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267 B - 15/92 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 21.10.1992
Aktenzeichen: 267 B - 15/92
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 21. Oktober 1992 

(auf Berufung gegen den Beschluss des Schiffahrtsgerichts Mannheim vom 12.7.1991 - OWi 1050/90 RhSch -)

267 B - 15/92

Tatbestand:

Am 6. November 1989 fuhr das SB "W 2" mit den SL "W 17 und 18" auf dem Rhein zu Berg. Gegen 00.15 Uhr kontrollierte die Wasserschutzpolizei den Schubverband bei Rhein-km 368. Sie stellte anhand des Fahrten- und des Bordbuches fest, dass der Verband seit dem 23. Oktober 1989 unterbemannt gewesen ist.

Gegen den Betroffenen, der als Speditionskaufmann im Reedereibetrieb der Fa. R W KG tätig ist, ist zunächst ein Bußgeldbescheid über 600 DM ergangen, weil er "als Verantwortlicher nicht dafür gesorgt habe, dass die für die jeweilige Betriebsform des Fahrzeugs vorgeschriebene Besatzung (Kapitel 14) während der Fahrt ständig an Bord ist - Zuwiderhandlung gegen Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 RheinSchUEV i.V.m. § 9 Abs. 2 OWiG". Auf seinen Einspruch hat ihm das Rheinschiffahrtsgericht Mannheim mit Beschluss vom 12. Juli 1991 gemäß "Art. 8 Nr. 2 RheinSchUEV, § 7 BinSchAufgG" ebenfalls eine Geldbusse von 600 DM auferlegt, weil er "vorsätzlich als Eigentümer nicht dafür gesorgt hat, dass die für die jeweilige Betriebsform oder Einsatzzeit des Fahrzeugs vorgeschriebene Besatzung (Kapitel 14 RheinSchUEV) während der Fahrt ständig an Bord war (Art. 7 Abs. 2 RheinSchUEV)".

Mit seiner Berufung erstrebt der Betroffene seinen Freispruch.

Entscheidungsgründe:

Das formell nicht zu beanstandende Rechtsmittel hat Erfolg.

Nach Art. 7 Abs. 2 RheinSchUEV "haben Eigentümer, Ausrüster und Schiffsführer dafür zu sorgen, dass die für die jeweilige Betriebsform und Einsatzzeit des Fahrzeugs vorgeschriebene Besatzung (Kapitel 14) während der Fahrt ständig an Bord ist". Verstoßen sie schuldhaft gegen diese Pflicht, so handeln sie nach Art. 8 Nr. 1c bzw. Art. 8 Nr. 2b RheinSchUEV ordnungswidrig i.S.v. § 7 Abs. 1 BinSchAufgG. Außerdem begeht auch derjenige eine Ordnungswidrigkeit, der von dem Betriebsinhaber "ausdrücklich beauftragt ist, in eigener Verantwortung" für die ordnungsgemäße Bemannung der Schiffe während der Fahrt zu sorgen (vgl. § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG).

Der Betroffene war nicht Eigentümer, Ausrüster oder Schiffsführer des von der Wasserschutzpolizei am 6. November 1989 kontrollierten Schubverbands. Allerdings wird er in der die angefochtene Entscheidung einleitenden Beschlussformel als "Eigentümer" bezeichnet. Insoweit liegt aber ein Versehen des Rheinschiffahrtsgerichts vor. Das machen die Gründe der Entscheidung deutlich. Darin heißt es, dass "der Betroffene beim Eigentümer des Schubverbandes, der Fa. R W, im angegebenen Zeitraum (23. Oktober bis 6. November 1989) für die Bemannung verantwortlich war" bzw. dass er "zwar nicht Eigentümer des Schiffes ist, jedoch nach seinen eigenen Ausführungen vom Inhaber der Reederei ausdrücklich beauftragt ist, in eigener Verantwortung über die Schiffe zu disponieren". Demgemäß sei er im Hinblick auf die Besatzungsvorschriften nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG wie der Eigentümer zu behandeln.

Richtig ist, dass eine Ordnungswidrigkeit eines Beauftragten nach den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG nur dann in Betracht kommt, wenn dieser "von dem Inhaber eines Betriebs oder einem sonst dazu Befugten ausdrücklich beauftragt ist, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebs obliegen". Eine solche, also ausdrückliche, Beauftragung hat der Gesetzgeber mit der Notwendigkeit begründet, im Interesse des beauftragten Arbeitnehmers eine eindeutige Bestimmung der Reichweite der Delegation und zur Sicherung der Einhaltung der übernommenen Pflichten klare Verhältnisse zu schaffen und einer allzu leichten Abwälzung der Verantwortung entgegenzuwirken (vgl. BTDrucks. 10/5058 S. 25 f.). Nur dadurch ist klargestellt, wer im Einzelfall die bußgeldrechtliche Verantwortung trägt und in welchem Umfang diese Verantwortung übertragen ist (vgl. Rebmann/Roth/Herrmann, Ges. über Ordnungswidrigkeiten 2. Aufl. § 9 Rn. 42). Demgemäß genügt eine nur stillschweigende Bestellung, das bloße Dulden oder die konkludente Billigung der tatsächlichen Wahrnehmung der Aufgabe nicht (vgl. Karlsruher Kommentar z. OWiG
§ 9 Rn. 45).

