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Leitsätze:
1) Eine Ordnungswidrigkeit begeht außer dem Eigentümer, Ausrüster und Schiffsführer auch der von dem Betriebsinhaber oder einem sonst dazu Befugten ausdrücklich Beauftragte, der in eigener Verantwortung für die ordnungsgemäße Besetzung der Schiffe zu sorgen hat (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG), wenn die für die jeweilige Betriebsform und Einsatzzeit des Fahrzeugs vorgeschriebene Besatzung während der Fahrt nicht ständig an Bord ist.
2) Schiffsdisponenten tragen nur dann die bußgeldrechtliäte Verantwortung, wenn sie ausdrücklich damit beauftragt worden sind, (auch) für eine ordnungsgemäße Besetzung der Schiffe zu sorgen. Daß ein Angestellter „als Disponent auftritt" bzw. „als Disponent beschäftigt" ist, besagt nichts füreineausdrückliche Beauftragung, wasdie Einhaltung der Besatzungsvorschriften der RheinSchUO angeht.
3) Die ausdrückliche Beauftragung folgt aus der Notwendigkeit, eine eindeutige Bestimmung der Reichweite der Delegation und zur Sicherung der Einhaltung der übernommenen Pflichten klare Verhältnisse zu schaffen und einer allzu leichten Abwälzung der Verantwortung entgegenzuwirken. Demgemäß genügt eine nur stillschweigende Bestellung, das bloße Dulden oder die konkludente Billigung der tatsächlichen Wahrnehmung der Aufgabe nicht.
4) Nach deutschem Recht ist eine Berufung nach Art. 37 Abs. 2 Satz 1 MA durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Gericht „anzumelden", das in erster Instanz entschieden hat. Die Anmeldung ist bewirkt, sobald die Berufungsschrift in die Verfügungsgewalt dieses Gerichts gelangt ist.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 21. Oktober 1992
278 13 - 19/92
(Rheinschiffahrtsgericht Mannheim)
Zum Tatbestand:
Der Tatbestand gleicht dem des Urteils 270 B - 18/92:
Am 15. Dezember 1988 fuhr das SB „W 2" mit zwei Schubleichtern auf dem Rhein zu Berg. Gegen 16.15 Uhr wurde der Verband bei Rhein-km 425 von der Wasserschutzpolizei kontrolliert. Diese stellte anhand des Bordbuches fest, daß das mit wechselnden Schubleichtern fahrende Schubboot seit April 1988 ständig unterbemannt gewesen ist.
Gegen den Betroffenen, der Kommanditist der Fa. W. KG und in dem Unternehmen auch tätig ist, ist zunächst ein Bußgeldbescheid der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Südwest über 1000DM ergangen, weil er „als für die Ausrüstung Verantwortlicher nicht dafür gesorgt hat, daß auf dem SB „W 2" . . die für die tatsächliche Einsatzzeit vorgeschriebene Besatzung an Bord war — Zuwiderhandlung gegen § 14.05 Rhein- SchUO i.V.m. Art 8(2) Buchst. b Rhein- SchUEV, § 14.10 RheinSchUO". Nach Einspruch des Betroffenen hat ihm das Rheinschiffahrtsgericht Mannheim gemäß Art. 8 Nr. 2b RheinSchUEV i.V.m. § 7 Abs. 1 Bin- SchAufgG ebenfalls eine Geldbuße von 1000 DM auferlegt, „weil er vorsätzlich als Eigentümer nicht dafür gesorgt hat, daß die für die jeweilige Betriebsform und Einsatzzeit des Fahrzeugs vorgeschriebene Besatzung während der Fahrt ständig an Bord war (Art. 7 Abs. 2 RheinSchUEV)".
Mit der Berufung erstrebt der Betroffene seinen Freispruch. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.
In diesem Fall war zusätzlich die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu prüfen, die bejaht wurde.
Aus den Entscheidungsgründen:
„…Nach Art. 37 Abs. 1 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte kann gegen das Urteil erster Instanz bei der Rheinzentralkommission Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist binnen 30 Tagen nach der Zustellung des Urteils erster Instanz dem Gericht, welches entschieden hat, anzumelden (Art. 37 Abs. 2 Satz 1 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte). In welcher Weise die „Anmeldung" bei dem Gericht zu erfolgen hat, bleibt der Bestimmung der Landesgesetzgebung überlassen (Art. 37 Abs. 2 Satz 2 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte). Nach dem danach maßgebenden deutschen Recht geschieht die „Anmeldung" durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem zuständigen Gericht (vgl. § 314 Abs. 1 StPO; § 518 Abs. 1 ZPO; vgl. auch § 79 Abs. 3 OWiG). Diese ist bewirkt, sobald die Berufungsschrift in die Verfügungsgewalt dieses Gerichts gelangt ist. Hier liegt es nun zwar so, daß sich die in der Berufungsbegründung vom 18. September 1991 erwähnte Berufungsschrift vom 22. August 1991 nicht in den Gerichtsakten befindet und, wie es in dem Hinweis des Rheinschiffahrtsgerichts vom 29. November 1991 an den Verteidiger des Betroffenen heißt, außerdem deren Eingang bei Gericht nicht festgestellt werden kann. Jedoch hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 5. Dezember 1991 eine Ablichtung seines Berufungsschriftsatzes vom 22. August 1991 vorgelegt und weiter vorgetragen, daß „wir diesen — zusammen mit den Berufungsschriftsätzen in den Parallelsachen — am 22. August 1991 beim Rheinschiffahrtsgericht Mannheim eingereicht haben." Insoweit handelt es sich um fünf weitere gleichfalls bei der Berufungskammer anhängige Bußgeldverfahren, ebenfalls wegen Unterbemannung von Fahrzeugen der Fa. W. Die Akten enthalten eine jeweils gleichlautende Berufungsschrift vom 22. August 1991 mit dem Eingangsstempel des Gerichts vom 23. August 1991. Ferner finden sich in den Akten sämtlicher sechs Verfahren die fast wörtlich übereinstimmenden Schriftsätze zur Begründung der Berufung mit Datum vom 18. September 1991 und Eingangsstempel vom 20. September 1991. Auf Grund dieser besonderen Umstände geht die Berufungskammer davon aus, daß auch in der vorliegenden Sache die Berufungsschrift vom 22. August 1991 — zusammen mit den Berufungsschriften in den Parallelsachen — beim Rheinschifffahrtsgericht am 23. August 1991 eingekommen, also ebenfalls rechtzeitig Berufung eingelegt worden ist. Auf die Wiedereinsetzungsfrage kommt es danach nicht an. . . ."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1992- Nr.22/24 (Sammlung Seite 1403); ZfB 1992, 1403