbot nicht vorgelegen haben, musste MS "B" mit der Ausfahrt nicht zuzuwarten bis der Bergfahrer die Mündung des Düsseldorfer Hafens in den Rhein passiert hatte.


3. Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:

a) Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 07.07.1992 teilweise geändert.

b) Der Klageanspruch wird in vollem Umfang für gerechtfertigt erklärt.

c) Die Berufung der Beklagten gegen das genannte Urteil wird zurückgewiesen.

d) Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe der Klageforderung an das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort zurückverwiesen.

e) Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Deren Festsetzung erfolgt gemäß Artikel 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte durch das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort.