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270 B - 18/92 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 21.10.1992
Aktenzeichen: 270 B - 18/92
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsätze:

1) Eine Ordnungswidrigkeit begeht außerdem Eigentümer,Ausrüster und Schiffsführer auch der von dem Betriebsinhaber oder einem sonst dazu Befugten ausdrücklich Beauftragte, der in eigenerVerantwortung für die ordnungsgemäße Besetzung der Schiffe zu sorgen hat (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG), wenn die für die jeweilige Betriebsform und Einsatzzeit des Fahrzeugs vorgeschriebene Besatzung während der Fahrt nicht ständig an Bord ist.
2) Schiffsdisponenten tragen nur dann die bußgeldrechtliche Verantwortung, wenn sie ausdrücklich damit beauftragt worden sind, (auch) für eine ordnungsgemäße Besetzung der Schiffe zu sorgen. Daß ein Angestellter „als Disponent auftritt" bzw. „als Disponent beschäftigt" ist, besagt nichtsfüreineausdrückliche Beauftragung, was die Einhaltung der Besatzungsvorschriften der RheinSchUO angeht.
3) Die ausdrückliche Beauftragung folgt aus der Notwendigkeit, eine eindeutige Bestimmung der Reichweite der Delegation und zur Sicherung der Einhaltung der übernommenen Pflichten klare Verhältnisse zu schaffen und einer allzu leichten Abwälzung der Verantwortung entgegenzuwirken. Demgemäß genügt eine nur stillschweigende Bestellung, das bloße Dulden oder die konkludente Billigung der tatsächlichen Wahrnehmung der Aufgabe nicht.
4) Nach deutschem Recht ist eine Berufung nach Art. 37 Abs. 2 Satz 1 MA durch Einreichung der Berufungsschriff bei dem Gericht „anzumelden", das in erster Instanz entschieden hat. Die Anmeldung ist bewirkt, sobald die Berufungsschrift in die Verfügungsgewalt dieses Gerichts gelangt ist.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt 

vom 21. Oktober 1992

270 B - 18/92

(auf Berufung gegen den Beschluss des Schiffahrtsgerichts Mannheim vom 12.7.1991 - OWi 1016/90 RhSch -)

Tatbestand:

Am 15. Dezember 1988 fuhr das SB "W 2" mit zwei Schubleichtern auf dem Rhein zu Berg. Gegen 16.15 Uhr wurde der Verband bei Rhein-km 425 von der Wasserschutzpolizei kontrolliert. Diese stellte anhand des Bordbuches fest, dass das mit wechselnden Schubleichtern fahrende Schubboot sei April 1988 ständig unterbemannt gewesen ist.

Gegen den Betroffenen, der Kommanditist der Fa. R W KG und in dem Unternehmen auch tätig ist, ist zunächst ein Bußgeldbescheid der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Südwest über 1.000 DM ergangen, weil er "als für die Ausrüstung Verantwortlicher nicht dafür gesorgt hat, dass auf dem SB "W 2" ... die für die tatsächliche Einsatzzeit vorgeschriebene Besatzung an Bord war - Zuwiderhandlung gegen § 14.05 RheinSchUO i.V.m. Art. 8 (2) Buchst. b RheinSchUEV, § 14.10 RheinSchUO". Nach Einspruch des Betroffenen hat ihm das Rheinschiffahrtsgericht Mannheim gemäß Art. 8 Nr. 2b RheinSchUEV i.V.m. § 7 Abs. 1 BinSchAufgG ebenfalls eine Geldbusse von 1.000 DM auferlegt, "weil er vorsätzlich als Eigentümer nicht dafür gesorgt hat, dass die für die jeweilige Betriebsform und Einsatzzeit des Fahrzeugs vorgeschriebene Besatzung während der Fahrt ständig an Bord war (Art. 7 Abs. 2 RheinSchUEV)".

Mit der Berufung erstrebt der Betroffene seinen Freispruch.

Entscheidungsgründe:

Das formell nicht zu beanstandende Rechtsmittel hat Erfolg.

Nach Art. 7 Abs. 2 RheinSchUEV "haben Eigentümer, Ausrüster und Schiffsführer dafür zu sorgen, dass die für die jeweilige Betriebsform und Einsatzzeit des Fahrzeugs vorgeschriebene Besatzung (Kapitel 14) während der Fahrt ständig an Bord ist". Verstoßen sie schuldhaft gegen diese Pflicht, so handeln sie nach Art. 8 Nr. 1c bzw. Art. 8 Nr. 2b RheinSchUEV ordnungswidrig i.S.v. § 7 Abs. 1 BinSchAufgG. Außerdem begeht derjenige eine Ordnungswidrigkeit, der von dem Betriebsinhaber oder einem sonst dazu Befugten "ausdrücklich beauftragt ist, in eigener Verantwortung" für die ordnungsgemäße Bemannung der Schiffe während der Fahrt zu sorgen (vgl. § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG).