Nach den Darlegungen des Rheinschiffahrtsgerichts ist der Betroffene nach seinen eigenen Ausführungen vom Inhaber der Reederei ausdrücklich beauftragt worden, in eigener Verantwortung über die Schiffe zu disponieren. Diese Auffassung scheint es daraus herzuleiten, dass der Betroffene einen von der Wasserschutzpolizei am
9. November 1989 an den "Verantwortlichen der Fa. R W" gerichteten Anhörungsbogen am 20. November 1989 beantwortet und in die Spalte "Angaben zur Person" seinen Namen eingetragen hat. Möglicherweise hat es die Verantwortlichkeit des Betroffenen auch daraus hergeleitet, dass dieser in seinem Einspruchsschreiben auf die Frage seiner Verantwortlichkeit nicht eingegangen ist, sondern lediglich um die Einstellung des Verfahrens gebeten hat, weil "wir durch Krankheiten und Urlaub unserer Schiffsbesatzungen in diesem Zeitraum die gesetzliche Mindestbesatzung nicht aufrechterhalten konnten" bzw. weil "wir durch das anhaltende kleine Wasser, um die Versorgung unserer Betonwerke und anderer Kunden aufrechtzuerhalten, das Fahrpersonal anweisen mussten, die von uns vorgegebenen Lade- und Löschzeiten einzuhalten".

Nunmehr hat aber der Betroffene in der Begründung seiner Berufung vorgetragen, dass er nicht "sonstiger Beauftragter i.S.d. § 9 Abs. 2 OWiG ist, da es an der erforderlichen ausdrücklichen Beauftragung fehlt". Zum Beweis hat er sich auf das Zeugnis von R W sen. berufen. Der Zeuge hat bei seiner von der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe veranlassten Vernehmung durch die Wasserschutzpolizei am 29. November 1991" zu den Verantwortlichkeiten innerhalb der Fa. W" ausgesagt, bei dem Betroffenen sei es so, "dass dieser als Disponent auftritt und somit als sonstiger Verantwortlicher i.S.d. RheinSchUO anzusehen ist". Die Wasserschutzpolizei selbst hat zu dem Ergebnis ihrer Ermittlungen in einer Stellungnahme vom 2. Dezember 1991 ausgeführt, dass der Betroffene "als Disponent nunmehr bei der Fa. W beschäftigt ist und somit für die Besatzung der Binnenschiffe der Firma verantwortlicher Schiffsdisponent bei der Fa. R W KG tätig ist. Allein die Ausübung einer solchen Tätigkeit genügt aber nicht schon für eine bußgeldrechtliche Verantwortung des Betroffenen für die von der Wasserschutzpolizei festgestellte Unterbemannung des Schubverbands bei dessen Kontrolle am 6. November 1989. Denn eine solche Verantwortung setzt, wie bereits erwähnt, außerdem - nach dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG - voraus, dass der Betroffene von dem persönlich haftenden Gesellschafter der Fa. R W KG ausdrücklich damit beauftragt worden ist, (auch) für eine ordnungsgemäße Bemannung zu sorgen, und er damit dessen bußgeldrechtliche Verantwortung (vgl. hierzu § 9 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) übernommen hat. Dafür besteht aber kein hinreichender Anhalt. Dass der Betroffene "als Disponent auftritt" bzw. "als Disponent beschäftigt ist", besagt nichts für eine ausdrückliche Beauftragung durch den Zeugen R W sen., was die Einhaltung der Besetzungsvorschriften der Rheinschiffsuntersuchungsordnung angeht. Ein derartiger Schluss lässt sich mit hinreichender Sicherheit auch nicht daraus ziehen, dass er den Anhörungsbogen der Wasserschutzpolizei ausgefüllt und erst im Berufungsverfahren seine mangelnde bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit unter Hinweis auf das Fehlen der hierzu erforderlichen ausdrücklichen Beauftragung hervorgehoben hat. Entgegen der Ansicht des Rheinschiffahrtsgerichts kann daher dem Betroffenen ein Bußgeld nicht auferlegt werden.

Es wird deshalb für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung des Betroffenen wird der Beschluss des Rheinschiffahrtsgerichts Mannheim vom 12. Juli 1991 abgeändert. Der Betroffene wird freigesprochen.

2. Der Betroffene hat keine Kosten zu tragen.

3. Die Festsetzung der ihm zu erstattenden notwendigen Auslagen erfolgt gemäß Art. 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte durch das Rheinschiffahrtsgericht Mannheim.