Der Betroffene ist nicht Eigentümer, Ausrüster oder Schiffsführer des am 15. Dezember 1988 von der Wasserschutzpolizei kontrollierten SB "W 2". Allerdings wird er in der die angefochtene Entscheidung einleitenden Beschlussformel als "Eigentümer" bezeichnet. Insoweit liegt aber ein Vergreifen des Rheinschiffahrtsgerichts im Ausdruck vor. Das machen die Gründe der Entscheidung deutlich. Darin heißt es, dass "der Betroffene in der Fa. R W für die Besatzung des SB ’W 2’ verantwortlich ist" bzw. dass "er zwar nicht Eigentümer des Schiffes, jedoch ausdrücklich beauftragt ist, in eigener Verantwortung Aufgaben im Zusammenhang mit der Besetzung des Schiffes wahrzunehmen"; er sei deshalb nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG wie ein Eigentümer zu behandeln.

Nun kommt aber eine Ordnungswidrigkeit eines Beauftragten nach den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG nur dann in Betracht, wenn dieser "von dem Inhaber eines Betriebes oder einem sonst dazu Befugten ausdrücklich beauftragt ist, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebes obliegen". Eine solche Beauftragung des Betroffenen lässt sich aber nicht feststellen. Zu seiner gegenteiligen Ansicht hat das Rheinschiffahrtsgericht keine näheren Ausführungen gemacht. Diese scheint es daraus herzuleiten, dass sich der Betroffene bei seiner Vernehmung durch die Wasserschutzpolizei am 28. Februar 1989 zu dem Vorwurf, "mein Fahrzeug SB ’W 2’ als Verantwortlicher für die Fahrtgestaltung und Besatzung nicht ausreichend besetzt zu haben", dahin geäußert hat, dass das Schubboot während der gesamten vorgehaltenen Zeit (Mai bis Dezember 1988) ausreichend besetzt gewesen sei, ohne auf die Frage seiner Verantwortung einzugehen. Möglicherweise hat es die Verantwortlichkeit des Betroffenen auch daraus entnommen, dass dieser in seinem Einspruchschreiben dazu nicht Stellung genommen, sondern lediglich um die Einstellung des Verfahrens gebeten hat, weil es nicht richtig sei, dass das SB "W 2" von April bis Dezember 1988 permanent unterbesetzt gewesen sei; es hätte lediglich durch Krankheit und Urlaub bedingte Ausfälle gegeben.

Nunmehr hat aber der Betroffene in der Begründung seiner Berufung vorgetragen, dass er nicht "sonstiger Beauftragter i.S.d. § 9 Abs. 2 OWiG ist, da es an der erforderlichen ausdrücklichen Beauftragung fehlt". Zum Beweis dafür hat er sich auf das Zeugnis von R W sen. berufen, der - nach dem vorliegenden Handelsregisterauszug - persönlich haftender Gesellschafter der R W KG und damit deren gesetzlicher Vertreter ist, während der Betroffene die Stellung eines Kommanditisten hat, also zur Vertretung der Gesellschaft nicht ermächtigt ist (vgl. § 170 HGB). Dieser Zeuge hat bei seiner von der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe veranlassten Vernehmung durch die Wasserschutzpolizei am 29. November 1991 "zu den Verantwortlichkeiten innerhalb der Fa. W" bekundet, dass "ich i.S.d. RheinSchUO als Eigentümer in Erscheinung trete. Mein Sohn ist hierfür nicht der Ansprechpartner". Die Wasserschutzpolizei selbst hat zu dem Ergebnis ihrer Ermittlungen in einer Stellungsnahme vom 2. Dezember 1991 ausgeführt, "dass (der Betroffene) zum Zeitpunkt unserer damaligen Anzeigenerstattung (22. April 1989) kurzfristig zu Ausbildungszwecken im elterlichen Gewerbetrieb tätig war. Es steht zweifelsfrei fest, dass einzig Herr R W sen. als verantwortlicher Eigentümer i.S.d. RheinSchUO anzusehen war und ist." Außerdem sei der an die Wasserschutzpolizei gerichtete Anhörungsbogen von dem zum damaligen Zeitpunkt verantwortlichen Disponenten der Firma, einem zwischenzeitlich in den Ruhestand getretenen Herrn J, bearbeitet bzw. beantwortet worden. Danach kann nicht angenommen werden, dass der Betroffene von dem persönlich haftenden Gesellschafter der Fa. R W KG ausdrücklich damit beauftragt gewesen ist, (auch) für die ordnungsgemäße Bemannung der Schiffe ihres Reedereibetriebes zu sorgen und er damit dessen bußgeldrechtliche Verantwortung (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) übernommen hat. Entgegen der Ansicht des Rheinschiffahrtsgerichts kann daher dem Betroffenen ein Bußgeld nicht auferlegt werden.


Es wird deshalb für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung des Betroffenen wird der Beschluss des Rheinschiffahrtsgerichts Mannheim vom 12. Juli 1991 abgeändert. Der Betroffene wird freigesprochen.

2. Der Betroffene hat keine Kosten zu tragen.

3. Die Festsetzung der ihm zu erstattenden notwendigen Auslagen erfolgt gemäß Art. 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte durch das Rheinschiffahrtsgericht Mannheim.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1992 - Nr.23, 24 (Sammlung Seite 1402 f.), ZfB 1992, 1402 f.